Rund zwanzig Leute hatten sich auf Einladung der Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute (VSSH) an der Hochschule Luzern (HSLU) in Horw eingefunden, um Wissenswertes und Aktuelles über die Herausforderungen in der Trinkwasserhygiene in Gebäuden zu erfahren. @F.Lipp

VSSH

Trinkwasserhygiene im Gebäude

Ihre letzte À-Jour-Veranstaltung im Jahr 2019 hat die Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute (VSSH) zusammen mit der Hochschule Luzern (HSLU) in Horw durchgeführt. Dabei standen die Herausforderungen in der Trinkwasserhygiene im Mittelpunkt. Zu dieser Thematik führt die HSLU auch einen zweitägigen Weiterbildungskurs (WBK) an der Hochschule durch.

Mit der Revision des Lebensmittelgesetzes sowie der Einführung der Trink-, Bade- und Duschwasser-Verordnung (TBDV) im Mai 2017 rückt die Trinkwasserqualität im Gebäude auch in der Schweiz zunehmend in den Fokus. Gleichzeitig stellen gegenwärtige Trends wie verdichtetes Bauen, verbesserte Dämmungen von Gebäuden, ein verändertes Nutzerverhalten, Energie- und Wassereinsparungen in Kombination mit einer Zunahme der Pflege im häuslichen Umfeld neue Herausforderungen an die Trinkwasserverteilung im Gebäude. Um diesen Trends zu begegnen, ist es wichtig, den aktuellen Wissensstand zu den Punkten Trinkwasserchemie und -mikrobiologie, Gesetzes-, Normen- und Richtlinienwesen sowie zu einem optimalen Anlagenbetrieb in die Praxis zu transferieren. Aus diesen Gründen führt die Hochschule Luzern (HSLU) in Horw einen zweitägigen Weiterbildungskurs (WBK) zum Thema «Trinkwasserhygiene im Gebäude» durch. In diesem Jahr wurden bereits zwei Kurse durchgeführt. Im 2020 sind weitere WBK geplant (vgl. Kasten). Die Vereinigung Schweizerischer Sanitär- und Heizungsfachleute (VSSH) ist Partner dieses WBK. Zu diesem Thema wurde kürzlich die dritte À-Jour-Tagung in diesem Jahr durchgeführt. Die Teilnehmer erfuhren konzentriert die Lernziele und Inhalte dieser Kurse. Die Dozenten gaben einen allgemein verständlichen Einblick in die Mikrobiologie und die Problematik in der Kalt- und Warmwasserversorgung.

Keine Raketenforschung

Stefan Kötzsch von der HSLU brachte in seinem Vortrag den Teilnehmern der Veranstaltung die Mikrobiologie näher. Er gab gleich zu Beginn seines Vortrags Entwarnung und nannte die normale Bakterienkonzentrationen im Wasser: «Der Grossteil der Bakterienarten ist für den Menschen nicht gefährlich. Im Gegenteil, sie sind nützlich und notwendig. In der Wasserphase sind 103 bis 105 ­Bakterien/mL, in der Biofilmphase sind es 104 bis 107 Bakterien/cm2. Das heisst: 99 % der Bakterien leben im Biofilm.» Als Krankheitserreger im Trinkwasser gelten u. a. die Legionellen, die weltweit in Oberflächen­gewässern, Böden und in technischen Wassersystemen verbreitet sind. Sie können durch Aufbereitungs- und normale Desinfektionsverfahren nicht 100-%ig vermieden werden und sind fester Bestandteil der natürlichen mikrobiellen Gesellschaft. «Von Legionellen sind aktuell 60 Arten und 79 Serogruppen bekannt», sagte Kötzsch. «Ca. 90 % der Infektionen werden durch Legionella pneumophila ausgelöst. Für sein Wachstum in technischen Systemen sind mehrere Faktoren massgebend: Stagnation, Temperatur, heterogener Biofilm, Amöben (Einzeller) und Material.»

Der Temperaturbereich, in dem sich Legionellen sehr gut vermehren können, reicht von 25 °C bis 45 °C. Bevorzugt werden Warmwassersysteme, aber auch im Kaltwasser können sie aufwachsen. In verschiedenen Studien wurden Legionellen im Temperaturbereich von 6 °C bis 66 °C nachgewiesen. Eine Legionellen-Infektion (Legionellose) kann zum sogenannten Pontiac-Fieber oder einer Pneumonie (Legionärskrankheit) führen, wobei letztere in 3% bis 33% der Fälle tödlich endet. In beiden Fällen geschieht die Infektion durch das Einatmen/Inhalieren von lungengängigen Aerosolen, die Legionellen enthalten. «2018 wurden in der Schweiz 567 Legionellose-Fälle gemeldet», so Kötzsch. «Es wird von einer starken Unterfassung der Fälle ausgegangen. Im europäischen Vergleich weist die Schweiz allerdings eine drei Mal höhere Melderate auf. Wir wissen nicht, warum das so ist. Zudem bildet sich weltweit eine steigende Tendenz ab.» Wichtig sei aber auch, betonte Kötzsch: «Bei diesem Thema handelt es sich nicht um ‹Raketenforschung›.» Im Wesentlichen könne die Trinkwasserqualität im Gebäude erhalten werden durch:

  • eine qualitativ hochwertige Installation
  • einen regelmässigen Wasseraustausch (jede Entnahmestelle mehrmals pro ­Woche) sowie
  • durch kontinuierlich optimale Temperaturen (Kalt- und Warmwasser):
  • Kaltwasser < 25 °C an der Entnahmestelle
  • Warmwasser > 50 °C an der Entnahme­stelle (opt. 55 °C in Grossbauten).

Eine risikobasierte Planung sei deshalb wichtig. 

Kaltwasser soll kalt bleiben

Cosimo Sandre vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs SVGW, führte in die Problematik in der Kaltwasserversorgung ein. Gesetzliche Grundlagen sind dabei das Lebensmittelgesetz (LMG), die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) sowie die Trink-, Bade- und Duschwasserverordnung (TBDV). Wasser in öffentlich zugänglichen Duschanlagen hat bei Legionella spp. unter 1000 KBE/l (koloniebildende Einheiten pro Liter) zu liegen. Als Grundsätze für eine gute Trinkwasserhygiene stellte Sandre die SVGW W6 (Speicherinhalt mittlerer Tagesbedarf), SVGW W1 (Verweilzeit im Leitungsnetz ca. 48 Stunden), SVGW W3/E3 (bis zum bestimmungsgemässen Betrieb Leitungsinhalt alle 72 Stunden erneuern) sowie die SVGW W5 (Leitungsinhalt idealerweise täglich erneuern oder alle 72 automatisch erneuern) in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.

«Kaltwasser soll kalt bleiben und Stagnation ist zu vermeiden», betonte Sandre und erklärte detailliert, was es zu beachten gilt. Cosimo Sandre erläuterte auch die Druckprüfung gemäss SVGW W3/E3 sowie wichtige Details wie die Flüssigkeitskategorien.

Bereich zwischen 25 und 45 °C schnell durchlaufen

Prof. Reto von Euw von der HSLU gab in seinen Ausführungen zur Problematik in der Warmwasserversorgung wertvolle Einblicke in die Vernehmlassungsversion 2019 der SIA 385/1 und erklärte deren Geltungsbereich: «Die SIA 385/1 gilt für Neuanlagen. Bei Umbauten, Erweiterungen und Sanierungen von bestehenden Anlagen sind die Anforderungen und Empfehlungen im Rahmen des technisch Möglichen einzuhalten. Zusätzlich sind für Spitäler, Alters- und Pflegeheime die einschlägigen Richtlinien zu beachten.» Er bekräftigte auch: Unter 25 °C gibt es kein Legionellenproblem. Die optimale Legionellenvermehrung liegt zwischen 25 und 45 °C. Dieser Bereich ist schnell zu durchlaufen. Zwischen 50 und 55 °C sind die Bakterien lebensfähig, aber nicht vermehrungsfähig. 55 °C ist die mindestens erreichbare Auslegungstemperatur in warmgehaltenen Leitungen, und 58 °C ist die mindestens erreichbare Auslegungstemperatur in Speichern mit warmgehaltenen Leitungen.

Von Euw machte auch eine Auslegeordnung über die empfohlenen Warmwassertemperaturen je nach Anordnung. «Ein eigentliches Umdenken in der Planung wird verlangt», verdeutlichte er. Der Professor zeigte auch schlechte Beispiele von stagnierendem Wasser, wie man es nicht machen sollte: «Wasser muss fliessen.» Er betonte die Vermeidung kritischer Temperaturen (mind. 50 °C an Entnahmestellen mit Warmwasser; warmgehaltene Installationen über 55 °C warmhalten; nicht warmgehaltene Leitungen nach Gebrauch auf unter 25 °C auskühlen; Kaltwasserinstallationen unter 25 °C kalt halten) und die Wichtigkeit, hygienisch unbedenkliche Materialien einzusetzen sowie kein stagnierendes Wasser (< 72 Stunden) zuzulassen.

Als Empfehlungen bei Abwärmenutzung im Trinkwasser nannte von Euw:

  • Schichtladung wählen, keine Stufenladung;
  • Thermische Desinfektion planen und ausführen;
  • Vorwärmvolumen soll täglich erneuert werden;
  • Spitzendeckungsvolumen soll 1-Stunden-Spitzenvolumen entsprechen.

«Hygienisch und energetisch optimierte Planung beginnt bereits in der Planungsphase des Vorprojekts», fasste Reto von Euw zusammen. «Wichtig: Hygienisch optimierte Planung, Ausführung und Betrieb sind Voraussetzungen für eine Temperaturreduktion. Halten Sie sich bezüglich den hygienischen Anforderungen von gebäudetechnischen Anlagen auf dem Laufenden.»

Anschliessend an die Referate sahen die Teilnehmer in einem Laborrundgang die Einrichtungen für die Eruierung des im Kurs vermittelten Wissens. Zum Schluss waren alle zu einem Apéro eingeladen, bei dem über die Herausforderungen in der Trinkwasserhygiene untereinander und mit den anwesenden Dozenten diskutiert werden konnte.

Weitere Informationen:
vssh.ch


 

Neue Kurse im Jahr 2020

Gesetze, Normen und Richtlinien zwingen Planer, Ausführende und Betreiber, sich über die Trinkwasserchemie und -mikrobiologie zu informieren. Nur so können energetisch sinnvolle Wasserversorgungen geplant und betrieben werden, welche den hygienischen Anforderungen gerecht werden.

  • Anmeldeschluss: 2 Wochen vor Kursstart
  • Studienstart: in Planung für 2020
  • Kosten: 800 Franken

Zielgruppe: Der Kurs richtet sich an Fachpersonen aus dem Sanitärbereich und an Gebäudebetreiber. Er bietet aber auch Relevanz für Planer, Bauherren, Berater und Behördenvertreter.

Die VSSH wird auch im Jahr 2020 diese Kurse zusammen mit anderen Berufsverbänden unterstützen.

Weitere Infos:
hslu.ch/de-ch/technik-architektur/weiterbildung/fachkurse/trinkwasserhygiene-im-gebaeude