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Wie man vom Immobilienmarkt profitieren kann

Die Schweizer Bau- und Immobilienmärkte stehen an einem Scheideweg. Was darf vom Jahr 2023 erwartet werden und wo liegen die grössten Chancen und Risiken für die Bau- und Immobilienwirtschaft? Dabei spielen Arbeitsmärkte, Bevölkerungsentwicklung, Fachkräftemangel und der Energie- und Erneuerungsboom eine wichtige Rolle.

Nach fast zwei Jahrzehnten des Preiswachstums und sinkender Zinsen ist im Frühling 2022 eine neue Phase an den Zins- und Kapitalmärkten eingetreten. Die Phase der Negativzinsen ist zu Ende gegangen und angesichts der hartnäckigen Inflation sind weitere Zinsanstiege zu erwarten. Die Frage aber ist nicht ob, sondern wie hoch diese ausfallen werden. .

Turbulente Zeit

Die Kapitalmärkte haben turbulente Monate hinter sich. Dazu erklärt Patrick Schnorf,  Partner und Leiter Research bei Wüest Partner: «Wertkorrekturen haben bislang hauptsächlich bei indirekten, börsenkotierten Anlagen stattgefunden. Immobilienfonds verloren praktisch im Gleichschritt mit dem Schweizer Aktienmarkt an Wert. Der Total-Performance-Index WUPIX-F für Immobilienfonds, welcher wie der SPI-Aktienindex Wertsteigerungen und Dividendenausschüttungen berücksichtigt, hat im Jahr 2022 um rund 17 Prozent eingebüsst. Gleichzeitig stehen direkt gehaltene Immobilienanlagen scheinbar als Fels in der Brandung des Kapitalmarktes.» Und weiter hält Schnorf fest, dass die mittleren Preise nur leicht unter den Vorjahreswerten liegen würden und die Gesamtperformance gar leicht positiv ausfallen würde – dies dank stabiler Miet-einnahmen. Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen hätten im vergangenen Jahr sogar nochmals um rund 5 Prozent an Wert gewonnen, wie er weiter ausführt.

Arbeitsmärkte und Bevölkerungsentwicklung

Wie aber ist dies zu erklären? Zunächst ist ein Blick auf die Arbeitsmärkte und Bevölkerungsentwicklung wichtig. Denn die Schweiz hat gerade einen veritablen Wachstumsschub erlebt. Am Arbeitsmarkt hat die Zahl der offenen Stellen einen Rekordwert erreicht und die Zuwanderung liegt über einem Drittel über dem Vorjahreswert. Damit einhergehend ist die Flächen- und Wohnungsnachfrage stark gestiegen. Anders als die Kapitalmärkte präsentiert sich die Realwirtschaft robust. Mit Blick auf die historische Entwicklung der Immobilienpreise lässt sich festhalten, dass Preiseinbrüche am Immobilienmarkt in der Vergangenheit typischerweise einhergingen mit Bevölkerungsrückgängen – zuletzt in den Neunzigerjahren und davor in den Siebzigerjahren. Heute ist die Ausgangslage komplett anders und die Schweiz präsentiert sich als diversifizierter, offener und attraktiver Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich. Natürlich kann sich die Schweiz den Inflations- und Zinswirkungen sowie dem internationalen Konjunkturrückgang nicht entziehen. So ist hierzulande für 2023 ein reales (teuerungsbereinigtes) Wirtschaftswachstum von rund +0,7 Prozent zu erwarten. Damit einhergehend dürfte das Beschäftigungswachstum abflachen, ebenso das Haushaltswachstum. Beide Grössen werden aber aller Voraussicht nach über den Wachstumsraten der Gesamtwirtschaft bleiben. Somit wird auch der hohe Flächen- und Wohnungsbedarf anhalten – ein positives Zeichen für die Bau- und Immobilienmärkte.

Aussichten

Die Schweizer Bauwirtschaft blickt auf ein schwungvolles, aber anspruchsvolles Jahr zurück: Der Fachkräftemangel, Lieferverzögerungen und die Baupreisteuerung haben die Baubranche stark gefordert. Auch dieses Jahr ist von weiter steigenden Baupreisen auszugehen. Das Wachstum dürfte mit gut 4 Prozent allerdings nur noch halb so hoch ausfallen wie letztes Jahr. Im Schweizer Hochbau ist im laufenden Jahr für den Neubau ein leichtes Plus von 2,7 Prozent (nominal) zu erwarten. Durch die ansteigenden Baupreise ist in realer Betrachtung, d. h. zu Preisen des Vorjahres, jedoch ein tieferer Output zu erwarten. Gemessen in Quadratmetern gebauter Fläche oder Anzahl Wohnungen nimmt die Produktion damit ab. Dieses Jahr dürften noch rund 43 000 Wohnungen neu erstellt werden, was deutlich unter den Werten der Vorjahre liegt und vor allem deutlich unter dem gegenwärtig hohen Wohnungsbedarf. Bis 2019 sind jährlich über 50 000 Einheiten pro Jahr neu entstanden. Ganz anders präsentiert sich die Ausgangslage im laufenden Jahr im Umbau und Erneuerungsbau. Dort ist im Gesamtmarkt ein starkes Plus von 8,3 Prozent (nominal) zu erwarten, bei den Mehrfamilienhäusern gar über 10 Prozent. Als grosser Treiber wirken hier die aktuellen Energiethemen.

Rückläufiger Wohnungsneubau

Der rückläufige Wohnungsneubau kommt sozusagen zur Unzeit. Denn der Wohnungsbedarf ist derzeit überdurchschnittlich hoch. Die Gründe für die mangelnde Wohnungsproduktion liegen auf der Hand: zunehmend schwierige Realisierung von Neubauten durch die Herausforderungen des Bauens im Bestand, vorsichtiger agierende Investoren und steigende Finanzierungskosten. Im Mietwohnungsmarkt ist das Wohnungsangebot in der Gesamtschweiz innert drei Jahren um rund 40 Prozent zurückgegangen. Alleine in den letzten zwölf Monaten hat es sich um 22 Prozent verringert. Kurz, die Marktanspannung ist stark gestiegen und hat zu markanten Mietanstiegen geführt. Im Mittel der Schweiz stiegen die Marktmieten um 1,6 Prozent, im Grossraum Zürich sogar um 3,0 Prozent innert Jahresfrist. Auch dieses Jahr ist mit anhaltenden und überdurchschnittlichen Mietanstiegen zu rechnen. Darüber hinaus werden sich auch erstmals seit vielen Jahren die Bestandsmieten im Zuge des aller Voraussicht nach ansteigenden Referenzzinssatzes wieder erhöhen. Für die Mieterinnen und Mieter setzen sich die anspruchsvollen Zeiten also auch dieses Jahr fort. Für die Investoren lässt sich zumindest ein Teil der Inflation über steigende Mieten abfangen. Denn anders als in anderen Ländern lassen sich Mietanstiege im aktuellen Inflationsumfeld hierzulande auch realisieren. Dies ist mit Sicherheit einer der Gründe für die Beliebtheit von Schweizer Immobiliendirektan-lagen.

Im Wohneigentum dürfte die Boomphase inzwischen zu Ende gegangen sein. Nachdem die Preise aufgrund der grossen Knappheit an Objekten noch bis ins 3. Quartal 2022 kräftig gestiegen sind, haben sie sich im Mittel der Schweiz im letzten Vierteljahr stabilisiert. Trotz leicht steigendem Angebot übersteigt die Nachfrage im laufenden Jahr das Angebot deutlich. Insofern erscheinen grössere Preisrückgänge wenig wahrscheinlich und eine Phase der Preisstabilität ist für 2023 zu erwarten.

Energie- und Erneuerungsbauboom

Sowohl auf den Bau- wie auch auf den Schweizer Immobilienmärkten ist im laufenden Jahr insgesamt von stabilen Verhältnissen auszugehen, trotz Unsicherheiten an der Zinsfront. Die Kapitalmärkte sind zumindest für die Anpassungszeit, die es erfahrungsgemäss auf den Immobilienmärkten gibt, auf der Risikoseite einzuordnen. Die Realwirtschaft hingegen ist eher auf der Chancenseite zu verorten, ebenso wie der gegenwärtige Energie- und Erneuerungsbauboom.

Der grosse ungedeckte Wohnungsbedarf führt hingegen zu einigen Risiken durch die laufend noch stattfindende Verdrängung der Wohnungsnachfrage in die Agglomerationen und damit zur steigenden Infrastrukturbelastung. Gleichzeitig wird der Ruf nach Marktregulierungen in den Städten immer grösser. Preisgünstiges Wohnen ist das Gebot der Stunde – stellt die Investoren jedoch vor grosse Herausforderungen. Denn die Regulierungsdichte, Ansprüche und Einsprachen nehmen laufend zu. Gleichzeitig sinken die Möglichkeiten zur Realisierung grösserer Bauvorhaben am freien Markt, welche preisgünstige Anteile möglich machen würden. Oder auch eine Vorfertigung attraktiv erscheinen lassen, welche zweifelsohne grosse Chancen im Bau eröffnen würde. Nicht nur existieren immer weniger grössere entwickelbare Baufelder und Areale, sondern auch die Verfahren werden immer anspruchsvoller und risikoreicher. Der Anspruch an die Investoren und Planer steigt laufend.

Digitalisierung als Chance

Kann die Digitalisierung da helfen? Zweifelsohne lassen sich mit digitalisierten Prozessen, guter Datenlage und besseren Visualisierungsmöglichkeiten Risiken reduzieren und Kosten senken. Im besten Fall resultieren höhere Zufriedenheiten und höhere Nettoerträge. Doch leider sind dafür in der Regel Vorinvestitionen nötig, welche sich erst in Zukunft rentabilisieren lassen. Und genau solche Vorleistungen sind in Zeiten steigender Kapitalkosten besonders risikoreich und anspruchsvoll.

Ebenfalls anspruchsvoll ist der Umbau der Bau- und Immobilienbranche auf dem Weg zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz. Die gute Nachricht: Nachhaltigkeit ist inzwischen mitten in der Branche angekommen und vom «Nice-to-have» zum «Must-have» geworden. Die Gesellschaft ist bereit, diesbezüglich zu investieren, und viele Unternehmen stellen sich gerade grundsätzlich neu auf. Kurzfristig verhält es sich mit Energie- und Nachhaltigkeitsinvestitionen jedoch gleich wie mit der Digitalisierung: Sie kosten unmittelbar Geld und bringen einen Nutzen oftmals erst in der Zukunft. Doch die Systemrisiken werden mit dem Klimawandel immer sichtbarer. Damit steigt der Druck und neue Regulierungen sind absehbar. Es ergeben sich dadurch Chancen genau für jene Unternehmen, welche heute in die Themen der Zukunft investieren. Je nach Blickwinkel werden anstehende Risiken somit zu grossen Chancen für die Tüchtigen und Mutigen. Oder frei nach Will Rogers (mutiger und tüchtiger amerikanischer Schriftsteller und Entertainer, 1879 – 1935): Die Chance klopft öfter an, als man meint, aber meistens ist niemand zu Hause.