Vertraute Form, neue Funktion: Aus dem typischen Berner Bauernhaus ist ein Kraftwerk geworden. (Bilder: Walter Hofer, zVg)

Das Bauernhaus vor der Sanierung (mit testweise montierten PV-Panels und einigen Kollektoren) ...

... und nach Abschluss der Arbeiten.

Die Holzheizung speist einen grossen Warmwasserspeicher (Volumen 5000 Liter).

Mit dem selbst produzierten Strom wird auch gleich das Elektrofahrzeug geladen.

Sonnenpower vom Denkmal

Ein denkmalgeschütztes Bauernhaus in Walkringen BE wurde mit der Dachsanierung zum Kraftwerk. Die Solarthermie liefert Warmwasser, die Photovoltaik Strom für Haushalt und Elektrofahrzeug.

Während der Arbeit ist Marcel Stähli schon längst elektrisch unterwegs. Als Lokführer und Praxisausbilder bei der BLS fährt er Güterzüge von Domodossola bis Weil am Rhein. Der sorgsame Umgang mit Energie und das Zurückspeisen von Energie ins Netz (Rekuperation) gehören zum Alltag unter Lokführern. «Als mein alter Peugeot nach 17 Jahren den Geist aufgab, war für mich klar: Jetzt muss ein Elektroauto her», sagt Stähli. Die Wahl fiel auf einen Renault Zoé. Diesen lädt der Hausherr nun mit Strom vom eigenen Dach. Denn neben dem Auto-Ersatz stand beim Haus von Eva und Marcel Stähli auch eine Dachsanierung an.

Knacknuss Denkmalschutz

Die zwei Projekte zu kombinieren, war naheliegend, aber nicht ganz einfach. Denn der 1780 erbaute Holzständerbau ist ein sogenanntes K-Objekt, ein kantonales Schutzobjekt. Für diese sind die Auflagen bei Erweiterungen oder Umbauten besonders streng. Zwar waren vor 12 Jahren bereits einige Solarthermie-Kollektoren entlang des Dachrandes bewilligt worden. Doch das angedachte Projekt, bei dem die traditionellen Ziegel vollständig durch Indach-Elemente für Solarthermie und PV respektive Faserzementplatten ersetzt werden sollten, wäre noch vor wenigen Jahren am Veto der Denkmalpflege gescheitert.

«Heute wird anders gewichtet. Die Energieproduktion erhält jetzt gleich viel Gewicht wie der Denkmalschutz. Deshalb ist es einfacher geworden, auch geschützte Objekte mit moderner Technik auszurüsten», sagt Florian Flükiger. Er ist Mitinhaber und Projektleiter bei der RenoMa GmbH Bedachungen und Fassadenbau in Worb, die das Projekt geplant und ausgeführt hat. Die Gleichstellung von Energiewende und Denkmalschutz war das erste Argument, das Flükiger ins Feld führen konnte, die Sturmsicherheit das zweite. Denn wegen der starken und exponierten Hanglage des Hauses wurden bei Stürmen häufig Ziegel ausgedeckt. Das neue Eternitdach mit vollintegrierten PV-Modulen und Solarkollektoren ist nun sturmsicher und daneben auch einiges leichter als das alte Dach.

Hartnäckiges Weibeln

Bis er Gehör fand, musste Flükiger allerdings lange und ausdauernd für sein Anliegen weibeln. Während ungefähr neun Monaten fanden viele Telefone und Gespräche statt, begleitet von zahlreichen eigenhändig gezeichneten Dachansichten Schliesslich gab der zuständige Denkmalpfleger sein Einverständnis, und die Dachsanierung konnte umgesetzt werden.

Um den sommerlichen Wärmeschutz zu verbessern, montierte man auf dem Wohnteil direkt auf den Sparren eine 80 mm starke Weichfaserplatte. Beim Ökonomieteil machte der Zimmermann konstruktive Anpassungen am Dachstuhl und verlegte eine Dachschalung. Wegen der veränderten Aufbauhöhe wurden auch die Dachränder neu erstellt. Als Abdichtung des Unterdachs dient eine verschweissbare Dachbahn. Darauf folgt eine Hinterlüftungsebene, erstellt mittels einer 100 mm starken Konterlattung. Darauf wurde die Solarlattung befestigt. PV-Module respektive Solarthermiekollektoren wurden auf der West- und Südseite des Dachs montiert. Auf der Nord- und Ostseite kamen normale Faserzement-Dachschieferplatten 400/720 in einer Doppeldeckung auf einer 30/50-Lattung zum Einsatz.

Viel Sonnenpower

Die neuen Solarthermie-Kollektoren (Eternit SunskinRoof) liefern pro Kollektor bis zu 550 Kilowattstunden pro Jahr. Die theoretische Gesamtleistung der Anlage beträgt damit rund 9900 Kilowattstunden Wärmeenergie pro Jahr. Weil sich die neuen Kollektoren ins Rastermass der PV-Module einfügen, entsteht ein harmonischer Eindruck. Die PV-Anlage umfasst 86 Module SunskinRoof (Grösse L) à 195 W(p). Die Gesamtleistung beträgt 16,77 kW(p), der Jahresertrag wird auf gut 16 500 Kilowattstunden geschätzt.

Der Solarstrom dient vor allem dem Eigenverbrauch. Neben dem normalen Haushaltsstromverbrauch kann auch eine Ladestation für das Elektrofahrzeug des Bauherrn versorgt werden. Im bestehenden Warmwasserspeicher mit 5000 Litern Volumen wurde ein Elektroheizeinsatz installiert (8 kW Leistung). Das Warmwasser, das in den Solarthermiemodulen bereits vorerwärmt wurde, kann so mit dem selbst produzierten Strom nochmals auf eine höhere Temperatur gebracht werden. Ladestation wie Heizeinsatz werden durch einen Energiemanager angesteuert (Smartfox Pro). Der Überschuss wird derzeit noch ins Netz eingespeist. Zwar sind die Preise für Batteriespeicher merkbar eingebrochen, doch Marcel Stähli liebäugelt eher mit einer Salzbatterie: «Die funktioniert voraussichtlich auch noch dann, wenn sie amortisiert ist». Die Raumwärme wird mit der bestehenden Stückholzheizung erzeugt.

Solar-Wettkampf

Als gelernter Elektroinstallateur packte Marcel Stähli während der Bauarbeiten tatkräftig an. So machte er die notwendigen Mauerdurchbrüche, erstellte Kabelkanäle und zog sämtliche Leitungen von der PV-Anlage zum Keller respektive zur Garage. Zudem erledigte er einen Grossteil der Netzwerkinstallationen für Wechselrichter und Ladestation. Obwohl er seine Tätigkeit als Lokführer und Praxisausbildner liebt, pflegt Stähli sein «elektrisches» Erbe. So beriet er zum Beispiel einen benachbarten Bauern, der sich über die hohe Stromrechnung für seine Heutrocknungsanlage beklagte: «Ich konnte ihn überzeugen, auf seinem fast direkt nach Süden ausgerichteten Dach eine PV-Anlage zu installieren. Mit deren Ertrag kann er nun den Heutrockner laufen lassen und erst noch die Elektroeinsätze dreier Boiler speisen.»

Mit der Photovoltaik beschäftigen sich auch mehrere Berufskollegen von Marcel Stähli. In den letzten Jahren ist ein eigentliches «Solar-Grüppli» entstanden, das sich gegenseitig mit Rat und praktischer Mitarbeit für die Umsetzung von PV-Anlagen unterstützt. «Den Lead hat jeweils der Hauselektriker. Die Installationsarbeiten werden gemäss den Richtlinien und Vorgaben erledigt. Wir Lokführer können aber bei vielen handwerklichen Aufgaben mithelfen», berichtet Stähli. Im Kollegenkreis gewährte man sich auch Zugriff auf die Live-Daten der verschiedenen Anlagen und sehe dann, wer am meisten Strom produziere: «Es ist eine Art Wettkampf geworden. Man steckt sich halt gegenseitig mit dieser Begeisterung an.»