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Bild: zVg.

Erst automatisiert spart das smarte Wohnen Energie

Zwar verspricht die Smarthome-Technologie Geräte effizienter zu nutzen, doch muss das nicht per se zu Energieeinsparungen führen. Denn dazu müssen die Abläufe speziell geplant und implementiert werden.

Vernetzung der eigenen vier Wände ist nichts Aussergewöhnliches mehr. Storen und Licht oder Heizung und Lüftung wie Kaffee- und Waschmaschine lassen sich heute bereits von unterwegs steuern. Und künstliche Intelligenz verspricht demnächst bestimmte Kontexte so zu integrieren, dass sich Bedürfnisse vorhersagen lassen und smarte Anwendungen entsprechend reagieren. Zudem nehmen die Anwendungsmöglichkeiten zu, Photovoltaikanlagen, die Ladung des E- Fahrzeugs und Elektrospeicher inklusive Energiemanagement sind nur einige Beispiele dafür und der Markt wächst stetig.

Glaubt man den Zahlen von Statista lag der Umsatz im Smart-Home-Markt letztes Jahr bei umgerechnet etwa 816 Millionen Franken und soll bei einem erwarteten jährlichen Wachstum von 11,62% im Jahr 2027 voraussichtlich ein Volumen von 1'434 Millionen erreichen. Nicht berücksichtigt ist bei diesen Prognosen der Einfluss des Russland-Ukraine-Kriegs. Als Wachstumstreiber der Umsätze in den kommenden 4 Jahren werden smarte Haushaltsgeräte (plus 60%) genannt, aber deutliche Zuwächse von 50% und mehr verzeichnen beispielsweise auch das Energiemanagement und die Gebäudesicherheit.

Die Frage ist, ob Automationskonzepte, die das Leben zuhause einfacher und sicherer machen, durch die Energiekrise neuen Schub erfahren haben. Andreas Rumsch, der die Forschungsgruppe Smart Energy Management an der Hochschule Luzern (HSLU) leitet und auch das breite Feld des Internets der Dinge (IoT) unterrichtet, meint, dass insbesondere die Folgen des Kriegs in der Ukraine mit stark gestiegenen Preisen unter anderem das Bewusstsein fürs Energiesparen gesteigert hat. «Der Wunsch, Strom zu sparen ist bei Unternehmen wie auch Privatpersonen gestiegen», so der HSLU-Professor, und «Anbieter von Smarthome Systemen bewerben aktiv vermehrt Lösungen für Energieeffizienz, wobei eines der Hauptargumente das Kosteneinsparpotential ist». Zudem, charakterisiert Rumsch die aktuelle Situation weiter, habe durch «die Pandemie das Zuhause wieder an Bedeutung als Ort der Geborgenheit gewonnen und die Bereitschaft in den Komfort zu investieren ist gestiegen. Was die steigende Nachfrage nach entsprechenden Smarthome-Produkten zeigt.»

 

Vorsicht bei der Energieeinsparung

Interessant ist, dass Rumsch davor warnt, smarte Anwendungen einfach mit Energieeffizienz gleich zu setzen: «Der Einsatz von Smarthome-Technologie führt nicht automatisch zu Energieeinsparungen», stellt der Forscher klar. Werde nur auf Komfort geachtet und Räume in einer Wohnung ständig gut beleuchtet und beheizt, kann das zu einem höheren Energieverbrauch führen. Die Abläufe müssen also speziell hinsichtlich der Energieeffizienz geplant und implementiert werden. Zudem müsse die Effizienz der Smarthome-Technologie an sich beachtet werden. «Es ist darauf zu achten, dass Geräte wie Schalter, Sensoren, Aktoren, Zentrale nicht mehr Strom verbrauchen, als eingespart werden soll», so der Professor weiter. Diese Forderung sei zwar nicht neu, und aktuelle Produkte seien darauf getrimmt, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Doch müsse man sich bewusst sein, dass Smarthome-Geräte permanent, also 24 Stunden am Tag, Strom verbrauchen.

Allerdings ändere dies nichts daran, dass sich mit Smarthome-Technologie Energie einsparen lasse oder Geräte effizienter zu nutzen sind. «Durch die Möglichkeiten der Automatisierung können Abläufe im Gebäude optimiert werden», also dass etwa Licht nur dort leuchtet, wo es benötigt wird und die Abwaschmaschine dann startet, wenn die Sonne scheint und genügend Energie von der PV-Anlage geliefert wird. Nur müssen derartige Abläufe «automatisiert werden, damit sie auch zu Energieeinsparungen führen, denn die manuelle Steuerung durch die Nutzenden ist sehr anspruchsvoll», so Rumsch.

Damit ist sich der Forscher einig mit Praktikern wie Julien Lehner, Chef von der Gebäudetechniksparte des Innerschweizer Energieversorgers CKW. Er gibt zu bedenken: «Wenn hohe Einsparungen mit einfachen Eingriffen versprochen werden, ist dies meistens mit Komforteinbussen verbunden. Lassen Sie sich deshalbvon einem unabhängigen Fachmann beraten.» Zwar habe die Energiekrise mit nachhaltigen Lösungen auch den Smarthome-Sektor angekurbelt, schiebt Lehner nach, «allerdings nicht direkt für die klassischen Smarthome-Funktionen wie Beleuchtungs- oder Beschattungsautomatismen, sondern eher indirekt als Ergänzung zu den Photovoltaik- oder Wärmepumpen-Projekten. Die Systeme werden eingesetzt, um die Effizienz zusätzlich zu steigern oder gar Autarkie anzustreben».

 

Neues Potential

Das CKW-Team von Lehner besteht aus rund 22 Mitarbeitenden und realisiert Raumautomations- und MSRL-Lösungen (Mess-, Steuer-, Regel- und Leittechnik) für Privat- wie Gewerbekunden und öffentliche Bauherren. Brandaktuell arbeite man an einem der bisher grössten Smarthome-Projekte der CKW. In der Überbauung Wegmatten in Allschwil (BL) werden rund 130 Mietwohnungen in vier Mehrfamilienhäusern mit smarten Funktionen ausgerüstet. Die intelligente Vernetzung der einzelnen Wohneinheiten führe zu mehr Komfort, Sicherheitsfunktionen und energetischen Vorteilen für die künftigen Mieter, die Verwaltung und das Facility Management, verspricht Lehner.

Energieeffizienz sei schon immer ein wichtiger Bestandteil von Smarthome-Lösungen gewesen, fügt er an, doch sei in vielen Köpfen der Begriff Smarthome eher mit der App- gesteuerten Leuchte, als mit Energieersparnissen verbunden. Hier schlummere Verbesserungspotenzial, denn Smarthome-Lösungen können durchaus dazu beitragen, Energie zu sparen. Beispielsweise beim Zusammenspiel der Beschattung mit der Raumklimaregulierung wird tatsächlich Energie gespart, illustriert er die Lage. Kaum anders sehe es aus, wenn man die Energieflüsse im Gebäude betrachte, wo Smarthome-Systeme ebenfalls schon längst als zentrale Intelligenz eingesetzt sind. So bot das Energiemanagement für die Photovoltaikanlage in der Vergangenheit oft einen Einstiegspunkt für weitere Smarthome-Funktionen. 

Dazu müsse man aber verstehen, dass das «Smart» in Smarthome nicht vom Smart-Phone und der für beide typischen Fähigkeit der Bedienung per App komme, sondern von der Intelligenz durch die Vernetzung. «Erst durch die übergreifende Kommunikation und den Austausch von Informationen entstehen intelligente Anwendungen. Somit macht es Sinn, dass so viele Informationen wie möglich zu einem Gesamtsystem zusammengeführt werden», so Lehner. Wichtig dafür sei ein offenes Gebäudeautomations-System, das die Möglichkeit der Ausbau- und Erweiterbarkeit mitbringt. So seien hier aktuell nicht unbedingt neue Themen erkennbar, «aber Bestrebungen zur Standardisierung der Schnittstellen, was beispielweise auch die Hersteller von Autoladestationen zu berücksichtigen haben».

So lasse sich konkret über die Gebäudeautomation ein Energiemanagement aufbauen, welches die PV-Produktion auf die energieintensivsten Verbraucher wie die Wärme- und Warmwassererzeugung oder die Ladung des E- Fahrzeuges verteilt, illustriert Lehner die Entwicklung. «Vermehrt werden auch Elektrospeicher ins Energiemanagement eingebunden. Darauf aufbauend können weitere Funktionen wie die Raumklimaregulierung dazu kommen, welche ebenfalls zur Verbesserung der Energiebilanz beitragen.» Im Vordergrund stehe bei diesen Installationen meistens die Eigenverbrauchsoptimierung oder das Lastmanagement, um den Netzanschluss nicht zu überlasten, führt der CKW-Mann aus.

 

Stolperstein Schnittstellen

Auch Fabian Honegger von der Geschäftsleitung des auf KNX-Technologie fokussierten Smart-Home-Integrators Renomation unterstreicht, dass im letzten Jahr vermehrt das Energie-Management mit Solar, Batterie und Elektromobilität nachgefragt wurde. Insgesamt solle man das Thema Energieeffizienz aber nicht überschätzen. Das sei bei «einzelnen Produkten ein Marketingargument» und im Licht- und Haushaltsbereich werde viel für Energieeffizienz getan. Nur sind «die grossen Verbraucher jedoch im HLK-Bereich (Heizung, Lüftung, Klimatechnik) und dort fehlen vielfach einheitliche Schnittstellen», so Honegger weiter. Bemerkenswert sei aber, dass «vermehrt die Smarthome-Produktplanung und -Schnittstellenplanung von HLK-Herstellern wie Heizungsherstellern» adressiert wird, was genauso für Wassermanagement-Lösungen gelte. Zudem würden zwar sehr viele Solaranalagen in Neubauten installiert, allerdings meist noch losgelöst vom Smarthome, konstatiert Honegger. Neu seien in Sachen Energieeffizienz auch ein paar Insellösungen im Bereich Smart-Metering und E-Ladestationen hinzugekommen und «gewisse Energieversorger versuchen durch Smart-Metering-Angebote und Zukauf von Startups auch in den Smarthome-Bereich vorzustossen. - Bisher aber nur Pilotprojekte, die meist wieder verschwinden.»

Generell, so der Renomation-Chef weiter, entwickeln sich Smarthome-Lösungen immer mehr zu Gesamtlösungen. «Mit einheitlichen Kommunikationsstandards wie KNX ist es möglich, die verschiedenen Gewerke aufeinander abzustimmen. Erst dann können die wirklich smarten Funktionen den Alltag erleichtern und Energie effizient gesteuert werden», so Honegger. Das müsse das Ziel sein, fügt er an, allerdings sei das Problem heute noch, «dass viele Hersteller auf proprietäre Insel-Lösungen mit eigenen Apps setzen, was keine übergreifende Intelligenz erlaubt». Glaubt man Honegger, wird sich in Hinblick auf Energiemanagement-Funktionen im Smarthome in Zukunft aber noch einiges tun. Konkret verweist er auf sehr viele Produkte vom Wechselrichter über Batterielösungen oder Wärmepumpen bis hin zu Ladestationen, die noch über keine standardisierten Schnittstellen verfügen: «Das Thema ist bei den Herstellern eben erst angekommen, da wird wohl noch einiges passieren». Bedeutsamer als bisher werden Energiemanagement-Funktionen im Smarthome ausserdem bei der Steuerung des Energiebedarfs, zumal der zeitlich nicht beliebig flexibel ist, erklärt Honegger: «Ich möchte die Wäsche waschen, wenn Wäsche drin ist, nicht wenn die Sonne scheint. Das Auto wird meist in der Nacht zu Hause aufgeladen, nicht wenn der Solarstrom verfügbar wäre. Die Heizung lässt sich komfortbedingt während des Tages nicht beliebig hochschrauben (zu heiss), um in der Nacht wieder runterzufahren.»

 

Das Smarthome von morgen

Honeggers Einschätzungen der Smarthome-Zukunft teilt man auch in der HSLU-Forschungsgruppe Smart Energy Management. Laut Rumsch gelangt «durch die zunehmende Verwendung neuer erneuerbarer Energien (Sonne und Wind) die Frage des richtigen Zeitpunkts des Stromverbrauchs in den Vordergrund» und werde zum Beispiel die Eigenverbrauchsoptimierung von PV-Anlagen wichtig. Smarthome-Technologie könne hier unterstützen. Nicht anders sehe es bei der zunehmenden Elektrifizierung der Mobilität aus: «Elektroautos verfügen über recht grosse Stromspeicher. Diese könnten durch Smarthome-Technologie auch für die Energieversorgung im Gebäude genutzt werden, zum Beispiel indem überschüssige Energie von der PV-Anlage in der Autobatterie gespeichert wird, nachts dann von der Autobatterie ins Gebäude gespiesen wird.» Bidirektionale Ladestationen machen das möglich. Schliesslich verweist der Forscher noch auf eine «Smarthome-Anwendung zur Stabilisierung des Energienetzes, wenn die Akkus der Elektroautos als Flexibilität zur Verfügung stehen». Die Forschung arbeite hier an Systemen und an Algorithmen, wie Akkus der Elektroautos ins Energiesystem eingebunden werden können, so Professor Rumsch. Das Fazit vom Praktiker Honegger: Da in Sachen Energieeffizienz im Smarthome noch viel passiert, sollte man schon heute «möglichst flexibel in die Zukunft planen, angefangen bei den Leerrohren und der zentralen Verkabelung».