1. Vorwort
Die Wädenswiler Null-Heizenergie-Siedlung war als Basis von Minergie ein Meilenstein in der Entwicklung energieeffizienter Häuser. 2021 wurden nach 30 Betriebsjahren zwei Doppelhäuser umgebaut. Deren fassadenintegrierte thermische Sonnenkollektoren (4x 33 m2) waren defekt. Gegen einen Ersatz sprach die unsichere weitere Lebenserwartung der grossen Heisswasserspeicher als Folge möglicher Korrosionsschäden. Deshalb wurden die Kollektoren für alle vier Wohnungen je durch eine Wärmepumpe mit 4 kW Heizleistung, 100-m-Erdsonde und 33 m2 Photovoltaik-Module (PV) in der Fassade mit 7.6 kWp ersetzt und die Speicher bis auf einen stillgelegt. Mit diesem Schritt wurde der schon vorher minimale Energiebezug des Haushalts nochmals deutlich reduziert. Die gewonnenen Erfahrungen wurden zum Auslöser für generell anwendbare Überlegungen zum Vergleich der beiden Techniken unten in den Kapiteln 3 und 4, als Basis für weitere Diskussionen.
In dieser Siedlung wurden 1990 erstmals die neusten Massnahmen zur Reduktion des Wärmebedarfs mit Solarenergie verbunden. Walter Schiesser, damals Energieredaktor der NZZ, umschrieb das Konzept mit „Häuser solartauglich machen“! Als Resultat wurde nicht nur der erwartete sehr tiefe Energiebedarf, sondern auch ein hoher Wohnkomfort erreicht. Das Konzept wurde zur Basis zur Entwicklung der erfolgreichen Marke Minergie durch den Autor zusammen dem Ökonomen Heinz Uebersax. Dank Minergie sind Komfort und tiefer Energieverbrauch zu einer selbstverständlichen Kombination geworden und der Energieverbrauch der Neubauten in der Schweiz wurde in der Folge halbiert.
2. Energiebezug nach Umbau des Energiesystems
Verbesserte Jahresenergiebilanzen
In der Haushälfte des Autors werden die Energieflüsse gemessen. Die Resultate sind für das erste Betriebsjahr in Bild 1 dargestellt.
Das Haus benötigt dank Minergie-Baumethoden auch nach 30 Jahren unverändert sehr wenig Energie für die Raumheizung, d.h. dank kompakter Bauform, gut gedämmter, dichter Hülle und Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Deshalb genügt die kleine Wärmepumpe mit nur 100 m langer Erdsonde und sehr tiefem Stromverbrauch für Heizung und Warmwasser, und deshalb verbleibt ein grosser Anteil der Stromproduktion der Fassade zur Speisung von Haushalt und Elektroauto. Dank Haushalt-Bestgeräten und effizientem Elektroauto muss vom Netz der EKZ nur etwa die Hälfte des Schweizer Durchschnitts allein für den Haushalt bezogen werden. Dies genügt hier aber auch für Heizung und Auto!
In den Bildern 1 und 2 werden die berechneten Werte dargestellt. Der im ersten Betriebsjahr von Juli 2021 bis Juni 2022 gemessene Bezug vom Stromnetz lag mit netto 1200 kWh/a gegenüber den Rechenwerten sogar noch 400 kWh tiefer. Das Jahr war zwar sonnenärmer, der Winter aber auch wärmer als das der Rechnung zugrundeliegende Referenzjahr.
Netto-Netzbezug nur in Wintermonaten
Wie früher wird der Holzofen im Winter zur Unterstützung der Wärmepumpe für die Raumheizung und Warmwasserbereitung eingesetzt und dafür wieder etwa ½ Ster Hartholz, entsprechend 1100 kWh, verbrannt. Trotzdem konzentriert sich der Netzbezug auf die Wintermonate.
Der nur geringe Abfall des PV-Ertrags im Winter folgt aus der Position der Module in der Südfassade (siehe Bilder 3 und 4). Damit gewinnen sie im Sommer zwar weniger, im Winter gegenüber optimaler Ausrichtung (Süden, 45° geneigt) aber nur 11% weniger und gegenüber schwach gegen Ost oder West geneigten Flächen sogar 43% mehr.
Die Schweiz hat bereits heute zu wenig Elektrizität im Winter und genug im Sommer. Mit zunehmender PV-Fläche wird der Wert von Strom im Winter steigen und im Sommer sinken. Ein hoher Winterertrag wird die Wirtschaftlichkeit der Anlage deshalb stark beeinflussen. Südfassaden und insbesondere Süddächer sind für PV-Anlagen also günstig.
3. Bessere Nutzung verfügbarer Flächen mit Photovoltaik als mit Solarthermie
Ein wichtiger Faktor des Erfolgs von PV gegenüber thermischen Solaranlagen ist die Einfachheit der Einbindung ins Haussystem mit einem elektrischen Stecker statt mit technisch anspruchsvollen, teuren Wasserkreisen. Zudem kann Stromüberschuss im Sommer, wenn sich der Wärmebedarf auf das Warmwasser reduziert, für den Haushalt und das Elektroauto genutzt oder an das Elektroverteilnetz geliefert werden, während Wärmeüberschuss des Kollektors vernichtet werden muss.
Schon ab etwa 3 Geschossen ist die Sammelfläche auf Dach und Fassade eines Mehrfamilienhauses mit Wärmepumpe und E-Autos auch im gut gedämmten Minergie-Haus knapp. Soll also ein möglichst hoher Anteil des eigenen Verbrauchs gedeckt werden, ist beim Mehrfamilienhaus ein möglichst hoher Flächenertrag von Interesse.
PV in Kombination mit einer Wärmepumpe kann mit einer gegebenen Sammelfläche zumindest gleich viel Wärme bereitstellen wie ein Sonnenkollektor. Ein Sonnenkollektor wandelt die verfügbare Sonnenstrahlung mit einem Wirkungsgrad von etwa 60% in nutzbare Wärme um. PV schafft nur gut 20%. Wird die erzeugte Elektrizität aber mit einer Wärmepumpe in Warmwasser verwandelt, so werden etwa 2/3 der Wärme der Umgebung entzogen, es werden also auch etwa 60% der Solarstrahlung in Nutzwärme verwandelt. Für Wärme niedriger Temperatur für die Raumheizung wird der thermische Kollektor sogar übertroffen.
Muss zudem ein Teil der Wärme des Sonnenkollektors im Sommer vernichtet werden, so deckt die gleich grosse PV-Fläche einen grösseren Anteil des Verbrauchs. Zur maximalen Selbstversorgung muss der Kollektor also auf den Bedarf an Warmwasser beschränkt werden und die übrige Fläche mit PV belegt werden.
Fazit: Im Mehrfamilienhaus (ab 2 bis 3 Geschossen) mit Wärmepumpe und E-Autos erhöht jede Vergrösserung des thermischen Kollektors über den Warmwasserbedarf hinaus anstelle von PV-Fläche den Netzbezug für Haushalt, Raumheizung und Elektroauto.
Interessant bleibt Solarthermie in Kombination mit Holzheizungen. Ihr 3-mal besserer Wirkungsgrad rechtfertigt hier auch eine gewisse Heizungsunterstützung. Zudem reduziert sie auch die Laufzeit der Feuerungen im Sommer. Unverglaste thermische Kunststoff- und Asphaltkollektoren dürften künftig auch vermehrt zur Regeneration von Erdsonden eingesetzt werden.
4. Vergleich Speicherkosten thermisch und elektrisch
Speicherbedarf
Bisher übergeben die meisten PV-Anlagen das Speicherproblem dem Netz, womit es für den Anlagenbetreiber gelöst ist. Aus Sicht des Energieversorgers ist die Verwendung des Netzes zum Lastausgleich noch so lange problemlos, als die gesamte Rücklieferleistung während der Sonnenstunden am wolkenlosen Tag den Bezug des Lokalnetzes nicht überschreitet. Sonst muss er die Überschussleistung an das übergeordnete Netz zurück liefern, in dem der Bedarf bei solchen Bedingungen klein sein wird.
Durch Speicherung des Überschusses tags für die Nacht und bis zum nächsten Tag kann der Anlagenbetreiber einen höheren Anteil der Produktion selbst verwenden und der Netzbetreiber kann Rücklieferungen an das übergeordnete Netz bis zu weit höherer PV-Leistung in seinem Netz vermeiden.
Gratis verfügbare thermische Speichermasse
Ein Teil des Überschusses während der Sonnenstunden kann mit Wärmepumpen wie mit thermischen Solaranlagen in der Gebäudemasse und dem Warmwasserbehälter gespeichert werden. Dazu werden bei Energieüberschuss die Solltemperaturen erhöht.
Zur Nutzung der Gebäudemasse als kostenlosen Kurzzeitspeicher mit PV-Anlagen kommunizieren viele Wärmepumpensteuerungen mit dem Wechselrichter über den Standard „SG-ready“. Damit wird die Wärmepumpe bei Sonnenschein bevorzugt in Betrieb gesetzt.
Im Einfamilienhaus mit 200 m2 Wohnfläche und typischer 7-kWp-PV-Anlage lassen sich im Warmwasserbehälter aber nur etwa 10% der Tagesleistung speichern und weitere etwa 30% in der Gebäudemasse.
Heizungs- und WW-Speicher für einen oder mehrere Tage
Soll die Speicherkapazität für WW oder Raumheizung erhöht werden, so ist dies für beide Arten der Solaranlagen mit einem Heisswasserbehälter, für PV aber auch mit einer Batterie möglich. Ein Kostenvergleich ist nicht einfach, weil der Wasserbehälter nur für die Speicherung von Heizungswärme im Winter nutzbar ist, während die Batterie zusätzlich im Sommer den Eigennutzungsanteil an Haushaltstrom erhöht.
Eine Solarbatterie mit der Kapazität eines Tagesbedarfs speichert Strom bei heutigen Preisen zu etwa 15 Rp. pro kWh oder etwa 4 Rp. pro kWh Wärme aus der Wärmepumpe. Kleine Warmwasserspeicher kosten pro kWh ähnlich viel, eine Behältervergrösserung von z.B. 2000 auf 4000 Liter für ein Mehrfamilienhaus ist jedoch 3 bis 4mal günstiger.
Ein Mehrtagesspeicher für eine Wärmepumpenraumheizung wird man also auch dann noch mit einem Warmwasserbehälter statt mit einer Batterie lösen, wenn dieser im Interesse einer guten Leistungsziffer nur mit einer Temperaturdifferenz von 25 statt wie für thermische Solaranlagen mit 50°C genutzt wird. Nur deutlich günstigere Solarbatterien könnten dies wieder ändern.
*Autor: Ruedi Kriesi, Dr. sc. tech., Kriesi Energie GmbH, Wädenswil.
Dieser Artikel basiert auf einer vom AWEL, Baudirektion des Kantons Zürich, finanzierten, im Sommer 2022 durchgeführten Untersuchung.
Zugehöriger Gesamtbericht 8.2022 als PDF: Weshalb Wärmepumpe und Photovoltaik thermische Sonnenkollektoren verdrängen, von Ruedi Kriesi