Zur Wärmedämmung von Fassaden, Dächern und Kellern können Bauherrschaften heute auf eine breite Auswahl von Dämmstoffen zurückgreifen – und es werden immer mehr. Zwar sind die gelben Dämmplatten aus mineralischer Glaswolle immer noch weit verbreitet, ebenfalls Dämmplatten aus EPS (Styropor) oder andere Produkte aus geschäumtem Kunststoff wie PUR oder XPS. Immer häufiger fällt der Entscheid aber auch auf nachhaltige Produkte, beispielsweise organische Dämmstoffe aus Holzfaser, Hanf oder Zellulose. Jeder dieser Baustoffe hat seine Vor- und Nachteile bezüglich Wärmedämmung, Brandschutz, Dampfverhalten sowie Hitze- und Feuchtigkeitsschutz.
Eine noch junge Angebotsklasse sind Dämmstoffe aus Aerogel. Sie bestehen aus hochporösen Festkörpern, die Wärme sehr wirkungsvoll dämmen. Haben herkömmliche Gebäudedämmungen zur Erreichung des Minergie-Effizienzstandards eine Stärke von 20 bis 40 cm, erreicht Aerogel die gleiche Dämmwirkung mit nur rund 10 cm Stärke. Die Kehrseite: Aerogel ist teurer als andere Dämmstoffe. Damit das Dämmmaterial wettbewerbsfähig wird, sind neue Ideen gefragt. Vor diesem Hintergrund arbeitet das ETH-Spin-off Aeroskin Tech AG (in Au ZH) an einem Aerogel-Dämmputz, der sich mit einem Sprühgerät auf Fassaden auftragen lässt. Sowohl die innovative Rezeptur als auch das Auftragen mittels Sprühgerät versprechen für den Aerogel-Dämmputz ein interessantes Kostensenkungspotenzial.
Einjähriger Robustheitstest
In einem Projekt wurde dieser Sprühputz nun zusammen mit einem zweiten Aerogel-Dämmputz praktisch erprobt. Partner des Projekts war die Agitec AG, unterstützt wurde es unter anderem vom Pilot- und Demonstrationsprogramm des BFE. «Dieses Pilotprojekt ist von grossem Interesse für alle Arten von Aerogel-Putzen, denn es ging der Frage nach, wie man den innovativen Putz am besten auf die Fassade aufbringt und welche Zusatzstoffe geeignet sind, Robustheit und Langlebigkeit des Putzes zu verbessern und damit die Voraussetzung für eine Markteinführung zu schaffen», sagt Men Wirz, der für das P+D-Programm des BFE mitverantwortlich ist.
Im Rahmen des Pilotprojekts wurden die beiden Aerogel-Dämmputze einem einjährigen Testprogramm unterzogen. Einer der Aerogel-Putze wurde bei der Renovierung einer Villa in Lenzerheide auf einer 40 Quadratmeter grossen Fassade aufgetragen. Parallel dazu errichteten die beteiligten Wissenschafter einen Testaufbau für ein umfangreiches Monitoringprogramm, bei dem die beiden Dämmputze auf zwei unterschiedlichen Fassadentypen (Tonziegel, poröser Beton) aufgebracht wurden, jeweils einmal mit und einmal ohne Beschichtung des Untergrunds (siehe unten). Alle Dämmputz-Proben wurden während eines Jahres wissenschaftlich beobachtet, um Robustheit und Beständigkeit der Dämmputze zu beurteilen. Der Projekt-Schlussbericht zieht eine positive Bilanz: «Die Ergebnisse zeigen, dass das neu vorgeschlagene Fassadensystem auf der Basis von Aerogel-Dämmputzen eine erhebliche Verbesserung der mechanischen Stabilität und der langfristigen Haltbarkeit bietet.»
Grundierung macht Aerogel-Putz robuster
Das Ergebnis ist nicht selbstverständlich. Aerogel-Dämmputze bestehen aus Aerogel-Granulat, dessen Komponenten durch ein mineralisches Bindemittel verbunden werden müssen. Das Mischungsverhältnis ist eine Gratwanderung, denn je höher der Granulatanteil der Mischung, desto besser die Dämmwirkung – und desto höher die Gefahr, dass der Putz mit der Zeit brüchig wird. Es gibt frühere Beispiele von Aerogel-Dämmputzen, die mittelfristig starke Rissbildung aufwiesen, chemisch schrumpften und sich in der Folge vom Untergrund ablösten. Um dies zu vermeiden, wurden im vorliegenden Pilotprojekt die Fassade bzw. Versuchsplatten des Testaufbaus beschichtet, bevor der Dämmputz aufgetragen wurde. Dafür wurde ein Hydrophobierungsmittel aus Silanen/Siloxanen verwendet, welches die Wasserabgabe vom Putz an die Fassade unterbindet. Dadurch wirkt das Hydrophobierungsmittel dem schnellen Austrocknen des mineralischen Bindemittels entgegen, das im Aerogel-Putz enthalten ist, und stärkt damit dessen mechanische Eigenschaften.
Der Einsatz des Hydrophobierungsmittels hat sich in der Testreihe bewährt. Beide untersuchten Aerogel-Dämmputze waren auf einer Unterlage aus Beton bzw. aus Tonziegeln auch nach einem Jahr stabil. Um den Aerogel-Putz zusätzlich zu festigen, wurden im Pilotprojekt mechanische Befestigungen am schützenden Klebemörtel/Einbettungsnetz angebracht. Diese Massnahme hat die Robustheit und Haltbarkeit des konstruktiven Systems nach Erkenntnis der Forscherteams zusätzlich verbessert. In einer Vorstudie wurde zudem gezeigt, dass die Beschichtung nicht nur bei Beton- und Tonziegelfassaden eingesetzt werden kann, sondern auch bei Kalksandstein, Naturstein und vier weiteren Untergründen die Absorption von Feuchtigkeit reduziert.
Granulat braucht Bindemittel
Die Kennzahl für die Güte eines Dämmmaterials ist die Wärmeleitfähigkeit «Lambda» (λ), ausgedrückt in Watt pro Meter und Kelvin (W/m·K). Je kleiner dieser Wert, desto besser dämmt ein Baustoff. Mineralwolle hat im besten Fall eine Wärmeleitfähigkeit von 0.032 W/m·K, bei den besten verfügbaren Aerogel-Dämmstoffen ist der Wert nur halb so hoch (0.015 – 0.017 W/m·K).
Das Aerogel-Granulat, aus dem Dämmputze hergestellt werden, hat eine sehr tiefe Wärmeleitfähigkeit von nur gerade 0.013 W/m·K. Will man daraus einen Dämmputz herstellen, braucht es allerdings ein mineralisches Bindemittel. Dieses verschlechtert die Wärmedämmung des Granulats. Die besten aktuell verfügbaren Aerogel-Dämmputze haben eine Wärmeleitfähigkeit von 0.028 W/m·K. Die Forschung arbeitet daran, diesen Wert durch Einsatz neuer bzw. besserer Bindemittel zu senken, um das Potenzial von Aerogel in Dämmputzen noch besser nutzen zu können.
Tiefere Arbeitskosten
Daniel Sanz Pont, der einen der beiden Aerogel-Dämmputze mit seiner Firma Aeroskin Tech AG entwickelt, will den Dämmputz technisch weiter optimieren und mittelfristig auf den Markt bringen. Der Unternehmer, der parallel an der ETH Zürich angehende Bauingenieure ausbildet, ist überzeugt, dass Aerogel-Dämmputze in naher Zukunft wettbewerbsfähig sein werden. «Die Mehrkosten für das Aerogel-Granulat werden dann wettgemacht durch die Einsparung bei den Arbeitskosten für das Auftragen des Putzes», sagt der Materialwissenschaftler, der an der Polytechnischen Universität von Madrid und an der ETH Zürich promovierte, bevor er an der ETH Zürich den neuartigen Dämmputz als wissenschaftlicher Mitarbeiter entwickelte.
Im Zusammenhang mit dem BFE-Pilotprojekt wurde das Online-Tool swissaerogel.ch entwickelt, mit dem die Kosten für Sanierungen mit unterschiedlichen Dämmstoffen abgeschätzt und verglichen werden können. Die Berechnungen zeigen, dass Sanierungslösungen mit Aerogel-Dämmputz schon heute nur rund 6 bis 12 Prozent teurer sind als herkömmliche Dämmlösungen, wenn man alle Kostenfaktoren berücksichtigt. ■
swissaerogel.ch
Der englischsprachige Schlussbericht zum Projekt «Machbarkeit von Aerogel-Hochleistungsdämmputzsystemen» ist abrufbar unter aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=48737
Auskünfte zum Thema erteilen Men Wirz (men.wirz@bfe.admin.ch), Co-Verantwortlicher des Pilot- und Demonstrationsprogramms des BFE, und Nadège Vetterli (nadege.vetterli@anex.ch), externe Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Gebäude und Städte.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Gebäude und Städte findet man unter bfe.admin.ch/ec-gebaeude
Pilot- und Demonstrationsprojekte des BFE
Das im Haupttext vorgestellte Projekt wurde vom Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie (BFE) unterstützt. Mit dem Programm fördert das BFE die Entwicklung und Erprobung von innovativen Technologien, Lösungen und Ansätzen, die einen wesentlichen Beitrag zur Energieeffizienz oder der Nutzung erneuerbarer Energien leisten. Gesuche um Finanzhilfe können jederzeit eingereicht werden. Weitere Unterstützung leistete die Klimastiftung Schweiz.
bfe.admin.ch/pilotdemonstration