Herr Lacher, im April 2022 haben Sie Ihre Mitarbeitenden an einem Meeting darüber informiert, dass Ihre Firma die «4-Tage-Woche» einführt, als Ergänzung zur klassischen «5-Tage-Woche» und zu den bestehenden Teilzeitpensen (20 – 80 %). Wie fielen die Reaktionen aus?
Oliver Lacher: Die Leute waren begeistert und haben geklatscht. Wir haben mit einer positiven Reaktion gerechnet, diese Euphorie aber hat uns dann doch überrascht.
Wie viele Mitarbeitende haben sich schliesslich für das «4-Tage-Woche»-Modell entschieden?
Weniger als wir gedacht haben: Es waren nur deren fünf von insgesamt 75 (inkl. 19 Lernende, Anm. der Red.). Eine Erklärung dafür ist, dass sich bereits viele Mitarbeitende für ein Teilzeitmodell entschieden haben und mit diesem glücklich sind. Hinzu kommt, dass wir in einer eher ländlichen Region angesiedelt sind. Zahlreiche Mitarbeitende sind in Sportvereinen aktiv; die Trainings beginnen meist um 18.30. Im «4-Tage-Woche»-Modell wird 10 Stunden am Tag gearbeitet. Abends wird's dann eng. Wie viele Mitarbeitende nun im 4-Tage-Modell arbeiten, ist für uns aber gar nicht entscheidend …
… sondern?
Wichtig ist, dass wir den Mitarbeitenden diese Option bieten. Die Lebensumstände ändern sich und unsere Leute schätzen es sehr, dass sie bei Bedarf ein neues, passendes Arbeitszeitmodell wählen können. Wir erhoffen uns so, dass die Mitarbeitenden länger bei uns bleiben. Denn in den letzten Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade die jungen Elektroinstallateure und Montage-Elektriker schwierig zu halten sind. Viele wechseln die Branche oder starten ein Studium. Auch hatten wir Mühe, freie Stellen zu besetzen. Mit den flexiblen Arbeitsmodellen können wir uns nun als moderner, innovativer Arbeitgeber positionieren. Gerade die Generation Z erwartet von einem Arbeitgeber flexible Arbeitszeitmodelle. In der aktuell schwierigen Fachkräfte-Situation müssen wir auf diese Bedürfnisse eingehen.
Wie funktioniert Ihre «4-Tage-Woche»?
Es ist ein Vollzeit-Arbeitsmodell. An vier Tagen pro Woche wird jeweils zehn Stunden lang gearbeitet, ein Wochentag steht zur freien Verfügung, etwa für Hobbys, für die Familie oder die Weiterbildung. Diesen freien Tag können die Mitarbeitenden im Prinzip selbst festlegen. Sollten sich dereinst viele Angestellte für dieses Modell entscheiden, haben jene Mitarbeitenden Priorität bei der Wahl des freien Tages, die diesen Tag für Familie oder Weiterbildung einsetzen. Gerade für Leute, die eine Weiterbildung machen wollen, ist das Modell sehr interessant. Sie können so auch tagsüber Kurse besuchen und müssen dafür keine Lohneinbussen in Kauf nehmen.
Kann jeder und jede das «4-Tage-Woche»-Modell wählen?
Grundsätzlich ja. Voraussetzung ist einzig, dass die Mitarbeitenden ihre Funktion gewährleisten können. Das war bis dato aber noch nie ein Problem.
Wie fällt die Bilanz nach diesem ersten Jahr aus?
Die fünf involvierten Mitarbeitenden sind sehr zufrieden. Und auch die Teams kommen gut damit zurecht. Natürlich ist der organisatorische Aufwand zu Beginn relativ gross. Man muss viel miteinander reden – und in den ersten zwei, drei Monaten haben wir einige organisatorische Anpassungen vorgenommen. Mittlerweile hat sich das Ganze gut eingespielt.
Und aus Sicht des Firmeninhabers? Zehn Stunden Arbeit am Tag während vier Wochentagen – leidet darunter nicht die Produktivität?
Nein, es zeigte sich, dass die Leute sehr effizient arbeiten. Zufriedene Mitarbeitende sind auch motivierter und leistungsfähiger. Ausserdem verkürzt sich durch die 4-Tage-Woche die unproduktive Zeit: Es fallen weniger Fahrten zur Baustelle an, weniger Mittags- und Znünipausen (4 statt 5/Woche) etc. Ausserdem werden keine Überstunden angesammelt. Auch für die Kundinnen und Kunden ergeben sich Vorteile: Wir sind dank der neuen Arbeitszeitmodelle flexibler erreichbar und jeweils von Montag bis Freitag auch nach offiziellem Feierabend im Einsatz.
Manche Firmenchefs befürchten, dass die Mitarbeitenden während des freien Tags «schwarz» arbeiten oder sich als Selbstständigerwerbende betätigen. Zu Recht?
Diese Gefahr sehen wir nicht, denn wir stehen jeweils vor dem Wechsel eines Arbeitszeitmodells im Dialog mit den Mitarbeitenden. Zudem haben wir ein internes Personalreglement, in welchem dieses Thema behandelt wird.
Ist in Ihrer Firma auch Jobsharing ein Thema?
Wir sind offen dafür. In der Buchhaltungsabteilung sind wir gerade dabei, eine 100 %-Stelle mit zwei Angestellten zu besetzen. Die beiden werden sich untereinander absprechen, wer wann im Einsatz ist. Das jeweilige Pensum kann auch wöchentlich ändern, unser Modell ist sehr flexibel ausgelegt. Grundsätzlich versuchen wir, möglichst allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Deshalb bieten wir verschiedene Arbeitszeitmodelle an. Eine verpflichtende «4-Tage-Woche für alle» würde kaum funktionieren und von vielen unserer Mitarbeitenden nicht goutiert. Der Mix machts. ■
Moderne Arbeitszeitmodelle
Um Fachkräfte langfristig an sich zu binden und neue Fachkräfte zu gewinnen, müssen sich die Unternehmen etwas einfallen lassen. Viele Arbeitnehmende wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten oder ein reduziertes Pensum (Teilzeit). Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Die 4- oder 4,5-Tage-Woche (Vollzeit):Durch eine Sondervereinbarung im Vertrag können Vollzeit arbeitende Mitarbeitende ihre Arbeitstage reduzieren, ohne dabei ihr Arbeitspensum zu mindern. Der Vorteil: Sie haben einen Tag oder einen halben Tag (4,5 Tage-Woche) zur freien Verfügung.
Schichtarbeit: In Betrieben mit grösserem Arbeitsumfang in der Werkstatt kann es sinnvoll sein, Schichtarbeit anzubieten. Auf diese Weise können Mitarbeitende, die sich mit dem Partner oder der Partnerin die Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen teilen, beispielsweise erst nachmittags mit der Arbeit beginnen, wenn der Partner bzw. die Partnerin zuhause übernimmt.
Jobsharing (Teilzeit): Eine Vollzeitstelle lässt sich in zwei Teilzeitstellen aufteilen. Vorgesetzte, die eine Stelle zu vergeben haben, teilen hier die Stunden auf zwei Personen auf. Die beiden Mitarbeitenden arbeiten entweder nacheinander oder gleichzeitig, je nach Anforderungen des Jobs.
Blockarbeitszeit: Bei der Blockarbeitszeit werden für verschiedene Phasen im Jahr unterschiedliche Wochenarbeitsstunden vereinbart. Dadurch können Arbeitsspitzen gut bedient und Phasen im Jahr mit weniger Arbeitsaufkommen von den Mitarbeitenden im Voraus geplant werden.
Wochen-, Monats- oder Jahresarbeitszeitkonten: Bei diesen sehr flexiblen Modellen wird eine Anzahl an zu leistenden Arbeitsstunden vorgegeben. Innerhalb der gewählten Abrechnungsperiode (Woche, Monat, Jahr) muss auf dem Konto ein Ausgleich erreicht werden.
Gleitzeit: Bei der Gleitzeit können Mitarbeitende ihre Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen. In den meisten Fällen werden fixe Kernzeiten vom Unternehmen festgelegt: beispielsweise von 10 bis 15 Uhr.
Umfrage in der Gebäudebranche
Im Rahmen der «Bildungsoffensive Gebäude» führt die Gebäudebranche zusammen mit EnergieSchweiz eine Umfrage bei den Arbeitgebenden, Arbeitnehmenden und Lernenden durch. Ziel ist es, herauszufinden, wo der Schuh drückt im Bereich der Ausbildung von Lernenden, der Weiterbildung oder der Anstellungsbedingungen. Daraufhin werden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert. Die Umfrage dauert ca. 15 Minuten und ist anonym.
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Arbeitnehmende: arbeitnehmende.ecoplansurvey.ch
Lernende bzw. in Ausbildung: lernende.ecoplansurvey.ch