Actualité du marché

Prof. Dr. Rüdiger Külpmann: «Bei der UV-C-Bestrahlung bleiben kaum Vorteile übrig.»

Abb.1: Spezifischer Mehrbedarf an Jahresenergie bei Raumluftfeuchten von 40% bis 60% r. F. statt 30% bis 65% r. F. (Klimadaten Luzern).

Abb.2: Beispiele für die Energieeffizienz von mobilen Luftreinigungsgeräten: spezif. Gerätenergiebedarf, als SPI-Wert (SIA 382/1:2014 bzw. SN EN 13142:2013).

Abb.3: Beispiele für A-bewertete Schalldruckpegel von mobilen Luftreinigungsgeräten.

Interview mit Prof. Dr. Rüdiger Külpmann, Professor Emeritus HSLU

«Lüftungslösungen stets zusammen mit dem energetischen Aufwand betrachten»

Die momentanen Umstände im Zusammenhang mit der Pandemie haben einiges verändert beim Bewusstsein bezüglich der Thematik Lufthygiene in Innenräumen. Und die kalte Jahreszeit könnte neue Herausforderungen mit sich bringen. Prof. Dr. Rüdiger Külpmann, Professor Emeritus HSLU, erklärt im Interview auf welche Zusammenhänge im Detail bei der Raumluftqualität zu achten ist und welche hilfreichen Lösungen anzustreben sind.

Rüdiger Külpmann, bis vor kurzem war man sich ausserhalb von Fachkreisen gar nicht bewusst, wie wichtig das Thema Lufthygiene in Innenräumen ist. Leider hat erst die jetzige Situation dazu geführt, dass das ernster genommen wird. Was sind Ihre Gefühle dabei?

Sie sind zwiespältig. Einerseits bin ich froh, dass Luft in seiner Bedeutung endlich allgemein erkannt wird, andererseits hätte ich mir eine weniger dringliche Form der Verdeutlichung und damit weniger hektischen Veränderungsbedarf gewünscht. Die Fachbranche weiss seit je her, dass «Luft ein Lebensmittel» ist – das musste Medizinern, Virologen, Biologen und der Allgemeinheit erst deutlich gemacht werden.

Zwar fand z. B. die mehrjährige Initiative des Schweizerischen Vereins Luft- und Wasserhygiene (SVLW) «Meine Raumluft», mit ihrem Fokus auf die schlechte Luftqualität in Schulräumen, einige Zustimmung, und vom Bund wurde wieder eine Studie dazu gemacht, aber grössere praktische Konsequenzen blieben aus. Spätestens im Mai 2020 hatte sich das Blatt total gewendet. Namhafte Virologen und Hygienevereinigungen erkannten aus den ersten Studien über die möglichen Ansteckungswege Aerosole als Hauptüberträger von Corona-Viren auf Menschen. Möglichst kurze Aufenthaltszeiten, grosse Abstände zwischen Menschen und rasche Luftverdünnung wurden als Massnahmen zur Infektionsvermeidung proklamiert.

Die Lüftungsbranche hat im letzten Jahr bereits vor den internationalen und nationalen Gesundheitsbehörden reagiert und sinnvolle Empfehlungen zur Risikoverminderung der Aerosolübertragung durch mehr Frischluftzufuhr und Vermeidung von Zirkulation abgegeben. Wie haben Sie diese turbulente Zeit erlebt?

Die Raumlufttechnik-Branche erkannte rasch ihre Herausforderungen und Chancen. Die Hersteller von Luftreinigern in Asien hatten ihre Erfahrungen aus früheren Pandemien schon genutzt, um mobile Geräte zu entwickeln. Sie konnten die Geräte nun auch in Europa und den USA vermarkten. Obwohl namhafte Virologen und Fachverbände schon früh lüftungstechnische Massnahmen als nötig beschrieben, trat ihre Betonungshäufigkeit und Erklärung im Vergleich zur Berichterstattung über weltweite Fallzahlen und Impfstoffentwicklungen zurück.

Allerdings: Die Flut der Informationen und wieder deren Infragestellung - oftmals bei kleinen Punkten, aber nicht beim Generellen - war gross und führt immer noch zu grossen Verunsicherungen und dem Effekt, dass eben lange nichts gemacht wurde. Und nun kommt der dritte Winter mit dem Virus und immer noch wissen viele Leute nicht, wie angemessenes Lüften in ihren Fällen gemacht werden sollte. … Dieses Nichthandeln durch Verunsicherung ist sehr ausgeprägt. Und diese Verunsicherung hat die Pandemie massiv verlängert und verstärkt, glaube ich. Ich trage mich mit dem Gedanken, einen Aufruf zu machen, dass man Fachleute zu Lüftungspaten machen kann, die von verunsicherten Betreibern und Menschen angesprochen werden können, wie ihre Räume gelüftet werden können.

Mehr Methodenwissen ist gefragt und nicht nur Produktewissen – mit dem Ziel, Unwissen zu bekämpfen und Entscheidungswillen zu verbessern. Es geht vor allem darum, dem Nutzer Sicherheit und ein gutes Gefühl zu geben.

Die Art wie wir bauen und wie wir unsere Häuser klimatisieren und belüften, hat massgeblichen Einfluss auf solche Epidemien. Was ist daraus zu lernen für die Branche?

Ich meine, wir lüften genug mit einer Grundlüftung, um CO2, Gerüche und Wasserdampf aus den Räumen zu bringen. Gegen Bioorganismen kann man die Lüftung weiter erhöhen, also diese verdünnen. Aus energetischer Sicht ist das aber verheerend, denn die Klimaerwärmung ist ja unser ebenfalls schon ähnlich dringendes Problem. Bioorganismen und Feinstaub sollten mit anderen Methoden, als durch mehr lüften in Räumen reduziert werden. Das sollte sich die Branche bewusst machen.

Ausser Luft gut reinigen zu können und sie im Raum wirksam zu verteilen, sind weitere und gleichrangig wichtige Anforderungen zu nennen: energetisch optimierte Lösungen, geringe Schallleistung und wenn schon sichtbare Lösungen, dann mit ansprechendem Design. Diese Aspekte sind nicht neu, sie werden allerdings in ihrer Bedeutung noch weiter steigen.

Sie fordern «Wissens-Klasse». Was bedeutet das im Detail?

Eben nicht einfach: viel hilft viel, oder mehr desselben. Sondern die Ursachen und Eigenschaften von Luftbelastungen genauer studieren und dann gezielter angehen. Ich bin der Meinung, dass das Thema der elektrischen Ladung und Polarität von Partikeln und Oberflächen auch dringend von der Lüftungsbranche entdeckt und bearbeitet werden sollte. In der Heizungstechnik (Erdung) und Sanitärtechnik (Entkeimung, Erdung) ist das schon Stand der Technik. Mit der Aufladung bzw. Entladung von Partikeln und Oberflächen über den Luftweg können enorme Reinigungswirkungen der Raumluft erreicht werden, die mit mechanischer Lüftung nur unter zu hohem Energieeinsatz möglich sind. Klar, da sind noch viele Fragen offen, die muss man beforschen. Aber es gibt auch schon viele gute Anwendungstechniken, die seit Jahren sehr gut funktionieren und damit eine weitere physikalische Methode der Luftbehandlung schön aufzeigen. Bessere Luft ohne Ozon ist das Ziel, das heisst, die elektrische Leitfähigkeit der Luft durch Anhebung des Luftionengehalts zu erhöhen, ohne dabei Ozon zu generieren.

Dem Thema Luftfeuchtigkeit wird gerade im Zusammenhang mit den Viren von verschiedenen Seiten viel Aufmerksamkeit beigemessen, obwohl es da zum Teil widersprüchliche Theorien gibt. Was ist Ihre Meinung in dieser Hinsicht?

Wir wissen alle, dass Luftbe- und Entfeuchtung nur mit riesigem Energiebedarf geht. Bevor man also neue Luftfeuchtegrenzen mit energieintensiver Auswirkung fordert, muss man erst deren Relevanz in Sachen Viruslastminderung und Behaglichkeitssteigerung umfassend untersucht haben und die Fachwelt sollte sich dessen sicher sein – dieses Fachwissen ist bisher nicht überzeugend vorhanden. Das bedeutet, die Forderung, die Raumluftfeuchte von bisher 30% auf 40% r. F. und von rund 65% auf 60% r. F. zu bringen, um den Infektionsschutz zu erhöhen, ist fragwürdig. Denn die energetischen Auswirkungen sind gross und es wird natürlich mehr Anlagenbedarf - Umsatz – verursacht [vgl. Abb.1]. Eben weil bisher nicht belegt ist, dass das infektiologisch relevant ist, ist es äusserst problematisch, wenn hier der energetische Aspekt ausser Acht gelassen wird - und das von einer Branche, die sich auf energetisch optimierte Lösungen eingeschworen hat.

Sie warnen hier explizit davor, energetische Aspekte ausser Acht zu lassen. Was schlagen Sie in diesem Zusammenhang vor?

Ich schlage generell vor, Lüftungslösungen nur noch im Zusammenhang mit ihrem energetischen Aufwand zu betrachten. Denn das ist unser nötiger Beitrag, zur Bekämpfung der Klimaerwärmung. Das sollten wir immer im Auge behalten.

Inwieweit sind mobile Lösungen zur Lufterneuerung bzw. -reinigung hilfreich?

Am Beispiel von mobilen Luftreinigungsgeräten, die in den letzten Monaten auf den Markt gekommen sind, haben wir eine kleine Analyse gemacht. Es ist eine Auflistung von gut 50 mobilen Geräten für Luftvolumenströme von knapp 120 m3/h bis gut 2000 m3/h [vgl.Abb.2] Sie verfügen über mechanische Filter bis zum HEPA-Niveau und/oder über eine UV-C-Stufe. Die Herstellerangaben beim Nennlastfall dienten zur Auswertung. Es wurde deutlich, dass viele Geräte ein Niveau von SPI 1 erreichen.

Besonders fiel ein Gerät mit nur gut 12% vom SPI 1-Grenzwert auf. Es ist auch mit Partikelfiltern ausgestattet, das Hauptfilter ist aber nur vom Niveau ISO ePM1 50%. Es wird aber permanent statisch aufgeladen. Das Gerät ist auch an der Hochschule Luzern (HSLU) getestet worden, und die Herstellerangaben bestätigten sich. Natürlich wurde nach bekannter Filterprüfung das Filter auch elektrostatisch entladen, und das Gerät hatte anschliessend auch eine Verschlechterung der Filterwirkung. Der Einbau eines länger gebrauchten Filters, das nicht «normgerecht» vor der Prüfung entladen wurde, führte wieder zu der anfänglich sehr guten Abscheideleistung. An diesem Beispiel sollte aufgezeigt werden, dass die Branche unbedingt das Thema der permanenten statischen Aufladung von Filtern aufgreifen sollte, um wesentlich geringere Energieaufwendungen für die Luftreinigung zu erreichen.

Erweitert man die Betrachtung auf die Schallleistung von diesen Geräten, zeigte sich folgendes Bild [vgl.Abb.3]: übernimmt man die Messlatte aus der Norm SIA 181:2020 für Dauergeräusche von Einzelgeräten offenbarte sich, dass kaum ein Gerät bei Nennvolumenstrom an dieses Niveau herankommt.

Versucht man auf einfache Art und Weise die «besten» Geräte herauszufiltern - also die mit einem geringen spezifischen Energieaufwand und dazu noch leise - dann kann man (physikalisch nicht begründbar) zum Beispiel das Produkt aus beiden Werten nehmen. Es bleiben von den gut 50 Geräten fünf übrig, deren Produkt unter einem Wert von 5 verbleibt. Diese Geräte haben einen Nennvolumenstrom von 400 m3/h bis 2200 m3/h, sind also für einen grossen Anwendungsbereich brauchbar.

Wie viele Luftwechsel pro Stunde sollten es bei Klassenzimmern oder Patientenzimmern sein, damit ein risikoarmer Betrieb möglich wird?

Inzwischen gibt es da ziemlich einheitliche Antworten z.B. vom UBA und in der VDI EE 4300-14: es sollte in normal hohen Räumen ein ca. 5-facher Luftwechsel sein. Natürlich beruhen diese Angaben auf den Erholzeitmessungen von Räumen mit Mischlüftung, einer Virusvariante, die kaum das Ansteckungsrisiko der Deltavariante hat. Wichtig ist natürlich die Angabe des Herstellers zur richtigen Aufstellung, damit die Geräte nicht aus optischen Gründen irgendwo hingestellt werden.

Wie sehen Sie Lösungen mit UV-C-Bestrahlung? Wo haben sie Vorteile?

Sie können nur Luftkeime reduzieren, aber wir sollten weiter denken beim Thema Luftreinigung und Luftqualität und Lösungen ganzheitlich bewerten. Und da bleiben bei der UV-C-Bestrahlung kaum Vorteile übrig. Ausserdem wurde klar, dass Geräte mit UV-C-Stufe energetisch durchaus nicht besser sind - wie gerne behauptet wird - sondern mehrheitlich sogar schlechter als Geräte mit konventioneller Filtrierung.

Wie schätzen Sie neue Technologien, die andere Verfahren nutzen als die konventionelle Luftförderung und -filtrierung, ein bezüglich Energieeffizienz? Was liegt da drin für die angepeilte Energiewende?

Dazu ist wie oben erwähnt: Man sollte Luftionisationstechniken umgehend weiterentwickeln und erreichen, dass die Raumluft wieder elektrisch leitfähig gemacht wird. Dann kann man z.B. Elektrosmog reduzieren, Partikel Clusterung und Abscheidung schon im Raum erreichen. Und das Ganze mit kaum Energieaufwand. Hier zeigen seit Jahren Installationen beachtliche Verbesserungen bei der Luftreinheit und Akzeptanz der Raumluftqualität bei deutlich geringerem Energieverbrauch gegenüber konventioneller Luftfiltrierung oder Lufterneuerung. Da kommen viele Fragen auf, und die Fachkreise sollten sich damit auseinandersetzen.