Actualité du marché

Bild: zVg

Resilienz in einer vernetzten Welt

Corona-Pandemie, Klimawandel, Energiekrise oder Kriege – die Häufung von Krisen fordert die Widerstandsfähigkeit von Institutionen und Menschen heraus. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie diese damit umgehen, ohne dass die Krisen uns rund um die Uhr beherrschen.

Immer neue und grundverschiedene Krisen halten Wirtschaft, Staat und Gesellschaft in Bewegung. Informationstechnologien und Kommunikationsnetze können dabei zu deren Bewältigung beitragen. Trotzdem zeigt sich: Die Resilienz der Schweiz kommt an ihre Grenzen. Denn technische Systeme werden nur selten für Maximallasten, sondern für langjährige Durchschnittswerte ausgelegt. Dies zeigt sich bei Ausfällen von Infrastrukturen wie Rechnern, Telekom- und Stromnetzen, aber auch an unserem Gesundheitssystem immer wieder.

Unter diesen Infrastrukturen entstehen neue Abhängigkeiten, auch dank der postulierten «totalen Vernetzung» und der fortlaufenden digitalen Transformation. Da Jedes mit Allem vernetzt ist, sind die Auswirkungen oftmals nicht sofort erkennbar. Was in dieser Situation Resilienz für die ICT-Branche und die ganze Schweiz bedeutet, diskutierten prominente Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik und Forschung am Swiss Telecommunications Summit 2023. Die Tagungsmoderation gestaltete wiederum Reto Brennwald, Journalist und Fernsehmoderator.

 

Resilienz von Staat und Wirtschaft

Pierre Alain Schnegg berichtete von verschiedenen Technologieschritten. Einige davon waren der Zeit voraus und scheiterten. Unterdessen ist die digitale Evolution weit vorangeschritten. Schnegg hat alle Technologien selbst miterlebt. Nach dem KV und einem FH-Studium der Wirtschaftsinformatik begann er seine Karriere in der ICT-Branche. In seiner aktuellen Funktion als Berner Gesundheits- und Sozialdirektor nutzt er die Vorteile der Digitalisierung. Ohne sie wäre es z.B. nicht möglich gewesen, die Coronakrise zu bewältigen. Was fehlt, ist die Nutzung von Echtzeitdaten mit digitaler Betreuung, um Patienten besser, schneller und preiswerter behandeln zu können. Nun gilt es, digitale Patientendossiers nach 10 Jahren Diskussionen einzuführen. Die Infrastruktur besteht: 97% der Bevölkerung haben ein Smartphone und 96% einen Internetzugang. Problem sei die Trägheit der Schweizerischen Demokratie, welche nicht zum Tempo der Digitalisierung passt und schnelle Anpassungen verhindert.

Gemäss Peter Grünenfelder (Avenir Suisse, ab August Auto Schweiz) fordern multiple Krisensituationen die Resilienz des Schweizer Wirtschaftssystems heraus. Jedoch verhindern hausgemachte Defizite in der Aussenwirtschaftspolitik, der Energieversorgungssicherheit und der Digitalisierung die nötigen Anpassungsprozesse. Grünenfelder sieht somit Reformbedarf, um adäquat auf die Krisen reagieren und die Resilienz wieder zu stärken. Er macht sich zudem Sorgen um das Staatsverständnis, weil sich der Staat immer weiter aufbläht und dabei wertvolle Arbeitskräfte abzieht – oft dank höherer Löhne. Schon heute fehlen 120'000 Fachkräfte, und in 10 Jahren werden es rund 800'000 sein. Darunter leidet vor allem die Privatwirtschaft. Grünenfelder forderte einen Stellenstopp im öffentlichen Sektor. Denn trotz Stellenaufbau liegt der Staat bei der Digitalisierung deutlich zurück und bremst sie weiter. Hinzu verschieben sich die Machtverhältnisse von den USA hin zum Wachstumsmarkt Asien. Besonders dank China verändert sich die Weltlage massiv. Wie aber geht man mit Partnern um, die nicht die eigenen Werte vertreten?

 

Digitalisierung, Resilienz und der Mensch

Alle Krisen haben gemeinsam, dass wir trotz Vorwissen schlecht vorbereitet sind und die Komplexität unterschätzen, sagte Prof. Reto Knutti (ETH Zürich). Der bekannte Klimaforscher bewies mit eindrücklichen Fakten, dass der Klimawandel irreversibel und voll im Gang ist. Zurzeit wird unsere Erde mit rund 50 Mrd. CO2-Emissionen p.a. belastet. Zwar ist das Umweltbewusstsein nicht zuletzt dank Klimakatastrophen gestiegen, jedoch hapert es an konsequenter Verhaltensänderung. Ein Problem sieht Knutti in der künftigen Interaktion von Krisen, was uns noch verwundbarer macht. Denn die Emissionen steigen weiter und die Temperaturen ebenso. Die Folgen davon sind kaum mit hoher Resilienz zu bewältigen, da sie weit dramatischer ausfallen können als wir es bisher kannten.

Dietmar Hansch (Privatklinik Hohenegg, Meilen) beschäftigt sich berufsbedingt mit Angststörungen und beschreibt den Kern psychischer Resilienz als ein komplexes und stimmiges Selbst. In ihm verschmelzen Selbstkenntnis, sinnstiftende Werte, kulturelle Ressourcen und förderliche Mindsets für das Stressmanagement. Besonders Letztere sind wichtig bei der Krisenbewältigung. Eine gute Vernetzung und digitale Medien eröffnen Chancen, bergen aber auch zusätzliche Risiken. Der Mensch kann entweder lernen, das Netz für sein persönliches Wachstum zu nutzen. Oder er erliegt den immer penetranteren Ablenkungen auf dem Netz und schrumpft zu einer Art Reiz-Reaktions-Automat. Ein gesunder Umgang mit digitalen Medien hingegen erhöht unsere Resilienz.

 

Resilienz aus Providersicht

Im Gespräch mit Moderator Reto Brennwald beleuchtete Christoph Aeschlimann die Chancen und Herausforderungen einer vernetzten Welt. Nicht erst seit der Pandemie ist allen klar, dass ein funktionierendes Telekommunikationsnetz und die vielfältigen Services das Rückgrat einer erfolgreichen Schweiz bilden. Durch die rasche Digitalisierung nimmt deren Bedeutung weiter zu. Steigende Ansprüche an resiliente Netze und Services erzeugen zusätzlichen Druck. Aeschlimann verwies dabei auf die drohende Strommangellage, welche die Swisscom unmittelbar trifft. Zwar treten jährlich rund kleinere 5'000 Stromausfälle auf und die Netze sind darauf vorbereitet. Problematisch wirken sich tagelange Ausfälle aus. Hier rüstet Swisscom weiter auf.

 

Innovation und KI

Gordon Thomson (Cisco) ist der Meinung, dass die Resilienz die treibende Kraft hinter einer tiefgreifenden Business Transformation ist. Sie wird von beständigen Innovationen getragen, welche den digitalen Wandel vorantreiben und die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen in der heutigen Welt sichern. Dabei gibt es kontrollierbare Herausforderungen und solche, deren ganze Bedeutung heute noch schwer einzuordnen sind. Dazu gehören Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) und wachsende Sicherheitsanforderungen. Beim Thema Security bleibt der Mensch das schwächste Glied, so Thomson, während KI seiner Meinung nach beherrschbar sei.

In dauerhaft volatilen Zeiten ist Agilität ein klarer Wettbewerbsvorteil, findet Christian Keller (Amazon Web Services Schweiz und Österreich). Der Zugang zur Technologie wurde in den letzten zehn Jahren demokratisiert, weil sie heute jedermann kann. Im Zentrum des Interesses steht dabei laut einer McKinsey-Studie die Cloud. AWS will in den nächsten Jahren knapp 6 Mia. CHF in ein eigenes Rechenzentrum im Grossraum Zürich investieren. Dies wird voll redundant ausgelegt – nicht nur betreffend der Datensicherheit, sondern auch betreffend Stromversorgung oder möglicher Umweltkatastrophen wie Wassereinbrüche. Gespeicherte Daten werden dabei gleich dreifach gesichert, wobei die Datenspeicherung in der Cloud nicht nur sicherer, sondern auch etwa 55-75% energieeffizienter sei als eine lokale Datenspeicherung in eigenen Datencentern.

 

Digitale Infrastrukturen sind tragende Pfeiler der modernen Gesellschaft. Entsprechend vielfältig sind die Bedrohungsbilder und hoch die Anforderungen an ihre Widerstandsfähigkeit, sagt Catrin Hinkel (Microsoft). Microsoft konnte bei Überwindung der Polykrise wichtige Erkenntnisse gewinnen, etwa durch Einsatz neuer Technologien wie KI. Nach Meinung von Hinkel mache es kaum Sinn, nach Krisen zum Ausgangspunkt zurückzukehren, weil die Situation vor der Krise eine andere sei als nach der Krise und daher nicht zielführend sei – die Bewältigung aktueller und die Vermeidung künftiger Krisen. Im Zentrum für die IT-Branche stehe dabei selbstredend die Cybersicherheit. So wurde die Ukraine etwa zwei Wochen vor Ausbruch der kriegerischen Angriffe via Web angegriffen. Dank Verlagerung und Sicherung der Daten in der Cloud konnte sie ihre Handlungsfähigkeit aber behalten.

 

Fazit

In einer sich rasch verändernden Welt sollte sich die Schweiz als Drehscheibe der internationalen Gemeinschaft positionieren, sei es durch ihre technologische Führungsrolle oder als sicherer Hafen zur Datenhaltung. Unser hohes Bildungsniveau, die Schweiz als Standort führender Hochschulen und Forschungsinstitute sowie die enge politische Vernetzung können dabei gute Dienste leisten.