Fortlaufender Prozess für das Risikomanagement (Bilder: zVg)

Auszug aus Tabelle 1 mit Auflistung der zur Selbstkontrolle gehörenden Tätigkeiten und die entsprechenden Grundintervalle in Abhängigkeit der verschiedenen Gebäudekategorien

Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen sind für die regelmässige Instandhaltung und Selbstkontrolle verantwortlich.

W3/E4 «Selbstkontrolle in Gebäude-Trinkwasserinstallationen»

Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen werden durch die SVGW-Richtlinie W3/E4 bei der Umsetzung und Dokumentation der vom Lebensmittelrecht geforderten Selbstkontrolle unterstützt. Darin sind Aufgaben und Verantwortlichkeiten zur Durchführung der Selbstkontrolle definiert, die für die Abgabe von einwandfreiem Trinkwasser erforderlich ist.

Mit der Inkraftsetzung des revidierten Lebensmittelrechts 2017 gelangte die Gebäude-Trinkwasserinstallation verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses. Eigentümer und Betreiber von Trinkwasserinstallationen, die Mieter und Verbraucher mit Trinkwasser versorgen, müssen sich neu ebenfalls an die Lebensmittelbestimmungen halten. Gemäss den Erläuterungen zur Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV) sind dies insbesondere Hotels, Pflegeheime, Schulen oder andere öffentliche Gebäude. «Insbesondere heisst jedoch nicht ausschliesslich», sagt Cosimo Sandre, Technischer Berater Wasser des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfachs (SVGW), «was wiederum bedeutet, dass auch Gewerbebetriebe mit Personalduschen oder Vermieter von Wohnungen sich an die Bestimmungen des Lebensmittelrechts zu halten haben.»

Kantonschemiker wenden sich an Branche

Da der Vollzug des Lebensmittelrechts bei den Kantonen liegt, kontaktierte die Kommission Trink- und Badewasser des Verbands Schweizer Kantonschemiker (VKCS) den SVGW sowie Suissetec mit der Bitte, Dokumente zu erarbeiten, mit denen die Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen bei der Umsetzung der gesetzlich geforderten Selbstkontrolle unterstützt werden könnten.

In einem ersten Schritt erstellte Suissetec eine einfach verständliche Broschüre, welche die Eigentümer und Betreiber von Gebäude-Trinkwasserinstallationen darüber in Kenntnis setzt, dass neben den kommunalen Wasserversorgungen, den Sanitärplanern und Sanitärinstallateuren auch die Eigentümer und Betreiber sowie die Konsumenten für eine einwandfreie Trinkwasserqualität verantwortlich sind.

Als Lebensmittelbetriebe befassen sich die kommunalen Wasserversorgungen seit Jahren mit der gesetzlich geforderten Selbstkontrolle. Die Umsetzung erfolgt dabei meistens mit der vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) als Branchenleitlinie anerkannte SVGW-Richtlinie W12 «Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis in Trinkwasserversorgungen». Gestützt auf die jahrelange Erfahrung rund um das Thema Selbstkontrolle erarbeitete eine SVGW-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Hans Peter Füchslin, Leiter Fachstelle Legionellen KLZH und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Legionellen in der Kommission Trink- und Badewasser des VKCS, zusammen mit weiteren Branchen-Vertretern sowie einer städtischen Immobilienverwaltung die neue SVGW-Richtlinie W3/E4.

Trotz Pandemie verlief alles planmässig

«Trotz Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020, gelang es der Arbeitsgruppe die Richtlinie innerhalb eines halben Jahres zur Vernehmlassung zu führen und anschliessend fertig zu bearbeiten», sagt Sandre. Die neue Richtlinie W3/E4 ist auf den 1. März 2021 in Kraft gesetzt worden.

Die W3-Richtlinienreihe beschreibt die anerkannten Regeln der Technik für die Gebäude-Trinkwasserinstallationen kalt und warm. Angefangen von der Planung und Ausführung (W3), über die Rückflussverhinderung (W3/E1), die Instandhaltung (W3/E2) bis hin zur gesamtheitlichen Betrachtung für die Sicherstellung der Trinkwasserhygiene (W3/E3). «Mit dem Erscheinen der Richtlinie W3/E4 ist nun die W3-Richtlinienreihe vollständig», freut sich der SVGW-Experte. «Diese erlaubt dem Eigentümer und Betreiber, die ’Gute Verfahrenspraxis’ in der eigenen Gebäude-Trinkwasserinstallation und somit die Konformität mit den anerkannten Regeln der Technik periodisch zu beurteilen und wenn notwendig, allfällige Massnahmen zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene einzuleiten.»

Zweiteiliges Regelwerk

Das Regelwerk besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil beinhaltet die Richtlinie mit den allgemeinen Informationen, den gesetzlichen Grundlagen, den technischen Hinweisen sowie die Arbeitsanweisungen für die Durchführung der Selbstkontrolle. Die für die eigentliche Selbstkontrolle notwendigen QS-Dokumente wie die Checklisten für die Durchführung der Risikobewertung, die Checklisten für die Umsetzung der Sofort- und weitergehenden Massnahmen sowie die verschiedenen Protokolle für die Dokumentation der Messmittelkontrolle oder das routinemässige Erfassen der Kalt- und Warmwassertemperaturen sind in den Anhängen abgebildet.

Fortlaufendes Monitoring

«Bei der Selbstkontrolle in Gebäude-Trinkwasserinstallationen geht es nicht nur um die regelmässige Instandhaltung der Anlagekomponenten», erklärt Sandre. «Vielmehr geht es darum, mit einem laufenden Monitoring sicher zu stellen, dass die Trinkwasserqualität gemäss der ‘Guten Verfahrenspraxis’ und nach den anerkannten Regeln der Technik während der gesamten Lebensdauer einer Gebäude-Trinkwasserinstallation gewährleistet wird.» Dazu zählten neben der erwähnten regelmässigen Instandhaltung auch die Routine-Betriebskontrollen, die Routine-Temperaturkontrollen und die periodischen Risikobewertungen.

Für öffentlich zugängliche Duschanlagen gilt es zudem, mittels Probenahmen zu überprüfen, ob der Legionellen-Höchstwert von 1000 KBE/l an Legionella spp. eingehalten wird. Wenn durch die Risikobewertung angezeigt, müssen Massnahmen ergriffen werden, um das Risiko zu beseitigen oder zu verringern. Mit geeigneten Kontrollen ist sicherzustellen, ob mit den getroffenen Massnahmen die gewünschten Ziele erreicht wurden oder ob weitergehende Massnahmen notwendig wären.

Intervalle je Gebäudekategorie

Weil jedes Gebäude und jede Trinkwasserinstallation einen Einzelfall darstellen, macht das Lebensmittelrecht keine Angaben zu den Kontrollintervallen. Diese finden sich in der SVGW-Richtlinie W3/E4, Tabelle 1. Darin werden für die verschiedenen Kontrolltätigkeiten, entsprechende Intervalle in Abhängigkeit mit den verschiedenen Gebäudekategorien definiert. Angefangen von einem einfachen Einfamilienhaus bis hin zu komplexen Gebäuden wie Spitälern.

Risikomanagement

Die Selbstkontrolle gemäss der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) beinhaltet unter anderem eine Gefahrenanalyse nach dem HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical Control Point). In der Regel wird für jede Gefährdungssituation das Risiko als Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit dem Schadensausmass bewertet. Wenn notwendig sind entsprechende Korrekturmassnahmen festzulegen und die Restrisiken abzuschätzen. Die Risikobewertung in der SVGW-Richtlinie W3/E4 erfolgt nach den gleichen Grundsätzen, jedoch mit einem stark vereinfachten Verfahren.

«Ein wesentlicher Bestandteil des Selbstkontrollkonzepts in der SVGW-Richtlinie W3/E4 sind die Risikomanagement-Checklisten, welche die Bestandesaufnahme für die organisatorische, betriebliche und technische Ist-Situation erlauben», betont Sandre. «Um die Umsetzung zu vereinfachen, werden für jeden Checklistenpunkt mehrere mögliche Massnahmen vorgeschlagen, sodass die verantwortliche Person mit geringem Aufwand nur die zutreffenden Aussagen ankreuzen muss.»

Die Risikomanagement-Checklisten beinhalten über hundert Checklistenpunkte. Diese doch grosse Zahl wird damit begründet, dass Gebäude-Trinkwasserinstallationen immer komplexer werden und auf dem Markt immer mehr Anlagekomponenten zur Verfügung stehen. Zudem soll die SVGW-Richtlinie W3/E4 für die ganze Schweiz und für alle Gebäudekategorien anwendbar sein. Um die Anwendung zu erleichtern wird es deshalb als unerlässlich betrachtet, dass für die zu beurteilende Gebäude-Trinkwasserinstallation die verantwortliche Person vor der Durchführung der ersten Selbstkontrolle zuerst alle nicht benötigten Checklistenpunkte streicht.

Die Intervalle bei den Risikomanagement-Checklisten sollen sicherstellen, dass massgebende Abweichungen, welche die Trinkwasserqualität beeinträchtigen können, frühzeitig erkannt werden. Sind seit dem letzten Beurteilungszeitpunkt keine massgebenden Veränderungen im Nutzerverhalten und in der Gebäude-Trinkwasserinstallation erfolgt, können die bestehenden Risikomanagement-Checklisten unverändert belassen werden. Am Ende der jeweiligen Risikomanagement-Checklisten ist lediglich mit Angabe von Person und Datum der Sachverhalt zu bestätigen. Dies stellt für die Umsetzung der Selbstkontrolle ebenfalls eine deutliche Vereinfachung dar.

Legionellen-Beprobung

Anhand periodischer Legionellen-Beprobungen soll der Nachweis erbracht werden, dass die gesetzlichen und betriebseigenen Anforderungen bezüglich Legionella spp. eingehalten werden. Sie bilden eine der Grundlagen für das Risikomanagement in der SVGW-Richtlinie W3/E4.

Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich aber nur erzielen, wenn die Probenahmen mittels einer durchdachten Probenahme-Strategie und von geschulten Personen mit geeignetem Material durchgeführt werden.

Legionellen-Schaltung

In den letzten Jahren an der Eawag und HSLU durchgeführte Messuntersuchungen haben erkennen lassen, dass die periodische Legionellen-Schaltung kein Garant ist für das Einhalten der Legionellen-Höchstwerte. Sich wiederholende thermische Desinfektionen können offenbar zu einer Thermoresistenz von Legionellen führen mit der Folge, dass sich besonders die thermoresistenten Keime nach den Desinfektionen vermehren. Zudem erzielen die Speicher-Temperaturerhöhungen oft nicht die gewünschte Wirkung, weil die Temperaturerhöhung nachts geschieht und das übrige Warmwasserverteilsystem in der Peripherie dann (abgestellte Umwälzpumpe) nicht von der Temperaturerhöhung erfasst wird.

www.svgw.ch

Der vollständige Beitrag ist in p+i 02/21 erschienen.