Dichte Gebäudehüllen, verdichtete Nutzungen und immer kleinere Abstände zu den Nachbarn machen eine effiziente Lüftung immer wichtiger. Neben den hygienischen Anforderungen, die im Zug der Corona-Pandemie deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielten (vgl. Planer + Installateur 10/2020), gehen zuweilen die energetischen Anforderungen vergessen. Denn insbesondere bei Abluftanlagen wird vom Gesetzgeber eine Wärmerückgewinnung verlangt, wenn bestimmte Parameter erfüllt sind. Die Grundlage dafür sind die MuKEn 2008.
Rechtliche Vorgaben
Die Vorgaben der SIA 382/1 (Lüftungs- und Klimaanlagen – Allgemeine Grundlagen und An- forderungen) werden mit der Vollzugshilfe EN-4 der EnDK konkretisiert. Grundsätzlich verlangt diese, dass lüftungstechnische Anlagen mit Aussenluft und Fortluft mit einer Wärmerückgewinnung (WRG) ausgerüstet werden. Reine Umluftanlagen ohne Aussenluft und ohne Fortluft sind von dieser Pflicht ausgenommen. Ebensowenig muss bei Lüftungsanlagen für unbeheizte Räume (z. B. Garagen) eine WRG installiert werden. Die WRG muss einen Temperatur- Änderungsgrad nach dem Stand der Technik aufweisen, in der Regel beträgt dieser mindestens 70 Prozent. Ob der Einbau einer WRG zumutbar ist, hängt nicht vom Umluftanteil ab. Vielmehr werden dafür die Grösse und Betriebscharakteristika von Aussenluft- und Fortluftvolumenstrom beurteilt.
Ab einem Abluftvolumenstrom mehr als 1000 Kubikmeter pro Stunde und einer Betriebsdauer der Anlage von mehr als 500 Stunden pro Jahr spricht die EN-4 von einer grossen Abluftanlage. Für solche Anlagen besteht immer eine WRG-Pflicht. Umgesetzt werden kann diese entweder mit einem Zuluftsystem und einer WRG aus der Abluft oder durch die Nutzung der Wärme in der Abluft, zum Beispiel mit einer Wärmepumpe für die Heizung oder die Warmwasseraufbereitung.
Lüftungs- oder Röstigraben?
Interessanterweise scheint diese Art der Abwärmenutzung vor allem in der welschen Schweiz verbreitet zu sein: «In der Romandie werden diese Wärmepumpen für die WRG aus Abluft sehr stark nachgefragt. Hier gibt es einen auffälligen Unterschied in der Planungskultur», sagt Pascal Czerwinski, Verantwortlicher Technik Klimasysteme Schweiz bei Meier Tobler. Er vermutet, dass die Planungs- und Ingenieurbüros in der Romandie bei grossen Abluftanlagen lieber auf einfache, aber robuste Lösungen setzen, wie sie mit einer Wärmepumpe möglich sind. «Die zweite Variante sind grosse, komplizierte Anlagen mit Air Handling Units. Solche Systeme werden nach unseren Beobachtungen eher in der Deutschschweiz geplant und gebaut», sagt Czerwinski. Ein weiterer Grund, so der Fachmann, könnte beim Marketing liegen: «In der Romandie sind die Submissionen kürzer und einfacher gehalten. In der Deutschschweiz werden hingegen oftmals ausführliche Texte, Dokumentationen und Bildmaterial verlangt. Wir werden deshalb für unsere Abluft-Wärmepumpen mehr solche Informationen zur Verfügung stellen und sind gespannt, ob sich dies auch gleich in weitere Aufträge ummünzen lässt.»
Die Wärmepumpen, welche sich speziell für die WRG aus Abluft eignen, werden bei Meier Tobler unter dem Namen PICO geführt. Eine Standardmaschine kann gemäss Pascal Czerwinski in zwei bis drei Stunden ausgelegt werden: «Der grösste Teil des Engineerings ist bereits gemacht, zudem verwenden wir Standardkomponenten.» Bei Maschinen, die auf Kundenwunsch gefertigt werden, dauert die Auslegung hingegen eher zwei bis drei Tage. Neben der gewünschten Leistung, Dimensionierung und Steuerung müssen hier auch verschiedene Betriebsbedingungen individuell berechnet werden, etwa für den Betrieb der Anlage in der Zwischensaison. Um diese Arbeit zu vereinfachen, wird derzeit ein spezielles Auslegungsprogramm entwickelt, welches auch Custom-Wärmepumpen in kürzester Zeit auslegen kann. Die Nachfrage nach PICO-Maschinen bezeichnet Czerwinski als sehr erfreulich: «Innerhalb eines Jahres haben wir fast 50 Prozent mehr verkauft. Wir spüren sehr deutlich, dass sich die Endkunden viele Gedanken über den Klimawandel und eine möglichst hohe Energieeffizienz machen.»
Viel Handarbeit
Die PICO-Wärmepumpen werden im «Atelier» von Meier Tobler in Bern hergestellt. In dieser grosszügigen Werkstätte arbeitet ein Team von acht Mitarbeitern. Zu ihren Spezialitäten gehören der Umbau konventioneller Produkte, etwa wassergekühlter Fan Coils, gemäss den Kundenanforderungen sowie die Unterstützung ihrer Kollegen an der Front bei anspruchsvollen Projekten, etwa dem Zerlegen grosser Maschinen für eine erleichterte Einbringung. Doch der wahre Stolz des Ateliers sind die massgefertigten Wärmepumpen. Leiter Christian Kohli führt aus: «Unsere Spezialität sind die Wärmepumpen der PICO-Linie, die wir nach wie vor von Hand zusammenbauen. Kompressoren, Steuerungen und sämtliche weiteren Komponenten kaufen wir ein und fertigen daraus Anlagen, die genau den Dimensionen und Leistungsklassen entsprechen, welche unsere Kunden verlangen.» Die Planung und Auslegung der Maschinen übernimmt das hauseigene Engineering. Vier Standardvarianten können gewissermassen ab Stange bestellt werden (Leistungsbereiche: Abluftmenge bis 1600, 2600, 3600 oder 4600 Kubikmeter pro Stunde).
Hydraulik- und Schweissarbeiten werden an externe Spezialisten vergeben, doch alle anderen Arbeitsschritte erledigen die Mitarbeiter im Atelier. Die Lieferkettenprobleme aufgrund Corona, Frachtblockaden, gestiegenen Rohstoffpreisen sowie der allgemeinen Unsicherheit spürt man auch bei der Herstellung von Wärmepumpen. Insbesondere Plattenwärmetauscher und Kompressoren sind derzeit schwierig zu erhalten. Auch im Atelier stosse man auf dieses Problem, sagt Christian Kohli: «Wir können aber zum Glück oft auf andere Komponenten ausweichen und so allzu lange Lieferfristen umgehen. Zudem stellen wir in ruhigeren Zeiten Halbfabrikate her, die wir dann bei hohem Auftragsstand direkt verbauen können.» Jede PICO-Maschine, ob sie nun als Standard- oder Spezialkonfiguration gebaut wurde, verlässt das Atelier erst nach ausgiebigen Tests auf dem hauseigenen Prüfstand.
Ausblick
Derzeit verwenden die meisten PICO-Maschinen noch herkömmliche Kältemittel. «Wir arbeiten derzeit an der Umstellung auf natürliche Kältemittel», sagt Pascal Czerwinski, «denn der Branchentrend ist klar. Wärmepumpen müssen nicht nur effizient, sondern auch möglichst umweltfreundlich sein.» Die Marktaussichten für WRG-Wärmepumpen schätzt er als nach wie vor positiv ein: «Nach wie vor werden zahlreiche Neubauten erstellt, und auch der Sanierungsmarkt bringt uns viel Arbeit.» Gut möglich, dass in Zukunft auch die Deutschschweiz das Potential dieser schon lange bestehenden Möglichkeit für mehr Energieeffizienz stärker nutzen wird.