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Bild: zVg.

Das IoT als Umweltretter?

Seit mehr als zwei Jahrhunderten erhöhen und sichern neue Technologien den globalen Wohlstand. Sie sind aber auch immer wieder für Umweltschäden oder gesellschaftliche Probleme verantwortlich. Doch das Internet of Things (IoT) hat Potenzial zur Trendumkehr, so die asut-Konferenz zu IoT.

Die Weltbevölkerung und der Wohlstand steigen, aber die Ressourcen bleiben endlich. Die Themen Klimawandel, Landschaftsschutz und Kreislaufwirtschaft bringen daher grosse Herausforderungen mit sich, was auch für unsere demographische Entwicklung und den anhaltenden Fachkräftemangel gilt. Alle diese Themen bedrängen den Wohlstand der Bevölkerung, verstärkt durch Pandemien, Kriege und den dadurch entstehenden wirtschaftlichen Unwägbarkeiten. Es ist unbestritten: So wie in den letzten 250 Jahren kann es nicht weitergehen. Trotz aller Bekundungen steigt der CO2-Ausstoss weiter.

Ein konsequent designtes und entsprechend umgesetztes IoT kann diesen Trend zwar nicht stoppen, aber ein effektives Instrumentarium sein, um ihn in der globalen Wirtschaft und Gesellschaft zu verlangsamen und dereinst vielleicht sogar umzukehren. Die asut IoT-Konferenz in Bern berichtete von den hohen Erwartungen an IoT-Anwendungen – von optimierten Betriebsprozessen über neue Geschäftsmodelle bis hin zur Steigerung der Lebensqualität und dem Umweltschutz. In drei Themenblöcken konnten sich rund 370 Teilnehmende mit den Schwerpunkten Soziologie, Ökologie und Ökonomie auseinandersetzen.

 

Gesteigerte Wertschöpfung

Jakub Borkowski (Huawei Europa) bringt einen ganzen Rucksack voller Erfahrungen u.a. aus dem Aufbau zellularer Netze wie 5G mit. Er bemerkte, dass der wirkliche Durchbruch vieler IoT-Lösungen noch aussteht. Viele davon stecken noch in der Konzeptionsphase und sollten dereinst auch einen ROI erbringen. Spannende technische Entwicklungen und sinnvolle Business Cases sollen jedoch dazu beitragen, dass das IoT mehr als ein Hype-Thema ist – auch dank NB-IoT via 5,5 G.

Maike Scherrer (ZHAW) sieht im IoT ein grosses Potenzial, um Wertschöpfungsketten zu verbessern. Dank schneller Datenverfügbarkeit und hoher Transparenz können die globalen Wertschöpfungsketten und bestehende Materialflüsse nachhaltiger gestaltet werden. IoT kann beispielsweise Logistikwege verkürzen, Lager bewirtschaften und neue Wertschöpfungsketten erschaffen.

 

Themenblock «Soziologie»

Kim Kordel (Schweizerische Post) beschäftigt sich leidenschaftlich mit dem Mehrwert von Daten. Unter dem Motto «IoT für soziale Nachhaltigkeit» stellt sie den Menschen in den Fokus und will die Technologie dazu nutzen. Kordel zeigte, wie man den Alltag vieler Personen dank IoT erheblich verbessern und einen nachhaltigen Nutzen schaffen kann, ob in der Smart City Barcelona oder im Bereich Telemedizin.

Biketec in Huttiwl/BE ist einer der ältesten E-Bike-Hersteller der Schweiz und durch die Marke «Flyer» im In- und Ausland bekannt. Für deren Leiter Kundenprojekte, Lukas Kaufmann sind E-Bikes viel mehr als nur ein bequemes Fortbewegungsmittel. Herzfrequenz-Regelungen und eine automatische Trainingsplanung in Kombination mit dem FIT E-Bike System sollen E-Bikes auch als Trainingsgerät für Senioren und Menschen mit geringer sportlicher Ausdauer etablieren. Dieses vielversprechende Konzept wurde in einem Forschungsprojekt mit dem iHomeLab untersucht. Neu ist diese Idee allerdings nicht, da es mit SIM-Karte ausgerüstete E-Bikes bereits seit längerem gibt.

Im Holzbau spielt Metaverse in Form von Mixed und Augmented Reality (AR) eine wichtige Rolle, sagte Paul Affentranger (Afca AG). [Anmerkung: Metaverse ist ein Konzept, bei dem ein digitaler Raum eine erweiterte, virtuelle und physische Realität entstehen lässt und verschiedene Handlungsräume des Internets zu einer Wirklichkeit vereinigt.] Dies beginnt beim Entwurf von Holzteilen und deren Zusammensetzung zu einem Haus auf der Baustelle – eine Art interaktive Brücke zwischen digitaler und realer Welt. Alle Holzteile sind bei der Montage dank IoT eindeutig identifizierbar und AR hilft beim Zusammenbau mit konkreten Hilfestellungen. Dies vereinfacht Prozesse und steigert die Produktivität, so Affentranger.

 

Themenblock «Ökologie»

Christine Roth (Swissmem) sieht in IoT Potentiale für mehr Ökologie auf allen Stufen entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere bei den Themen Rohstoffe, Kinderarbeit und CO2-Footprint. Die Anforderungen an Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit steigen rasant, wozu auch regulatorische Aktivitäten in der EU und in der Schweiz beitragen. Beispielsweise müssen Autobauer künftig für jedes einzelne verbaute Teil und nicht nur für das fertige Fahrzeug einen CO2-Nachweis erbringen. Dazu sind digitale Lösungen ein Muss und bieten Chancen für ökologischere Produkte und Prozesse.

Stromversorger haben den Nutzen von IoT erkannt, sagte Stefan Bigler von Energie Wasser Bern (EWB). Individuelle Messungen und Abrechnungen pro Anschluss insbesondere bei komplexem ZEV-Installationen erfordern neben hoher Zuverlässigkeit und Sicherheit eine hohe Skalierbarkeit bei hohem Digitalisierungsgrad. Die dazu beim Kunden installierten IoT-Devices müssen stets auf dem neuesten Software- und Sicherheitsstand und dank zentralen Managementtools fernwartungsfähig sein.

Die dramatisch zunehmende Trockenheit der Schweiz fordert alle Schweizer Wasserversorger heraus. Denn wenn die Wasserläufe austrocknen, sinkt auch der für uns so wichtige Grundwasserpegel, was die Wasserversorgung bedroht. Stefan Christen (GWF AG) stellte die Initiative «Waterleader» vor. Dank moderner IoT-Technologie liefern Echtzeitdaten wertvolle Informationen zur effizienten Nutzung und Steuerung der Wasserversorgung, welche bei geringem Wasserbedarf besonders für kritische Anwendungen nötig sind.

Gerade die Baubranche wird oft an den Pranger gestellt, die weltweit für 40% aller CO2-Emissionen verantwortlich sein soll. Lennart Rogenhofer (Losinger Marazzi AG) gab einen kurzen Einblick in die Klimastrategie der Baubranche und die komplexen Lebenszyklusbilanzen von Immobilien – vom Materialverbrauch bei deren Erstellung bis hin zum Energiebedarf und Emissionen im Betrieb. Weil der CO2-Ausstoss von Gebäuden über deren Lebenszyklus nur schwer zu ermitteln ist, soll IoT für eine bessere Datenbasis sorgen. Wirksame Hebel sind der Holzbau (recyclebares Baumaterial), die Fassadenwahl (Wärmeisolation, Energiegewinnung) und die Verwendung von CO2-reduziertem Beton – mit der Konsequenz höherer Baukosten.

Michael Blickenstorfer (CIO Cropled AG) entwickelt und optimiert intelligente Beleuchtungssysteme im Pflanzenanbau. Verschiedene Pflanzenarten bedingen individuelle Lichtexpositionen, um das Wachstum zu verbessern und den Energieverbrauch zu senken. Dynamische Beleuchtungssysteme ermöglichen dank IoT-Sensoren, intelligenter Steuerung mit Datenhaltung in der Cloud effizientere und nachhaltigere Anbaumethoden in Gewächshäusern und Indoor-Farmen.

 

Themenblock «Ökonomie»

Jedes IoT wird sich nur dann durchsetzen können, wenn neben dem sozialen und ökologischen auch ein ökonomischer Nutzen entsteht. Dies wurde am Nachmittag in insgesamt acht Sessions anhand von Beispielen aus der Gebäudetechnik sowie der Werkzeug- und Stromproduktion gezeigt.

So möchten die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich ihre Daten von über 1200 Wärmeanlagen in einer neuen, modernen Datenplattform automatisiert zusammenführen und auswerten. Dies soll die Datenqualität sicherstellen, eine doppelte Datenhaltung vermeiden, Prozesse effizienter gestalten und zu einem automatisierten Portfoliomanagement aller Stromanschlüsse führen.

Edge-Computing bringt mehr Rechenleistung zu den äusseren Grenzen IoT-fähiger Netze und ermöglicht dank tiefen Latenzen Prozesssteuerungen in Echtzeit. Demgegenüber sind beim weit verbreiteten Cloud Computing Rechenressourcen und -dienste jedoch in grossen zentralen Rechenzentren platziert. Damit IoT in Echtzeit funktioniert, möchte Kevin Lapagna (Red Hat) die Edge Devices vor Ort mit mehr Rechenleistung ausrüsten. Ein kleiner und standardisierter Werkzeugkasten von Cloud bis Sensor soll dabei helfen. Die Open-Source-Welt bietet dazu bereits heute alle Lösungsbausteine, so Lapagna.

 

Fazit

Die natürlichen, technischen und personellen Ressourcen der Schweiz sind bereits heute knapp. Zudem liegt die Grenze zu neun Mio. Einwohner*Iinnen nahe und im Jahr 2040 könnten es 10 Mio. und mehr sein. Wegen der bereits heute überlasteten öffentlichen Infrastrukturen wie Strassen, Eisenbahnen, Spitäler oder Schulen etc. bringt deren bessere Auslastung eine Hilfestellung. Ein intelligentes IoT leistet dazu einen massgeblichen Beitrag.