Im Veloland Schweiz boomen E-Bikes in unerwarteten Dimensionen. Bereits 2018 wurde die 100 000er-Marke durchschritten. Wenn sich der Trend fortsetzt, werden wohl bald 200 000 Exemplare pro Jahr neu in Verkehr gesetzt. Seit 2021 bestehen lange Lieferfristen, sodass die Verkaufsstatistiken ein verzerrtes Bild zeigen. Mehr E-Bikes bedeuten aber auch mehr Altakkus, wobei deren Rücklauf zu den Entsorgungsstellen weitaus kleiner ist als erwartet.
VRG für Elektroauto-Akkus
Bereits seit Längerem ist beim Kauf eines E-Bikes eine Vorgezogene Recyclinggebühr (VRG) fällig. Eigentümlicherweise waren die in der Schweiz sehr beliebten Hybridfahrzeuge und auch reine Elektrofahrzeuge bisher von der VRG ausgenommen. Seit Anfang 2022 wird die VRG endlich auch auf Elektrofahrzeuge ohne gesichertes Recy-clingkonzept in Höhe von 1.60 Fr. je kg Akkugewicht erhoben, was den offiziellen Schweizer Importeuren missfiel. Die in der VFAS organisierten freien Importeure erheben nur 0.85 Fr. pro kg, weil sie ein eigenes Recycling anbieten. Unter fedlex.admin.ch sind alle Gebühren je kg Akkugewicht deklariert.
Die offiziellen Schweizer Importeure von BMW und Mercedes-Benz sowie die AMAG haben um Aufschub gebeten und planen Ähnliches. Jedoch bewegt sich der stückzahlenmässige Rücklauf unbrauchbar gewordener Akkus in einem sehr überschaubaren Rahmen. Zudem wird die VRG ohnehin an die Kunden weitergegeben. Beispiel: Der Lithium-Ionen-(Li-Ionen-)Akku im VW ID.3 wiegt 350 kg (57 kWh) bzw. 550 kg (77 kWh), was das begehrte Elektroauto seit Anfang 2022 um 560 Fr. bzw. 880 Fr. verteuert – in Anbetracht des Kaufpreises verkraftbar.
Hohes Gewicht
Ein 400 kg schwerer Li-Ionen-Akku enthält etwa 100 kg Graphit, 32 kg Nickel, 11 kg Kobalt, 10 kg Mangan, 6 kg Lithium und ein flüssiger Elektrolyt. Daneben besteht er aus Kunststoff, Aluminium und Stahl sowie weiteren Materialien aus dem Gehäuse und anderen Komponenten. Bei den E-Bikes sind die Verhältnisse notabene weniger dramatisch, weil kaum Platz für grosse Akkus vorhanden ist und der Grossteil der Antriebsenergie von Menschen stammt.
So gibt es ultraleichte E-Rennräder mit Carbonrahmen (Gewicht unter 10 kg) bis hin zu besonders belastbaren E-Cargo-Bikes (bis zu 40 kg). Inklusive Motor und Akku wiegt ein Standard-E-Bike etwa 25 bis 30 kg. Das Gewicht eines E-Bike-Akkus mit einer Kapazität von 300 Wh beträgt etwa 2 – 3 kg, während ein Akku mit 800 Wh Kapazität über 5 kg wiegt. Die Mehrzahl der E-Bikes wird übrigens als Lastenrad betrachtet, weshalb der Rahmen entsprechend stabil gebaut wird.
Um die wertvollen Materialien zurückzugewinnen, hat man heute die Wahl zwischen Einschmelzen («heisses Verfahren») oder durch Schreddern inklusive chemischer Behandlung («kaltes Verfahren»). Beim Einschmelzen lassen sich 60 bis 70 % der Materialien wieder nutzbar machen, beim Schreddern bis zu 96 %. Die Nachteile: Das heisse Verfahren benötigt einen hohen Energieeinsatz und das kalte Verfahren viel Chemie.
Recycling
Bei Rohstoffen wie Wolfram (für Akkus) und Silizium (für elektronische Schaltungen zur Steuerung) sind die Fördermengen hingegen kritisch und die Rohstoffe sehr teuer geworden. In der Schweiz werden Alt-Akkus aus Elektrofahrzeugen gemäss einer SRF-Nachrichtensendung vom 17.1.2022 überwiegend nur umweltgerecht entsorgt, was eigene Recherchen bestätigten.
Während Alt-Akkus bis vor wenigen Jahren zum Zermahlen und Verbrennen ins Ausland gelangten, geschieht dies zunehmend auch in der Schweiz. Aktuell wird neben Kobalt und Nickel vor allem das wertvolle Wolfram aus Velo-Akkus zurückgewonnen und der Rest «geordnet entsorgt». Da die Rohstoffpreise sehr labil sind, kann sich ein Recycling rechnen oder eben nicht.
Dies betrifft im Übrigen auch andere Altstoffsammlungen wie Papier, Pappe, Glas, PET, Alteisen, Blech oder Alu. Während deren Sammlungen bis vor wenigen Jahren noch rentierte, müssen Städte und Gemeinden heute für die Entsorgung zahlen, statt Geld für das gesammelte Altmaterial zu erhalten. Beim Sammeln von PET ist die Schweiz im Übrigen Europameister, dies trotz fehlendem Pfand. Alugetränkedosen hingegen landen zu häufig im Abfall oder im Strassengraben.
Unterschätzte Gefahren
Auch bei den seit über 20 Jahren verkauften E-Bikes ist die Rücklaufquote auffallend klein. Gemessen an den Verkäufen müssten bedeutend mehr Alt-Akkus bei den Entsorgungsstellen landen. Bei normalem Gebrauch hält ein E-Bike-Akku etwa 5 – 6 Jahre, was sich an den abnehmenden Reichweiten zeigt, die man trotz voller Ladung noch erzielen kann. Danach sollte man ihn ins Fachgeschäft oder zu einer Sammelstelle bringen. Denn verbrauchte, alte Akkus können zu gefährlichen Brandsätzen werden. Die brennbare und giftige Batterieflüssigkeit und die elektrische Spannung bilden eine explosive Mischung, die bei einem Kurzschluss zur Explosion führen kann.
Dies kann durch äussere Beschädigung, beispielsweise durch heftiges Aufsetzen eines Elektroautos auf einen Fels oder eine Betonschwelle geschehen, egal ob Smart EQ oder Tesla. Wenn der Fahrzeug-Akku einmal brennt, greift das Feuer schnell auf den Rest des Fahrzeugs über. Allerdings lässt sich ein brennendes Elektroauto nicht so einfach löschen wie gewöhnliche Fahrzeuge. Deutsche Autobahnfeuerwehren halten eine grosse, mit Wasser gefüllte Mulde stets bereit, in die verunfallte und brennende Elektroautos während dreier Wochen getaucht werden, bis sich der chemische Prozess im Li-Ionen-Akku beruhigt hat.
Es sind aber auch Fälle aus der Schweiz bekannt, bei denen nur ein einziger falsch geladener E-Bike-Akku ein ganzes Wohnhaus in Brand setzt. In den Akkus von Elektroautos wird natürlich wesentlich mehr Energie gespeichert, wodurch brennende Akkus in Elektroautos weitaus grössere Schadensausmasse verursachen. Wegen ihres leicht brennbaren Inhalts dürfen Li-Ionen-Akkus nur in speziellen Sicherheitsbehältern als Gefahrengut transportiert werden, bei E-Bike-Akkus z. B. in einer explosionssicheren Box von rund einem m3.
Recycling aus Tradition
Vorsicht geboten ist daher auch beim Recycling. Seit 1986 ist die Firma Batrec in Wimmis/BE führend im Entsorgen und Rezyklieren von Alt- und Autobatterien. Die Aufbereitungsanlage kann alle Arten von Batterien und Akkus recyceln, ob Alkaline-, Zink-Luft-Batterien, Knopfzellen oder NiMH- und Li-Ionen-Akkus aus Telefonen, E-Bikes, Elektrofahrzeugen und Elektrowerkzeugen.
Die Behandlungsanlage arbeitet mit einem zweistufigen thermischen Verfahren, mit dem wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen werden können, um sie wieder in den industriellen Kreislauf zurückzuführen. Zunächst werden die organischen Bestandteile der Batterien (Bitumen, Papier, Kunststoff) bei bis zu 800 °C pyrolysiert; Quecksilber und Wasser werden verdampft. Anschliessend werden Ferromangan (FeMn) und Schlacken extrahiert und schliesslich das Zink kondensiert.
Angelieferte Alt-Akkus werden zunächst im Salzwasserbad entladen, was die Brandgefahr minimiert. Dazu wurde ein Spezial-Schredder für Li-Ionen-Akkus entwickelt, in dessen Gehäuse diverse Wasser-strahler dafür sorgen, dass allfällige Flammen beim Schreddern sogleich erstickt werden. In einem nächsten Schritt werden die wertvollen Wolfram-, Nickel-, Mangan- oder Kobalt-Elemente extrahiert – entweder hausintern, in Frankreich oder in Belgien (batrec.ch/de).
Die so zurückgewonnenen Rohstoffe taugen übrigens nicht für den Bau neuer Akkus, weil die Reinheit des Rohstoffs nicht hoch genug ist. Die Metalle kommen aber z. B. im Werkzeugbau zur Weiterverwendung.
Innovation aus der Ostschweiz
Die Kyburz Switzerland AG als Hersteller kleiner Elektroroller (u. a. für die Schweizerische Post) nahm im September 2020 eine hauseigene Recyclinganlage für Li-Ionen-Akkus in Betrieb. Diese in ihrer Art in der Schweiz bisher erste Anlage wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit Unterstützung der EMPA entwickelt. Sie kann bis zu 91 % der enthaltenen Rohstoffe wiedergewinnen.
Das Recycling umfasst fünf Schritte und funktioniert für Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LiFePO4) sowie mit Anpassungen auch für andere Zelltypen. Nach Entladung der Akkuzellen wird der Gehäuse-deckel entfernt, ohne die Zellen zu beschädigen. Beim anschliessenden Ausblasen durch ein Loch im Boden des Zellpakets wird das Elektrodenpaket mittels Druckluft aus dem deckellosen Gehäuse gedrückt. Anschliessend wird das gewickelte Zellpaket über mehrere Rollen gelenkt und abgewickelt. Dabei werden die Aluminium- und Kupferfolien vom Separator getrennt.
In der nun folgenden Aufreinigung im Wasserbad werden Kathode (Metalloxid) und Anode (Graphit) ohne Einsatz von Hitze oder Chemikalien voneinander getrennt. Somit sind für diese neue Art weder Schreddern noch thermische Energie nötig. Langfristiges Ziel ist eine Produktionsanlage, die alle von Kyburz je verbauten LiFePO4-Batterien wieder zurück in die Ausgangsstoffe zerlegen kann. In der ersten Ausbaustufe sollen rund 4000 Zellen pro Jahr verarbeitet werden. Im Endausbau soll die Anlage eine Kapazität von bis zu 24 000 Zellen pro Jahr erreichen, was der Jahresproduktion von 3000 Fahrzeugen entspricht. Eine entsprechende Betriebsgenehmigung steht noch aus (Stand März 2022).
Chance für Start-ups
Neben Batrec und Kyburz will dies auch das Start-up Librec mit Sitz in Oensingen/SO ändern. Es will demnächst mit dem Bau einer Recyclinganlage auf einer Fläche von 10 – 20 000 m2 starten. 2024 soll die Anlage einsatzbereit sein und gut 90 % der verbauten Materialien zurückgewinnen. Zudem soll es nicht nur mit weniger Energie auskommen, sondern pro Tonne recycelter Batterien auch 4,8 t weniger CO2 verursachen als bisherige Verfahren. Heute wird mit dem Recycling kein Geld verdient und wegen des hohen Energiebedarfs CO2 emittiert. Das muss sich ändern, denn Recycling im Inland ist ein wichtiges Element, um die Elektromobilität nachhaltiger werden zu lassen. ■
mpirische Regel: Kapazitätsverlust von 10 % p. a.). Allein schon wegen der Unmengen von E-Bike-Akkus kann man nicht von kleinen Volumina sprechen.