Smart Home

(Foto: iStock.com)

Haustech 6/2018

Express oder Regionalzug?

Smart Home ist im Kommen – das bestätigen verschiedene Studien und jüngst auch eine Befragung aus Deutschland. Aber es gibt auch Bremsfaktoren.

In einem sind sich die Experten jedenfalls weitgehend einig: Im Vordergrund muss der Nutzen stehen.

«Der Smart-Home-Zug fährt – aber noch nicht im Expresstempo.» Zu diesem Schluss kommt eine Befragung, die das Wirtschafsprüfungsunternehmen Deloitte im Februar dieses Jahres bei 2000 Konsumenten in Deutschland durchgeführt hat. Die Verbreitung von Smart-Home-Komponenten sei im Vergleich zu einer früheren Befragung aus dem Jahr 2015 nennenswert gestiegen und das Konsumenteninteresse beträchtlich, und die bisherigen Nutzererfahrungen seien ebenfalls positiv.

Die Autoren der Studie stellen in den vergangenen drei Jahren signifikante Zuwächse bei zahlreichen Gerätekategorien fest, dämpfen jedoch auch allzu euphorische Erwartungen. So sei unter anderem die Struktur des Smart-Home-Markts noch unklar, es fehle eine Bereitschaft zum Teilen von Nutzungsdaten, und geschlossene Systeme würden weitgehend abgelehnt.

Brücke zum Anwender

Gerade dieser letzte Punkt ist für Christian Moser von zentraler Bedeutung. Er spricht aus Erfahrung, tüftelt er doch seit vielen Jahren in diesem Bereich und hat im Jahr 2016 das Start-up Hubware gegründet, mit dem er die Smart-Home-Systeme «Sarah» und «Sven» auf den Markt gebracht hat. Das Unternehmen hat es sich auf die Fahne geschrieben, eine Brücke zwischen verschiedenen Technologien und dem Anwender zu schlagen.

Für Christian Moser ist es wichtig, das intelligente Gebäude als Ganzes zu sehen. «Smart Home beginnt nicht erst bei IoT-fähigen Zwischensteckern oder der steuerbaren RGB-Glühbirne.» Geschlossenen Architekturen will er mit seinem Start-up entgegenhalten, indem er möglichst viele Produkte mit entsprechenden Schnittstellen in das System integriert. Entscheidend ist für ihn, bei einem Bauprojekt nicht nur Architekten und Planer, sondern auch den Smart-Home-Integrator mit an Bord zu nehmen. Moser ist überzeugt, dass sich Smart Home rasant vom einmaligen Projekt zum nachhaltigen Produkt entwickelt – und da darf niemand den Zug verpassen. «Heute baut man Smart-Home-Appartments, um sich zu differenzieren, in einigen Jahren tut man dies, um überhaupt noch mithalten zu können.»

Christian Moser verweist aber auch darauf, dass Smart Home keine neuzeitliche Entwicklung ist. Tatsächlich werden Gebäude schon seit über 20 Jahren mit Feldbussystemen wie KNX automatisiert. Diese Systeme mit langem Lebenszyklus zusammenzubringen mit der eher kurzlebigen Internet-of-Things-Technologie, sieht Moser als eine der grossen Herausforderungen. «Hier sind wir gefordert, immer wieder nachzulegen, sodass das Smart Home kompatibel bleibt mit den Bedürfnissen des jeweiligen Benutzers.»

Komfort und Energieeffizienz

Szenenwechsel vom kleinen Start-up zum internationalen Schweizer Grossunternehmen. Auch ABB entwickelt bereits seit mehreren Jahrzehnten KNX-Produkte und vernetzt diese mit den neuen digitalen Technologien. «Unsere Lösungen machen Gebäude intelligent, energieeffizient und umweltfreundlich», sagt Marco Savia, Produktmarketing-Spezialist KNX/Meters bei ABB Schweiz. «Sie helfen den Bewohnern und Nutzern nicht nur, den Energieverbrauch zu senken, sondern erhöhen zugleich auch den Komfort.» Mit dem Gebäudeautomationssystem «ABB free@home» hat das Unternehmen eine entsprechende Lösung auf dem Markt. Die intelligente Haussteuerung ist speziell auf die Bedürfnisse smarter Wohnprojekte zugeschnitten, sowohl für Neubau als auch für Renovierungsprojekte. Ausserdem ist das Unternehmen derzeit daran, weitere Angebote in den Bereichen Energieeffizienz, Energiemanagement, Solar-Eigenproduktion, Elektrofahrzeug-Infrastruktur sowie Wohnen im Alter zu entwickeln.

«Wir spüren eine steigende Nachfrage nach unseren Lösungen», sagt Savia. «Wie im übrigen Europa dürfte auch in der Schweiz in den kommenden Jahren ein starkes Wachstum im Bereich Smart Home stattfinden.» Er verweist dabei auf eine Studie von Berg Insight, wonach das Marktvolumen in Europa jährlich um 49 Prozent wachse und bis 2021 einen Wert von rund 20 Milliarden Euro erreiche. «Die Branche hat das erkannt und richtet sich darauf aus», sagt Savia. Allerdings sei hierfür die Ausbildung entsprechender Fachkräfte unerlässlich.

Marco Savia ist überzeugt, dass mittel- und längerfristig kein Weg am intelligenten Haus vorbeiführt. «Im Zeitalter der Digitalisierung sollte sich jede und jeder bei einem Bauvorhaben ernsthaft Gedanken über die Verwendung eines Smart-Home-Systems machen», sagt er. Die Quintessenz formuliert er als rhetorische Frage: «Wie attraktiv ist in wenigen Jahren ein Bauobjekt, das kein smartes Hausautomationssystem beinhaltet?»

Information notwendig

Gerade hierzulande gibt es da aber noch einen gewichtigen Bremsfaktor. Denn die Schweiz ist bekanntlich ein Volk von Mietern. Ein grosser Teil der Menschen besitzt also die Immobilie, in der sie lebt oder arbeitet, nicht selbst und kann so auch keinen Einfluss auf den Bau nehmen. Umgekehrt gibt es für den Immobilienbesitzer vordergründig keine Motivation, für seine Mietobjekte in teure Smart-Home-Infrastruktur zu investieren.

Allerdings ist das zu kurz gedacht. «Für den Immobilienbesitzer ist es einfacher, die Wohnungen zu vermieten, wenn er sie mit Smart Home ausstattet», sagt Philipp Herzog, Verkaufsingenieur für KNX-Produkte bei Siemens, der kürzlich zusammen mit der St. Galler Firma Eibrom im Rheintal eine Überbauung mit smarten KNX-Mietwohnungen realisiert hat. «Die Smart-Home-Wohnungen sind auf dem neusten Stand der Technik, sparen Energie, sind komfortabel zu bedienen und geben der Liegenschaft einen coolen und modernen Touch.» So könne man den Nutzen für die Mieter in den Vordergrund stellen. «Die Anforderungen an eine smarte Mietwohnung im Vergleich zu Eigentumswohnung sind ähnlich», sagt Herzog. «Man will intelligente Lösungen, die die Kosten senken und Energieeinsparungen bringen.» Der Unterschied bestehe jedoch darin, dass bei den Eigentumswohnungen der Eigentümer seine Wünsche einbringen und so auch die Funktionen bestimmen könne, während der Mieter keinen Einfluss hat und ein «fertiges» Smart Home erhält.

Auch Herzog bestätigt eine wachsende Nachfrage im Bereich Smart Home, stellt aber auch fest, dass noch viel Informationsbedarf bei Endkunden, Investoren, Planern und Installateuren vorhanden ist. «Am Schluss steht und fällt ein Projekt 
mit ‹Smart Home› mit der Beratung für 
den Immobilienbesitzer, und dies von 
allen Seiten: Planung, Integration, Produkteauswahl und Installation», resümiert Herzog. «Smart Home muss von Anfang an bei einem Neu- oder Umbau ein Thema sein.» So könne sichergestellt werden, dass für jedes Objekt die richtige Lösung angeboten werde – also die Wünsche des Bauherrn, Funktionen, Preis und Produkte.

Potenzial für Instandhaltung

Nicht nur auf Seiten der Wirtschaft, auch auf Seiten der Forschung ist derzeit einiges in Bewegung im Bereich Smart Home. So zum Beispiel im DFAB House (s. Box), einem Modul des NEST-Gebäudes von Empa und Eawag in Dübendorf. In baulicher Hinsicht handelt sich um das weltweit erste Haus, das im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) Digitale Fabrikation mit digitalen Prozessen entworfen, geplant und gebaut wird. Derzeit wird der Bau fertiggestellt. In einer nächsten Phase sollen auch die Themen Smart Home und Internet of Things bewirtschaftet werden, wie Enrico Marchesi, Innovationsmanager der Empa, erklärt. «Dabei untersuchen wir in Zusammenarbeit mit mehreren Wirtschaftspartnern einerseits, wie die Benutzer mit dem neuen System interagieren», führt er aus. «Andererseits aber auch, wie die unterschiedlichen Geräte und Softwareinstanzen miteinander arbeiten.»

Dabei geht es gemäss Marchesi insbesondere darum, Mehrwerte für den Nutzer zu identifizieren – beispielsweise im Bereich des Unterhaltungs- und Instandhaltungsservices, bei dessen Planung nach klassischer Methode viel Geld 
verloren geht. «Es ist ein bisschen wie beim Marketing: 50 Prozent des Geldes werden fehlinvestiert – nur weiss niemand im Vornherein, welche 50 Prozent.» Mithilfe von Sensoren wird es nun aber möglich, Daten zu sammeln, mit deren Hilfe die künstliche Intelligenz präziser vorausschauen kann, wann und wo Wartungsarbeiten möglich werden. Die Möglichkeiten dieser sogenannten «Preventive Maintenance» sollen im DFAB House ebenfalls erprobt werden im Hinblick auf die wartungsintensiven Lüftungssysteme.

Mehrwert als Schlüssel

Vergleicht man die Experteneinschätzungen zum Thema Smart Home, so taucht dabei immer wieder ein Begriff auf: 
der Mehrwert. Letztendlich sind sich alle Experten einig, dass Smart Home erst dann sinnvoll ist, wenn ein solcher für 
den Nutzer gegeben ist. «Sobald ich mich als User damit auseinandersetzen soll, 
was ich kaufen oder installieren soll, 
bin ich im falschen Film», fasst Enrico Marchesi die Problematik zusammen. 
Lösungen zu entwickeln, die dem 
Benutzer diese Entscheidungsarbeit abnehmen, sieht der Empa-Innovationsmanager als vielversprechendes Geschäftsmodell.

Einigkeit herrscht bei den Experten auch dahingehend, dass der Smart-Home-Markt in Bewegung ist. In welche Richtung, das ist derzeit allerdings noch schwierig abzuschätzen. Auf den Punkt bringt es Christian Moser, der – bezugnehmend auf die Deloitte-Studie – zwar bestätigt, dass der Smart-Home-Zug an Fahrt aufgenommen habe. «Allerdings ist der Zielbahnhof noch nicht gewiss», so der Start-up-Unternehmer. «Und dies erschwert den Ticketverkauf.»