Lüftungstechnik

Räume ohne automatische Frischluftzufuhr: Häufig bleibt als einfachstes Massnahmenbündel ein CO2-Monitoring, offene Fenster und kräftiges Stosslüften in Pausen. (Bild: zVg)

Räume ohne automatische Frischluftzufuhr: Häufig bleibt als einfachstes Massnahmenbündel ein CO2-Monitoring, offene Fenster und kräftiges Stosslüften in Pausen. (Bild: zVg)

Übertragungswege des Covid-19-Virus, 1) durch Tröpfchen, 2) durch Aerosole mit kleinsten Tröpfchen, 3) durch Oberflächenkontakte oder Hand-Hand-Kontakte, 4) durch fäkal-orale Übertragungswege (Toilettendeckel schliessen beim Spülen).

Eine Person (Frau rechts) trägt zur Aerosolexposition (rote kleine Punkte) in der Atemzone einer anderen Person (Mann links) bei. Die Ausatmung grosser Tröpfchen ist mit violetten Punkten gekennzeichnet. Wenn der Raum mit einem Mischlüftungssystem gelüftet wird (oberes Schema), ist die Menge der virusbeladenen Partikel in der Atemzone viel geringer als bei ausgeschaltetem Lüftungssystem unteres SCHEMA).

Eine Person (Frau rechts) trägt zur Aerosolexposition (rote kleine Punkte) in der Atemzone einer anderen Person (Mann links) bei. Die Ausatmung grosser Tröpfchen ist mit violetten Punkten gekennzeichnet. Wenn der Raum mit einem Mischlüftungssystem gelüftet wird (oberes Schema), ist die Menge der virusbeladenen Partikel in der Atemzone viel geringer als bei ausgeschaltetem Lüftungssystem unteres SCHEMA).

Lüftung in Corona-Zeiten - REHVA-Leitfaden

Die Übertragung von Covid-19 findet gewöhnlich in geschlossenen Innenräumen statt. Das Sicherstellen sauberer Zuluft, hohe Luftwechselraten, längere Betriebszeiten mechanischer Systeme und das Vermeiden von Umluftbetrieb sind empfohlen. Doch mit dem Befolgen allgemeiner Regeln sind nicht alle Detailfragen gelöst.

 

Im Winterhalbjahr steigen die Aufenthaltszeiten in Gebäuden. Angesichts der aktuellen zweiten Welle der Covid19-Pandemie ist der Informationsbedarf bei Benutzern von Gebäuden gross, wie sie sich vor einer Übertragung von Corona-Viren schützen können. Ebenso stellen sich viele Betreiber von Lüftungsanlagen die Frage, inwiefern sie an ihrer Anlage andere Einstellungen vornehmen müssen, um eine hygienisch unbedenkliche Versorgung mit frischer Luft sicherzustellen.
Die Gebäudetechnik-Branche mag zwar durch Anpassungen bei der Steuerung des Betriebs und bei den Wartungsarbeiten an raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Covid-19-Pandemie zu leisten. Allerdings haben bis dato publizierte Leitfäden oder Grundsätze nur begrenzte Gültigkeit. Zu unterschiedlich ist der schweizerische Gebäudepark ausgestattet. Längst nicht alle öffentlich zugänglichen Gebäude sind mit RLT-Anlagen nach modernsten Grundsätzen ausgerüstet. Andere Anlagen entsprechen möglicherweise nicht mehr dem heutigen Stand der Technik oder werden nicht nach den aktuellen Erfordernissen der Covid-19-Krise betrieben. Dazu kommt die sehr grosse Anzahl an Gebäuden, wo die Raumluftqualität nur durch Fensterlüftung beeinflussbar ist.
Was unten folgende allgemeine Regeln ebenfalls nicht leisten können: Sie taugen nicht als Risikobewertungsmethode, die für verschiedene Räume unterschiedlichster Aktivitäten in Nicht-Wohn-Gebäuden (Büro, Restaurants, Fitnesscenter usw.) anwendbar wären.

Die Rolle der Aerosole

Bei jeder Epidemie ist es wichtig, die Übertragungswege des Infektionserregers zu verstehen. Für SARS-CoV-2 und für viele andere Atemwegsviren sind drei Übertragungswege dominant: Erstens kombinierte Tröpfchenübertragung im Nahkontaktbereich von 1-2 m durch grössere Tröpfchen (>60 µm), die beim Niesen, Husten, Singen, Schreien, Sprechen und Atmen freigesetzt werden.
In der international geführten Fachdiskussion geriet zunehmend auch die weiträumige Luftübertragung durch Aerosole in den Fokus. Damit gemeint ist der Übertragungsweg auf der Basis von Aerosolen über grosse Entfernungen. Ein Aerosol, ein Gemisch aus festen und flüssigen Schwebeteilchen in einem Gasgemisch, kann auch aus kleinsten Tröpfchenkernen von 1 bis 5 µm in der Luft bestehen, die Viren enthalten können. Solche Tröpfchen bleiben in der Luft und können weite Strecken zurücklegen, indem sie durch Luftströme in Räume und Abluftkanäle von Belüftungssystemen verteilt werden. Darüber hinaus ist drittens der Kontakt von Hand zu Hand bzw. von Hand zu Oberflächen (auch «Schmierübertragung» genannt) zu erwähnen, auf die wir hier nicht weiter eingehen.

Der REHVA Covid-19-Leitfaden

Der schweizerische Dachverband der Gebäudetechnik, suissetec, stützt sich auf den Leitfaden des europäischen Dachverbandes REHVA, der wiederum auf Erkenntnisse und Schlussfolgerungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) basiert.
Der nun mittlerweile in vierter Fassung vorliegende REHVA Covid-19-Leitfaden (vom 17. November 2020) adressiert sich an HLKS-Fachleute und Liegenschaftsbetreiber, die sich im Betrieb und Unterhalt komplexer mechanischer Belüftungssysteme (mit Monoblick, mit getrennten Zu- und Abluftkanälen, mit Wärmerückgewinnungsgerät – WRG usw.) in gewerblichen und öffentlichen Gebäuden (Büros, Schulen, Einkaufszentren, Sportstätten usw.) auskennen.
Einige konkrete Empfehlungen daraus:
•    In Gebäuden mit mechanischen Belüftungssystemen werden längere Betriebszeiten empfohlen. Die Belüftung mit Nenn-Volumenstrom soll mindestens 2 Stunden vor der Gebäudeöffnung beginnen und zwei Stunden nach der Nutzungszeit auf eine niedrige Drehzahl umgeschaltet werden. Diese Regel basiert auf der Erkenntnis, dass (unbelegte) Räume mit einer 2- bis 3-fachen Luftwechselrate pro Stunde von Schadstoffen inkl. Viren gereinigt werden können.
•    Allgemein soll Innenräumen so viel Aussenluft wie möglich zugeführt werden.
•    Entlüftungssysteme für Toiletten sollten rund um die Uhr betrieben werden.
•    Eine RLT-Anlage, die mit einem Wärmerückgewinnungseinheit ausgestattet ist und hierbei eine 100%-ige Lufttrennung zwischen dem Abluft- und Zuluftsystem vorsieht, schliesst die Übertragung von Viruspartikeln aus. Ein spezielles Augenmerk gilt den Rotationswärmetauschern, die bei schlechter Konstruktion und Wartung interne Leckagen aufweisen können.
•    Umluft-Klappen sind zu schliessen, um eine potenziell gefährliche Rezirkulation der mit viralem Material belastete Abluft in die Räume zurück zu vermeiden.
•    Vermehrt Aufmerksamkeit ist der Luftströmung (oder Luftbewegung) im Raum zu schenken. Der direkte Luftstrom soll von Personengruppen wegströmen.
Andere, teilweise in der Fachwelt diskutierte, Massnahmen wie das häufigere Reinigen von Kanälen wird als nicht erforderlich taxiert, da sich Viren zwar an Metall-Oberflächen ablagern können, diese aber ohne Gastzelle nur eine begrenzte Lebenszeit haben werden.

Der Leitfaden ist im Web zu finden unter:
suissetec.ch > über uns > Lüftung/Klima/Kälte > REHVA Covid-19 Leitfaden