Die Thermosflasche machts vor: Der heisse Kaffee oder der kühle Eistee lässt sich allein mit einem Luftpolster sehr gut isolieren. Luft bietet einen guten Wärmeschutz. Noch besser wird die Isolation, je mehr die Luft verdünnt wird. Mit einem guten Vakuum kann die thermische Isolierung ohne Weiteres nochmals um einen Faktor 100 verbessert werden. Dank dieser Eigenschaft wird Vakuumisolierung schon lange technisch genutzt, wo eine sehr gute Wärmeisolation gefragt ist. Etwa beim Transport von Flüssiggas oder zur Aufbewahrung von flüssigem Stickstoff in einem Dewar-Gefäss (benannt nach dem gleichnamigen schottischen Physiker, der dieses Vakuumgefäss 1874 erstmals benutzte).
Sparpotential im Gebäudebereich
Die Technologie der Vakuumisolierung ist alt bekannt, die relativ hohen Kosten setzen aber dem Einsatz bisher enge Grenzen. Doch mit dem Wunsch nach besserer Energieeffizienz rücken neue Anwendungsgebiete ins Blickfeld. Eine Studie hatte 2013 Hinweise auf neue Einsatzgebiete geliefert. Die Abschätzung des Einsparpotentials ergab, «dass der verbesserten Isolation von Warmwasserleitungen in Gebäuden eine hohe Bedeutung zukommen könnte». Bei Ausrüstung der Gebäude mit vakuumisolierten Wasserleitungen könnten jährlich theoretisch 1,3 Mio. MWh und durch Ausrüstung der Boiler nochmals 1,2 Mio. MWh Energie eingespart werden, zusammen also 2,5 Mio. MWh, was gut 3% des gesamten Energieverbrauchs der Schweizer Haushalte entspricht.
Ambitioniertes Projekt
Die Warmwassersysteme landesweit mit einer neuen Isoliertechnik auszustatten, ist natürlich ein ambitioniertes Projekt. Doch die Firma Helbling Technik AG sieht hier einen Schatz, den es zu heben gilt. Dabei handelt es sich nicht um Idealisten, sondern um ein Unternehmen mit 350 Mitarbeitern, das im Auftrag von Firmen oder aus eigenem Antrieb innovative Produkte entwickelt. Am Standort Wil SG führt Helbling zurzeit ein vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstütztes Entwicklungsprojekt durch. Ziel des Projekts, das noch bis Mitte 2015 läuft: Die Ingenieure wollen den Nachweis erbringen, dass vakuumisolierte Warmwasserrohre technisch machbar – und ein wirtschaftlicher Einsatz mittelfristig denkbar – ist.
Innovative Dämmtechnik
Vom Bahnhof Wil sind es nur wenige Schritte zur Laborhalle der Helbling AG. Ein Edelstahlrohr liegt waagrecht auf zwei Holzstützen, daneben Messapparaturen. In derselben Labornische ist ein Warmwasserboiler aufgebockt. Rohr wie Boiler sind mit einer doppelten Wand gefertigt, in deren Innern ein Vakuum für eine sehr gute Isolation sorgt. «Wenn es um Energieeffizienz geht, ist die Isolation ein Dauerbrenner. Die Vakuumisolation, die wir erforschen, könnte nach Jahrzehnten der Stagnation wieder einen echten Fortschritt bringen», sagt Dr. Gerhard Staufert, ausgebildeter Maschineningenieur ETH, der früher Professor für Mikrosystemtechnik an der Fachhochschule Buchs SG war und für den Dämmstoffhersteller Sager AG Vakuumdämmplatten erforschte. Mit finanzieller Unterstützung des BFE arbeitet Staufert seit 2007 gemeinsam mit Helbling an der Vakuumspalt-Isolation (VSI). In mehreren Studien haben die Partner seither verschiedene Aspekte der Technologie erforscht, haben Funktionsmuster einer vakuum-isolierten Kaffeemaschine und das Konzept für einen vakuumisolierten Kühlschrank entwickelt. Sie haben auch verschiedene Typen von Distanzhaltern, die nötig sind, um Doppelwände trotz Unter-druck zu stabilisieren, konzipiert und getestet. Mit dem Funktionsmuster eines Boilers konnten die Entwickler die Wärmeverluste bis zu 80% vermindern. Zu den Arbeiten gehörte ferner die oben zitierte Studie, die das Effizienzpotential verschiedenster Anwendungen untersucht und quantifiziert hat.
Einfache und kostengünstige Lösungen
Trotz dieser Vorarbeiten hält die Technologie bis zu einer kommerziellen Anwendung noch etliche Herausforderungen parat. Dabei steht weniger die technische Mach- barkeit im Vordergrund, als vielmehr die Frage, wie die Technologie zu konkurrenzfähigen Kosten angeboten werden kann und wie die Komponenten gefertigt werden müssen, dass die Installateure auf der Baustelle die Warmwasserstränge ohne Spezialgerät installieren können. Die bisherigen Studienergebnisse laufen darauf hinaus, dass für die Innenrohre Edelstahl und für die Aussenrohre Edelstahl, verzinkter Stahl oder Aluminium verwendet werden dürften. Der Einsatz dieser Materialien stellt sicher, dass die Qualität des Vakuums (und damit die thermische Isolation) durch Ausgasen des im Stahl gebundenen Wasserstoffs nicht beeinträchtigt wird. Weitere Tests sollen zeigen, aus welchem Material und in welcher Stärke das Aussenrohr gefertigt werden muss, damit die Materialkosten minimiert werden können. Dabei sind spezielle Messungen nötig, um das Ausgasverhalten potentieller Lösungen zu untersuchen. Eine grosse Herausforderung für die Ingenieure sind die Verbindungsstellen zwischen den Roh- ren. Bei jeder Heizanlage müssen zahlreiche, individuell zugeschnittene Rohrabschnitte zum Heizkreislauf zusammengefügt werden. Eine Isolationstechnik ist nur praxistauglich, wenn die Installateure von Warmwassersystemen diese Arbeiten routinemässig auf der Baustelle bewerkstelligen können. Das Entwicklungsteam der Helbling Technik AG hat für diese Aufgabe einen vielversprechenden Ansatz gefunden. Mit diesem werden Wärmeverluste an den Verbindungsstellen der Rohre vermieden, indem ein durchgehendes Vakuum hergestellt wird, das ohne Unterbrechungen den ganzen Warmwasserstrang umfasst. Bei dieser Methode werden die (mit Distanzhaltern ausgerüsteten) Doppelrohre direkt auf der Baustelle auf die benötigte Länge zugeschnitten, anschliessend mit Pressfittingen zusammengebaut und nach Fertigstellung auf der Baustelle evakuiert. Da die am Markt verfügbaren Fittinge für eine Vakuumanwendung nicht dicht genug sind, werden diese nicht nur verpresst, sondern mit einer 50 Mikrometer dünnen Klebstoffschicht verklebt. Welche Klebstoffe sich eignen, hatten die Entwickler in einer eigenen Studie untersucht. «Nach unserer Einschätzung ist das ein praxistauglicher Ansatz, den wir an unserem Prüfstand aber noch eingehend testen wollen», sagt Dipl.-Ing. FH Hans Tischhauser, Leiter des Entwicklungszentrums Helbling Technik AG. Die Entwickler sind überzeugt, auf diese Weise eine thermische Isolation von Warmwasserrohren bauen zu können, die über 50 und mehr Jahre funktionsfähig bleibt. Gleichzeitig wollen sie sicherstellen, dass die Isolierfähigkeit des Doppelrohr-Systems kostengünstig überprüft und bei Bedarf auch zwischenzeitlich ausgepumpt werden kann, um wieder die volle Isolationswirkung zu erlangen.
Suche nach Industriepartner
Bis Mitte 2015 wollen die Entwickler ein Funktionsmuster, also einen Versuchsaufbau, parat haben, mit dem sie interessierten Heizungsfirmen demonstrieren können, dass die thermische Isolation eines Warmwasserrohrs mit VSI technisch machbar ist und die Mehrkosten über die Energieeinsparung amortisierbar sind. Gelingt dieser Nachweis, soll die Technologie anschliessend in Kooperation mit einem Partner (Rohrhersteller) industrialisiert werden. Und zwar nicht nur die Fertigung von Doppelrohren und Fittingen, sondern auch des Werkzeugs für Installateure. Zu prüfen sind mitunter auch passende Geschäftsmodelle. So wäre es denkbar, dass die Hersteller mit den Rohren gleich auch deren Evakuierung auf der Baustelle anbieten.
Trinkwasserleitungen im Vordergrund
Falls sich vakuumisolierte Warmwassersysteme in Haushalt und Industrie durchsetzen sollten, würde das grosse Einsparpotential nur schrittweise ausgeschöpft werden können. So dürfte die VSI- Technik zunächst eher bei Trinkwasserleitungen eingesetzt werden, weil hier die Temperaturunterschiede ganzjährig mit höheren Werten auftreten (T bei 40°C) und damit ein höheres Einsparpotential besteht als bei modernen Niedertemperatur-Heizsystemen (T bei 15°C). Die oben beschriebene Technik ist zudem nur bei Neubauten einsetzbar, wo Warmwassersysteme neu konzipiert und gebaut werden. Die Promotoren der Vakuumspalt-Isolation untersuchen allerdings auch, wie bestehende Leitungen mit der VSI-Technik nachgerüstet werden könnten. Das wird allerdings nicht ganz einfach. Diese Leitungen aus Kunststoff, Kupfer und verzinktem Stahl weisen meistens ein Ausgasverhalten und einen Verschmutzungsgrad auf, der deren direkten Einsatz als den Vakuumspalt begrenzende Rohre verunmöglicht. Bestehende Warmwassersysteme müssten daher jeweils vorgängig aufgearbeitet werden, damit eine Nachrüstung mit VSI-Technik möglich ist.
Weitere Informationen
zum Projekt:
Bundesamt für Energie (BFE)
3003 Bern
Tel. 0041 58 462 56 11
Roland Brüniger, Leiter des Forschungsprogramms
Elektrizitätstechnologien und -anwendungen
Roland.Brueniger@r-brueniger-ag.ch
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