Beim Eintritt ins Millennium bestimmten auch in der fortschrittlichen Schweiz vor allem das Telefon und der Austausch von Papier das Bild in den Büros – je nach Ort, Branche/Amt und Budget bis heute. Elek-tronische Kommunikation über das Internet Protocol (IP) schien etwas für Insider und Forscher zu sein. Unter dem Motto «All IP» (alles über IP) mussten auch hierzulande alle Telcos ihre Netze und Dienste auf IP umstellen (siehe Autorberichte in ET 1/16 und 4/17).
Wie bei praktisch allen Telecom-Unternehmen weltweit wurden per Ende 2018/Anfang 2019 alle alten analogen Telefonnetze sowie das mit viel Aufwand aufgebaute Integrated Services Digital Network (ISDN) abgeschaltet. Einerseits existierten die alten Lieferfirmen nicht mehr oder waren in anderen Konzernen aufgegangen. Andererseits gab es vielerorts keine Ersatzteile für die alte Technik mehr, was wegen des Desinteresses oder der Nichtexistenz der Lieferfirmen nicht verwundert.
Harzige Umstellung
Das Ende der konventionellen Telefonie wurde bereits Jahre im Voraus angekündigt. Bei den allermeisten Privatkunden scheint dies auch gelungen zu sein. Bei Geschäftskunden und Ämtern hingegen verlief die Umstellung eher harzig. Der Grund lag in der unterschiedlichen Struktur und der unterschiedlichen Betreuung der Kunden. Während nämlich Grosskunden und Ämter von den Anbietern direkt betreut werden, zeichnen für KMUs konzessionierte Drittfirmen verantwortlich. Zwar wurden alle Kunden, egal ob Privat-, Grosskunde oder KMU, rechtzeitig von den Telcos benachrichtigt.
Aber offensichtlich nahmen nicht alle Kunden die Anbieter-Infos ernst, sodass es nach dem Jahreswechsel 2018/19 vor allem bei KMUs zu zahlreichen Ad-hoc-Umstellungen der Telefonanlagen auf IP kam. Für die betroffenen Firmen war dies teuer und höchst unangenehm, konnten sie von heute auf morgen doch weder telefonieren noch faxen. So wird beispielsweise im medizinischen Bereich teilweise auch heute noch mit dem Telefax gearbeitet, weil er als relativ manipulationssicher gilt und als rechtsgültig angesehen wird.
Bis Ende 2019 wollte Swisscom alle Geschäftskunden auf All IP umstellen, was bei ¾ auch gelang. Nach deren Angaben erfolgte die Umstellung Region für Region in vier Phasen: «Inventar erstellen, Projektorganisation aufstellen, Lösungsdesign für die Zukunft entwickeln, auf IP migrieren.» Aber etwa ¼ der Kunden waren dafür einfach noch nicht bereit, denn das analoge Denken mit festen Verbindungen zwischen Sender und Empfänger bestimmte jahrzehntelang den Alltag. Zudem erschien es früher selbst Insidern als zweifelhaft, alle Kommunikationsströme in IP-Datenpakete einzupacken und auf die Reise zu schicken.
VoIP – etwas für Exoten
Aus diesen Gründen haftet IP bis heute ein etwas zweifelhafter Ruf an, was vor allem am öffentlichen Internet liegt und weniger an professionell gemanagten IP-Netzen. Anfang der 90er-Jahre kam man auf die Idee, über IP zu telefonieren. Lange galt Voice over IP (VoIP) als etwas für Entwicklungsländer, Sparvögel und IT-Insider. Generell galt IP als etwas aus den 1970er-Jahren und dazu aus Forscherkreisen, geeignet für robuste Datenkommunikation mit kurzen Meldungen, aber eher nicht für Business-Kommunikation. «Unzuverlässig und unsicher» lautete das Credo.
Dank der Entwicklungsarbeit einer grossen Schar von Ingenieuren und Informatikern wurde das verruchte IP massentauglich. So gab es bereits Ende der 1990er-Jahre VoIP-Lösungen für Grossfirmen und KMUs, die allerdings noch sehr hardwareorientiert ausfielen und entsprechend kostspielig waren. Selbst im öffentlichen Netzbereich war spätestens 2010 klar, dass es keine Alternative zu IP gibt – ein Protokoll für alles, egal für welche Anwendung, ob Sprache, Daten, Video oder Telemetrie.
IP kopierte also die Grundidee von ISDN erfolgreich, dies bei tieferen Kosten, höherer Flexibilität und mehr Effizienz, denn ISDN war zwar zuverlässig, aber langsam und komplex, da eine Unzahl von Protokollen, passend für die jeweilige Anwendung, entwickelt wurde. Und es war auf langsame Leitungen ausgelegt. Ebenso wie für die noch älteren analogen Telefonnetze musste also etwas Neues kommen, das auf die Neuzeit passte.
Wandel der Sprachkommunikation bei Geschäftskunden
Bei der Kommunikation zwischen Computern ist IP ein längst etablierter Standard. Das war längst nicht immer so. Neben analogen Wahlverbindungen mit Modem stand dafür etwa 15 lange Jahre lang nur das X.25-Protokoll zur Verfügung. Anfang der 90er-Jahre wurde es von der damaligen Telecom PTT als «Telepac» vermarktet und war durchaus erfolgreich.
Es funktionierte erstmals paketorientiert und galt dank seiner Verbindungsorientierung auch als sicher, war im Grunde aber teuer und langsam. Dessen Übertragungsgeschwindigkeit von 9,6 bzw. 14,4 Kbit/s erscheint aus heutiger Sicht geradezu quälend langsam und reicht höchstens zur Übermittlung kurzer Statusmeldungen. So diene es bis in die Neuzeit z. B. an Bancomaten als sicherer Kanal für Kurzabfragen.
VoIP als eine Anwendung unter vielen
Für die Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wechselten einige Grossfirmen bereits um die Jahrtausendwende ihre gesamte Geschäftskommunikation auf IP und verschrotteten ihre alten Telefonanlagen, denn sie waren weder besonders günstig noch zuverlässig und bedurften regelmässiger Wartung und Erneuerung, was wegen der hohen Hardwarekosten und sich anschliessender Wartungsverträge traditionelle Lieferanten besonders freute. Bei den KMUs dauerte dies bedeutend länger, verfügten sie doch teils über deutlich weniger Mittel zum Wechsel. Oft bestand auch keine Notwendigkeit dazu.
In der IP-Welt hingegen wurde VoIP quasi zu einer Anwendung neben vielen anderen. In Grossunternehmen dominierten Voice-Server neben E-Mail- und anderen Servern, wofür günstige Standard-Hardware zum Einsatz kam. Bestenfalls in deren Niederlassungen, vor allem aber bei KMUs stand und steht oftmals bis heute herstellerspezifische Hardware, die via IP-Verbindungen auf- und abbaut, ähnlich, wie es früher Telefonanlagen auf Analognetzen oder ISDN taten. Solche proprietäre Anlagen genierten bei deren Erstinstallation attraktive Umsätze, da man den Kunden neben der IP-fähigen Telefonanlage doch weiterhin teure Systemapparate verkaufen konnte.
Telefonieren, surfen und sonst nichts
Gleichwohl mussten sich die einstigen Anbieter mit klangvollen Namen nach neuen Geschäftsfeldern umsehen oder verschwanden wegen wegbrechender Margen vom Markt. Aastra wurde zu Mitel, Nortel zu Avaya und Siemens zu Unify. Mit Aastra verlor die Schweiz den letzten landeseigenen Entwickler und Anbieter voll IP-fähiger Telefonanlagen, die bis heute in Hotels und KMUs zuverlässig und unauffällig ihren Dienst verrichten.
Reine Voice-Lösungen sind heute mehrheitlich passé, weil sie weniger Leistungsmerkmale und kaum Möglichkeiten zur Systemintegration bieten. Zwar gab und gibt es Apparate für Videotelefonie. Aber Videokonferenztools wie Skype, Teams, Zoom, Webex oder Chime sind funktional weit überlegen und verwenden das ohnehin vorhandene Notebook. Professionelle Tools bieten zudem komfortable Möglichkeiten zum File- oder Screensharing. In komplexen Projekten ist dies essenziell und entscheidend für den Projektfortschritt.
So war es eine Frage der Zeit, bis die totale Abkehr von proprietärer und entsprechend teurer Hardware erfolgte und Voice zu einer App auf Standardservern wurde. Allerdings waren viele KMUs immer noch aufs Telefon fokussiert und investierten weiter in Telefon-Hardware, nicht zuletzt wegen der Umstellung auf All IP. Sie wollten gar nicht mehr als telefonieren und einen Internetzugang für ihre PCs.
Lokales Netz als Bremsfaktor
Leider erfolgte die Umstellung auf IP-Telefonie trotz frühzeitiger Ankündigung der Netzbetreiber bisweilen etwas arg kurzfristig. So wurden die Analyse und Erneuerung der lokalen Netzwerkinfrastruktur wie LANs und WLANs in KMUs oft vernachlässigt. Das Transportmedium ist jedoch essenziell, um den Sprachverkehr in Pakete einzupacken und neben dem Datenverkehr schneller übers Netz zu bringen.
Um Telefongespräche in guter Qualität via IP abzuwickeln, wurde bereits 1996 das Session Initiation Protocol (SIP) entwickelt und Anfang 2000 als internationaler Standard verabschiedet. SIP initiiert interaktive und multimediale User-Sessions über IP-Netze, indem es Sprach- und Datensignale steuert. Erst dank SIP wurde IP zum Universaltransportmedium für Sprache, Video, TV und Daten. Eine zentrale Rolle kommt dabei den «SIP-Trunks» zu.
Ein Trunk ist eine Leitung oder eine Verbindung, die mehrere Signale gleichzeitig transportieren kann, indem sie Kommunikationssysteme miteinander verbindet. Beide Begriffe verschmelzen im SIP-Trunk, der eine IP-fähige Telefonanlage an das Provider Gateway anbindet. Er ersetzte die früheren Telefonleitungen (analog/ISDN) und wickelt alle Anrufe über das IP-Netz des Providers und nicht mehr über das öffentliche Telefonnetz ab.
Neue Marktplayer …
Das Unternehmen kann wie bisher weiterhin weltweit mit Festnetz- und Mobilfunkteilnehmern kommunizieren. Einer der wichtigsten Vorteile von SIP-Trunks ist deren Fähigkeit, Daten, Sprache und Video in einer einzelnen Leitung miteinander zu kombinieren, ohne wie früher separate physische Medien zu nutzen. Das Ergebnis ist eine Reduktion der Gesamtkosten und eine verbesserte Zuverlässigkeit für Multimediadienste über IP.
Im Gegensatz zu vielen Traditionsanbietern hat Microsoft den Ansatz von Voice und Video als einer Anwendung unter vielen seit mehr als zehn Jahren verinnerlicht und pflegt ihn weiter, seit einigen Jahren auch aus der Cloud. Warum teure SW-Lizenzen kaufen, wenn man alles aus einer Hand von einem Anbieter haben kann? Dieser Ansatz degradiert viele Telecom Operators (Telcos) zu reinen Connectivity-Anbietern und bedroht deren Geschäftsmodell, denn immer schnellere Verbindungen möglichst überall bereitzustellen, kostet viel Geld und verspricht keine grossen Margen.
… und neue Arbeitsformen dank UCC
Um die Jahrtausendwende waren breitbandige Verbindungen exklusiv und teuer. So stellten insbesondere Banken, Versicherungen und Online-Handelsfirmen ihre Infrastrukturen auf IP-basierte Architekturen um, um Connectivity-Kosten zu sparen. Voice- und Video-Lösungen wurden in bestehende IP-basierte Server-Infrastrukturen integriert. Dies eröffnete neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Grossfirmen und KMUs, aber auch Organisationen haben sich daher dem Thema Collaboration verschrieben. Denn UCC unterstützt die Funktionen moderner Kommunikationslösungen und ergänzt die internen Arbeitsabläufe in idealer Weise. UCC integriert verschiedene Office-Programme und Endgeräte. Telefon- und Videokonferenzen lassen sich unabhängig von Standort und Endgerät durchführen. Auch flexible Arbeitsformen wie Shared Desk, Mobile Office und Home Office werden problemlos möglich, was die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die Attraktivität der Arbeitgeber erhöht.
Gerade in den letzten 18 Monaten wurde der volle Nutzen von UCC überdeutlich und hat dem Thema Flügel verliehen. Statt teurer, zeitraubender und umweltschädlicher Reisen tauschen sich Mitarbeitende über Hunderte bzw. Tausende von Kilometern hinweg schriftlich, mündlich oder per Livevideo aus. Eine durchgängige IP-Kommunikationsplattform erleichtert somit die kostengünstige und effektive Zusammenarbeit innerhalb einer Organisation wie auch mit externen Partnern.