Stromerzeugung

Quelle: Rüdiger Sellin.

Heimisch und CO2-neutral

Die Stromerzeugung hat im Alpenland Schweiz eine lange Tradition. Während dieser Zeit ändern sich die Randbedingungen laufend, ob rechtlich, finanziell oder seitens des Umweltschutzes. Dabei wäre die Schweiz ohne die heimische Wasserkraft schnell funktionsuntüchtig.

Mit einem Anteil von rund 57 % ist die Wasserkraft in der schweizerischen Energieproduktion bedeutend. Dabei spielen die Speicherkraftwerke eine wichtige Rolle zur kurzfristigen und bedarfsgerechten Energiespeicherung und -bereitstellung, aber auch für die Umlagerung der Stromerzeugung vom Sommerhalbjahr (Stromüberschuss) in das Winterhalbjahr (Strommangel). Dank der Speichermöglichkeiten spielt die Schweiz als Spitzenstromlieferant auch im europäischen Netzverbund eine zentrale Rolle. Die Wasserkraft ist unsere wichtigste einheimische, CO2-freie Energiequelle.

 

CO2-neutral

Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz mit ihrem Wasserkraftanteil an der Stromerzeugung hinter Norwegen, Österreich und Island an vierter Stelle. Dazu leisten nicht nur Anlagen an Staumauern in den Alpen, sondern auch zahlreiche Flusskraftwerke einen grossen Beitrag. Der gesamte Kraftwerkspark der Schweiz besteht zurzeit aus 682 Zentralen (Leistung ab Generator von mindestens 300 kW) mit einer maximalen Leistung von 15550 MW (Generator) und einer jährlichen Produktionskapazität von 37172 GWh.

Die Statistik der Wasserkraftanlagen der Schweiz (WASTA) erfasst nur Zentralen mit einer Leistung ab Generator mit mehr als 300 kW. Darin werden vier Kraftwerktypen unterschieden:

  • Laufkraftwerke (4'201 MW, 17'950 GWh/p.a.)
  • Speicherkraftwerke (8'224 MW, 17'661 GWh/p.a.)
  • Pumpspeicherkraftwerke (2'562 MW, 1'560 GWh/p.a.)
  • Reine Umwälzwerke (562 MW/p.a.).

Zu den Haupteinzugsgebieten der Laufkraftwerke gehören der Rhein inklusive der Zuflüsse Aare, Reuss und Limmat sowie die Rhone. Allein an diesen Flüssen befinden sich insgesamt rund 600 kleinere und grössere Kraftwerkszentralen.

Alle Wasserkraftwerke nutzen die kinetische Energie fliessenden Wassers, das durch eine Turbine im Inneren des Wasserkraftwerks geleitet wird. Die Turbine dreht unter dem Druck des Wassers und gibt ihre Bewegungsenergie an einen Generator weiter, der sie in elektrische Energie umwandelt und damit Strom erzeugt. Unter kinetischer Energie versteht man die Energie, die durch die Bewegung eines Körpers freigesetzt wird (griechisch kinesis = Bewegung). Die Energiemenge hängt von der Masse und der Geschwindigkeit des bewegten Körpers ab bzw. im Kontext der Wasserkraft davon, welche Wassermassen wie schnell bewegt werden.

 

Kraftwerkstypen

In der Schweiz gibt es drei Typen von Wasserkraftwerken:

  • Laufwasserkraftwerke sind der einfachste Typ eines Wasserkraftwerks. Sie werden bevorzugt an Flüssen mit hoher Fliessgeschwindigkeit und grossen Wasserdurchfluss gebaut und nutzen deren Fliessbewegung. Mit Hilfe eines Staudamms wird Wasser in einem Stauraum zurückgehalten. Beim Abfliessen des Wassers wird die durch Bewegung entstandene Energie auf eine Turbine übertragen. Laufwasserkraftwerke liefern rund um die Uhr Strom, sind allerdings nicht regulierbar, weshalb der erzeugte Strom für die Grundlast verwendet wird. Dies ist die Strommenge, die täglich auf jeden Fall bereitzustellen ist.
  • Bei Speicherkraftwerken wird Wasser in einem See oder Becken gestaut und kontrolliert durch Röhren nach unten ins eigentliche Kraftwerk geleitet. Sie haben üblicherweise eine deutlich höhere Leistung als Laufwasserkraftwerke und lassen sich vor allem gut regulieren. Bei Strombedarf werden die Röhren für das fliessende Wasser geöffnet und über eine stabile Druckwasserleitung zu den Turbinen geleitet. Anschliessend gelangt das Wasser in einen niedriger gelegenen See oder einen breiten Flusslauf. Die so erzeugte Energie wird bei erhöhtem Energiebedarf, beim plötzlichen Ausfall anderer Kraftwerke oder wetterbedingten Stromlücken (Solarstrom oder Windenergie) genutzt.
  • Pumpspeicherkraftwerke sind eine andere Form von Speicherkraftwerken. Wenn durch die Wassermassen potenziell mehr Strom erzeugt als abgenommen wird, kann man das Wasser aus dem niedriger gelegenen See oder aus einem unterirdischen Speicherreservoir wieder in den oben gelegenen Speichersee pumpen und wird bei Bedarf erneut durch die Turbine geleitet. Die gewonnene elektrische Energie geht grösstenteils nicht verloren, sondern wird in kinetische Energie zurückverwandelt. Im Schweizer Stromnetz sind Pumpspeicherwerke gemäss Swissgrid die grössten einzelnen Stromverbraucher – nämlich genau dann, wenn Wasser gepumpt wird.

In Küstennähe gibt es noch Gezeitenkraftwerke, welche das Energiepotenzial der Meerbewegung bei Ebbe und Flut nutzen. Auch hier wandeln Turbinen die kinetische Energie über Generatoren in elektrische Energie um.

 

Grossanlagen

Bei den Grossanlagen treten die beiden Gebirgskantone Wallis und Graubünden als grösste Produzenten auf, die zusammen mit rund 18,3 TWh/p.a. beinahe die Hälfte der Wasserkraftproduktion ausweisen. Aber auch die Kantone Bern und Tessin leisten mit ihren Speicherkraftwerken einen namhaften Beitrag zur nationalen Stromversorgung, ob am Grimsel (Kraftwerke Oberhasli/KWO) oder am Lago di Vogorno (Verzasca SA/Gordola).

Anlagen mit einer mittleren Bruttoleistung von mehr als 10 MW werden als Grosswasserkraftanlage erfasst und erzeugen einen Anteil von rund 85% der gesamtschweizerischen Wasserkraftproduktion. Das Glanzstück aller Anlagen ist die Grande-Dixence im Unterwallis als höchste Gewichtsstaumauer der Welt. Sie wurde von 1951 bis 1961 auf 2364 m ü. M. und 17 km südlich der Kantonshauptstadt Sion erstellt. Dabei wurden rund 15 Mio. Tonnen Beton verbaut.

Die gesamte Anlage besteht aus einem ausgeklügelten System aus mehreren Staumauern und Pumpspeicherwerken. 75 Wasserfassungen sammeln rund 400 Mio. m3 Wasser aus 35 Walliser Gletschern. Das Stauwasser speist die Kraftwerke Fionnay, Nendaz und Bieidron. Die Produktion von über 2 TWh entspricht 1/5 der Speicherenergie der Schweiz. Betreiberin ist die Grande Dixence SA, an welcher über zwei Dutzend Stromerzeuger der Schweiz beteiligt sind (u.a. Alpiq und BKW).

Grossanlagen greifen sichtbar in das Landschaftsbild ein und sind heute kaum mehr durchsetzbar. Gleichwohl leisten sie seit nunmehr über 100 Jahren einen zentralen Beitrag an unsere Stromversorgung, der in der öffentlichen Wahrnehmung aber eher bekämpft statt honoriert wird, ob bei Um-, Neubauten oder Erweiterungen. Dazu bieten Kleinwasserkraftwerke mit einer mittleren Bruttoleistung von bis zu 10 MW eine Alternative.

 

Rechtliche Situation

Für das Recht, an einem Standort die Wasserkraft des öffentlichen Gewässers exklusiv nutzen zu dürfen, wird eine Konzession erteilt. Dabei hat der Konzessionär dem konzessionsgebenden Gemeinwesen ein jährliches Entgelt zu entrichten. Dieser s.g. Wasserzins wird von den Kantonen innerhalb der bundesrechtlichen Schranken festgelegt (Art. 76 Abs. 4 der Bundesverfassung). Er ist ein Dauerthema bei der Nutzung der Wasserkraft, und es gab immer wieder Bestrebungen, ihn abzuschaffen, was stets von einem breiten Echo begleitet wird. Die Kraftwerksbetreiber argumentierten, dass der Wasserzins ihre Rendite schmälert, während die betroffenen Regionen ihn fest in ihre Budgets einbauen. Besonders in wirtschaftsarmen Randregionen der Alpen ist er von hoher Bedeutung.

Das Parlament hat das bundesrechtliche Wasserzinsmaximum seit dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes vom 22. Dezember 1916 (WRG) mehrfach erhöht. Es beträgt seit 2015 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung (Fr./kWbr) und gilt bis Ende 2024. Für die Zeit ab dem Jahr 2025 hat der Bundesrat der Bundesversammlung rechtzeitig einen Erlassentwurf für die Festlegung des Wasserzinsmaximums zu unterbreiten (Artikel 49 Absatz 1bis WRG).

Wasserkraftwerke mit bis zu 1 MW Bruttoleistung sind von der Zahlung eines Wasserzinses befreit. Bei Bruttoleistungen zwischen 1 und 2 MW ist höchstens ein linearer Anstieg bis zu dem im WRG festgesetzten Maximum zulässig. Ab einer Bruttoleistung von 2 MW gilt das im WRG festgesetzte Maximum. Die mittlere Bruttoleistung wird gemäss Wasserzinsverordnung aus den nutzbaren Wassermengen und den nutzbaren Gefällen berechnet. Die mittlere Bruttoleistung eines Wasserkraftwerkes entspricht nicht der installierten Leistung zur Stromproduktion, weil die mittlere Bruttoleistung in der Regel tiefer ist.

 

Dauerthema Wasserzins

Neben gesetzlichen Regelungen spielen für die Kraftwerksbetreiber auch wirtschaftliche Überlegungen eine zentrale Rolle. Denn das durch (bei Grosswasserkraftwerken überaus) hohe Investitionen blockierte Kapital ist wegen der langen Konzessionsdauer (meist 80 Jahre) auf lange Zeit gebunden. Somit freut der Wasserzins zwar die Konzessionsgeber (Kantone und Gemeinden), ärgert aber auch die Konzessionsnehmer. Dazu schreibt der Wirtschaftsverband Avenir Suisse:

«Investitionen in die Wasserkraft sind – im Gegensatz zum politisch geforderten Ausbau – wirtschaftlich offenbar wenig attraktiv. Grosser Anteil daran hat der seit über hundert Jahren erhobene Wasserzins. Er ist der grösste Kostenblock und macht bis zu einem Drittel der Produktionsausgaben aus. Doch statt einer grundlegenden Reform, um die Wasserkraft kompetitiver zu machen, wurde die rechtliche Grundlage auf Druck der Bergkantone nicht nur verlängert, sondern der Abgabesatz wurde auch stetig erhöht. Inzwischen fliessen jährlich rund 550 Mio. Fr. an Wasserzinsen an die Standortkantone und -gemeinden. Unabhängig davon, ob effektiv Strom produziert wird und zu welchem Preis dieser auf dem Markt verkauft werden kann.»

Avenir Suisse spricht gar von einer «Alpen-OPEC», welche dafür sorgt, dass die Energie- durch die Regionalpolitik abgelöst werde. Sie kritisiert, dass die Einnahmen aus dem Wasserzins bei Festlegung des nationalen Finanzausgleichs nicht berücksichtigt werden. «Man rechnet sich also künstlich arm, um mehr aus dem nationalen Finanzausgleich zu erhalten». Zudem hätten die bundesrätlichen Beschlüsse zur Erhöhung der Restwassermengen die Situation weiter verschärft. «Dies vermindert die Menge des turbinierbaren Wassers – der Wasserzins bleibt aber gleich hoch». Damit würden der Wasserkraft weitere Steine in den Weg gelegt, kritisiert der Verband.