Kältetechnik

Nach langem Widerstand lenkte Daimler im Streit um den Einsatz des Kältemittels R1234yf in Auto-Klimaanlagen ein. (Bild: zVg)

Kältemittel als Politikum

Die F-Gase-Verordnung hat das Ende der Hoch-GWP-Kältemittel wie R404A, R410A oder R507 eingeläutet. In der Folge kommen immer mehr Lösungen mit natürlichen Gasen auf den Markt. Umstellen auf natürliche Kältemittel heisst die Devise für Hersteller und Betreiber von Kälteanlagen und Wärmepumpen.

Natürliche Kältemittel haben ein sehr geringes Treibhausgaspotential und stellen somit im Falle eines Entweichens keine Gefahr für das Klima dar. Ein weiterer Vorteil ist zudem, dass Anlagen meist effizienter als solche mit F-Gasen arbeiten. Dieses führt zu geringerem Stromverbrauch und somit zu geringeren Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung der benötigten Energie. Natürliche Kältemittel wie Kohlenwasserstoffe sind brennbar und Ammoniak ist giftig. Daher bedarf es bei der Anwendung entsprechender Sicherheitsvorschriften. Aber in der Praxis realisierbar.

Die Wahl der Kältemittel hat aber nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Seite. Anhand zweier Beispiele kann man die Brisanz sehen, wenn in riesigen Märkten ein Kältemittelwechsel vollzogen wird.

Kühlschränke schon lange Grün

Vor rund 30 Jahren veränderte der Kühlschrank «Greenfreeze» aus Deutschland die Welt. Rein optisch war das Gerät ein ganz normaler Kühlschrank, stellte aber eine technische Revolution dar. Es war das erste Kühlgerät, das nicht mit dem Ozon-Killer FCKW funktionierte, sondern mit einem natürlichen Kältemittel, das weder die sensible Schutzschicht der Erde gegen die UV-Strahlung in der Stratosphäre zerstört noch zum Treibhauseffekt beiträgt. Diese Innovation hatte damals das 1987 geschlossene Montreal-Abkommen zum Schutz der Ozonschicht ausgelöst. Es schrieb vor, die ozonschädigenden chlorhaltigen Substanzen auszumustern.

Alle anderen deutschen Kühlschrank-Hersteller setzten damals als Ersatz auf das vom US-Konzern DuPont de Nemours entwickelte Kältemittel R134a, einen teilfluorierten Kohlenwasserstoff (HFKW). Diese Chemikalie hat zwar den Vorteil, der Ozonschicht nicht zu schaden, aber es ist ein starkes Treibhausgas. Die Entwickler vom Kühlschrank Greenfreeze bewiesen, dass ein Kälteaggregat genauso gut mit dem natürlichen und günstigen Gas Isobutan (R600a) funktioniert – und dabei noch Energie einspart. Kühlschränke mit Isobutan brauchen zehn Prozent weniger Strom als solche mit R134a. Dieses überzeugende Argument hatte seine Auswirkungen und die Branche musste reagieren. Innert weniger Monate wechselten alle anderen deutschen Hersteller auf das natürliche Kältemittel Isobutan.

Erfolgreicher Lobbyismus

Heute ist die Greenfreeze-Technik praktisch weltweit Standard, abgesehen von den USA. Dort wird der Grossteil der Kühl- und Gefriergeräte auch heute noch mit dem Klimakiller R134a verkauft. Nun allerdings wollen die US-Haushaltsgeräte-Hersteller umstellen und zu natürlichen Kältemitteln wechseln. Ein pikantes Detail beinhaltet eine Vorschrift der US-Umweltbehörde EPA. Ein Paragraph begrenzt die Menge an Isobutan, die in Kühlaggregaten eingesetzt werden darf, auf 57 Gramm. Das reicht für genormte europäische Kühlschränke aus, nicht aber für die in den USA üblichen doppeltürigen Food Center. Obwohl der Wille zur Umstellung auf natürliche Kältemittel vorhanden ist, verzögert die erfolgreiche Lobbyarbeit der Chemiekonzerne die Pläne der Hersteller. Es geht schliesslich um einen globalen Milliardenmarkt und um den zu erhalten, ist jedes Mittel recht.

HFO-Kältemittel und Autoklima

Die Automobilindustrie, ein weiterer globaler Milliardenmarkt, musste bei Fahrzeug-Klimaanlagen ebenfalls auf umweltfreundliche Kältemittel umstellen. Die Chemiemultis aus den USA standen umgehend mit einer Lösung bereit.

Wir schauen zurück ins Jahr 2013. Man erinnert sich: Der Daimler-Konzern weigerte sich, ein von der EU gefordertes Kältemittel in seinen Fahrzeugen zu verwenden und entfachte dadurch einen Streit mit den Behörden. EU-Vorschriften verlangten für Fahrzeuge mit einer nach 2011 erteilten Typgenehmigung, ab Beginn 2013 ein Kältemittel, das die Erderwärmung weniger fördert als das bisher übliche Gas R134a. Wiederum ein pikantes Detail; einzig das Kältemittel R1234yf erfüllte diese Richtlinie damals. Daimler wollte dieses von den US-Konzernen Dupont de Nemours und Honeywell entwickelte Gas nicht für Klimaanlagen verwenden. Mit der Begründung, das Kältemittel sei bei Unfällen und Leckagen des Klimasystems zu gefährlich, da es sich im heissen Motorraum entzünden kann und dann ätzende Säure freisetze. Daimler rüstet daher seine komplette Fahrzeugflotte wie gewohnt mit dem klimaschädlichen Kältemittel R134a aus.

Gemeinsame Sache

Das liessen sich die Chemieriesen aus den USA nicht bieten und sprachen bei der EU in Brüssel vor. Von Europaabgeordneten geriet an die Öffentlichkeit, dass die Vereinigten Staaten Druck gemacht haben sollen. Dadurch entstand auch der Eindruck, dass die beiden einzigen R1234yf-Hersteller, die US-Konzerne Honeywell und Dupont de Nemours, sowie die US-Umweltbehörde EPA und der Autobauer General Motors gemeinsame Sache machten, um die Chemikalie mit allen Mitteln zu verteidigen. Beim Geschäft mit diesem Kältemittel ging es um einen Milliarden-Markt. Es war auch Tatsache, dass R1234yf deutlich teurer als sein Vorgänger R134a war. Aber von Preistreiberei wollten die Chemiekonzerne nichts wissen.

Nach langem Widerstand lenkte Daimler im Streit um den Einsatz des Kältemittels R1234yf in Auto-Klimaanlagen ein. Nachdem er sich über Jahre vehement geweigert hatte, setzt der Konzern die umstrittene Chemikalie seit 2017 in verschiedenen Modellen ein. Weiter hat Daimler in die Entwicklung der CO2-Klimaanlagen hohe Entwicklungskosten investiert. Während beim Einsatz von R1234yf die Klimaanlagen nur umgerüstet werden müssen, ist bei CO2 ein komplett neues System nötig. Der damalige Vorsitzende des Verkehrssauschusses im EU-Parlament, Michael Cramer (Grüne), lobte die Umstellung des Konzerns und forderte gleichzeitig ein Umdenken beim Einsatz von R1234yf: «Jetzt existieren Alternativen, und wir brauchen einen EU-Fahrplan zur schnellstmöglichen Umstellung auf sichere und klimafreundliche Kältemittel.»

Die Umwelt vergessen

Dr. Michael Kauffeld von der Hochschule Karlsruhe sieht die Verwendung von HFOs sehr kritisch. Anlässlich einer Fachtagung präsentierte er einen interessanten neuen Aspekt aus einer australischen Studie. Wenn sie sich bewahrheiten sollte, dann definitiv nicht zugunsten von HFOs. Man kann also feststellen, dass mit den FCKW in den 60 Jahren ihrer Verwendung als Kälte-, Treib- und Feuerlöschmittel die Ozonschicht in der Stratosphäre geschädigt wurde, mit den HFKW in den letzten ca. 30 Jahren die unter der Ozonschicht befindliche Atmosphäre aufgeheizt wird (die FCKW tun dies übrigens schon 60 Jahre länger) und nun mit der nächsten Generation synthetischer Kältemittel, den HFOs, die unterste Schicht der Atmosphäre und die Gewässer an der Erdoberfläche geschädigt werden. Man hat sich also langsam von ca. 20 km Höhe bis auf die Erdoberfläche bewegt. Der Irrweg von für die Umwelt fremden Kältemitteln sollte schnellstmöglich beendet werden.