BIM

Bild: zVg.

Arbeiten im Ökosystem

Das Modell spielt im BIM-basierten Bauen eine zentrale Rolle. Im modernen Verständnis ist es jedoch mehr als der digitale Zwilling von früher.

Die Digitalisierung macht auch vor der Baubranche nicht halt. Einen grossen Beitrag dazu soll Building Information Modeling (BIM) leisten. BIM ist in ganz Europa ein Thema, dessen Umsetzung mehr oder weniger intensiv gefördert wird. Dennoch zeigen sich bei seiner Verbreitung enorme Unterschiede, wie ein Länder­vergleich von PlanRadar dokumentiert. Pionier und Vorreiter ist Grossbritannien, das mit dem Umbau des Flughafens Heathrow in den 1980er-Jahren eines der ersten BIM-Projekte umsetzte. Seit 2016 ist im Königreich BIM für öffentliche Projekte vorgeschrieben; laut PlanRadar setzen 80 % der dortigen Bauunternehmen BIM ein. Auch in Deutschland und Frankreich, wo 70 % beziehungsweise 60 % der Bauunternehmen mit BIM arbeiten, stehen in der Länderrangliste weit vorn. Die Schweiz tut sich mit BIM noch schwer: Nur rund 20 % der im Bausektor tätigen Unternehmen nutzen BIM, vor allem Designer und Grossunternehmen. Gemäss der Umfrage liegen die Gründe dafür vor allem bei fehlenden Anwenderkenntnissen.

Mehr als ein digitaler Zwilling

Das zentrale Element von BIM ist das Modell, bei dem alle relevanten Daten erfasst, kombiniert, modelliert und digital visualisiert werden. Ändert sich ein Faktor, sind die Auswirkungen auf alle anderen Elemente sofort ersichtlich; davon betroffene Gewerke können umgehend reagieren. Solche BIM-Modelle behalten auch beim Betrieb der Gebäude ihre Relevanz, wenn es zum Beispiel um den Unterhalt und Instandhaltungsarbeiten geht. Stets ist deutlich, welche Elemente wo verbaut sind, ohne dass man zuerst Wände aufspitzen oder Deckenverkleidungen öffnen müsste, um einen Blick darauf zu werfen. «Man sollte jedoch das Modell nicht einfach nur als eine digitale Version, einen digitalen Zwilling, des realen Gebäudes begreifen», sagt Alar Jost. Der Architekt ist Vorstandsmitglied von Bauen digital Schweiz, Vice Chair bei buildingSMART Schweiz, Board member von buildingSMART International und Gründungsmitglied von beyondBIM, einem Unternehmen, das Eigentümer-innen und Eigentümer im Umgang mit BIM-Projekten befähigen will. «Der digitale Zwilling entsteht vielmehr aus dem Prozess des Zusammenwirkens verschiedener Software-Systeme, in dem Modelle über den ganzen Lebenszyklus genutzt werden.»

Das Modell als Ökosystem

Im Verständnis von Alar Jost ist das BIM-Modell die Grundlage für ein Öko­system. «Das Modell bildet die strukturelle Grundlage, den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf dem alle nötigen Informationen für alle Beteiligten aufbauen», sagt der Architekt. «Ein Beispiel: Über den Modellbezug kann abgebildet werden, wo welche Brandschutzanlage verbaut werden soll, wann der Bodenleger seine Arbeit beginnen kann und ob der Raum die Nutzungsanforderungen der Auftraggebenden erfüllt.» Viele dieser Informationen müssen nicht direkt in einem Modell abgelegt sein. Aber sie müssen in mit ihm verbundenen Datenbanken vorhanden sein, auf die man bei Bedarf zugreifen kann. Alar Jost: «Niemand würde ein Türschloss modellieren. Aber es ist essenziell, seine Verortung im Modell mit einem Schliessmanagement zu vernetzen.» So lasse sich überprüfen, ob eine Schliesslösung wie gewünscht funktioniert, bevor sie bestellt und verbaut ist.

Die richtigen Fragen stellen

Der Aufbau eines Modells geschieht über Use Cases. Diese werden für jedes Projekt spezifisch definiert und beinhalten alle Anforderungen und Informationen, die im Modell vorhanden sein müssen. «Möchte ein Auftraggeber zum Beispiel sein Raumprogramm optimieren, erstellt er ein Use-Case-Flächenmanagement», führt Alar Jost aus. «Dieses erfordert ein Raum­modell, das alle Flächen nach SIA 416 mit den relevanten Informationen enthalten muss.» Dies wiederum ergibt für Architekten die Aufgabe, ein Raummodell zu entwerfen, das für die entsprechenden Auswertungen genutzt werden kann. Die darin enthaltenen Informationen erlauben es unter anderem, Soll- und Istzustände zu vergleichen und Optimierungen vorzunehmen. Aus der Kombination der Use Cases entsteht kollaborativ mit allen am Projekt beteiligten Parteien das projektspezifische Modell. «Es wurden in jüngster Zeit Untersuchungen zum Mehrwert von BIM-Modellen durchgeführt», sagt Alar Jost. «Sie zeigten: Das Projektverständnis wird durch das Arbeiten mit Modellen deutlich erhöht.» Das gilt für die einzelnen Gewerke ebenso wie für die Auftraggebenden, die oft nicht vom Fach sind und dank des Modells Projektentscheidungen besser nachvollziehen können. Ein weiterer Vorteil sei, so Alar Jost, dass Projekte im Rahmen von Ausschreibungen besser und objektiver vergleichbar sind.

Vorreiter in Sachen BIM

Die SBB gehören zu den Unternehmen, die bereits seit Jahren stark auf BIM setzen – mit BIM@SBB. Seit 2021 wenden die SBB die BIM-Methode für Immobilienprojekte ab 5 Millionen Franken, ab 2025 auch für Infrastrukturanlagen verpflichtend an. «Der digitale Wandel schreitet unaufhaltsam voran, und die SBB gestalten ihn mit», sagt Gabriel Hahn, Senior Business Projektleiter Building Information Modeling der SBB. Der Nutzen für das Unternehmen liegt auf der Hand: «BIM ermöglicht uns ein professionelles, datenbasiertes und transparentes Asset Management», so der ­Projektleiter. Die Informationen, die in den Modellen hinterlegt sind, erlauben es, zum richtigen Zeitpunkt objektive Entscheide zu treffen. Etwaige Planungsfehler lassen sich bereits im Modell erkennen und beheben. Dadurch werden Projekte schneller und kostengünstiger ausgeführt. Mit besseren Datengrundlagen erwarten die SBB bei operativen Kosten und Investitionskosten Einsparpotenziale von jährlich 60 Millionen Franken.

Grundlagen erarbeiten

Aktuell betreuen die SBB rund 50 BIM-Projekte, darunter Grossprojekte wie das Kraftwerk Etzelwerk, wo Teile der Anlage erneuert werden müssen. Die Planung dafür wird mit BIM erstellt. Diese Pilot­projekte dienen den SBB auch dazu, Grundlagen für den künftigen Umgang mit BIM zu erarbeiten. «Es ist momentan noch sehr viel Aufwand nötig, um Modelle mit den Informationen zu versorgen, die wir benötigen», sagt Gabriel Hahn. Dabei verwendet das Unternehmen ein Projektierungsmodell und ein Asset-Information-Modell – eine Teilmenge des Projektierungsmodells, mit dessen Hilfe das Life Cycle Management von Objekten optimiert werden kann. Bis 2025 werden aufgrund der gemachten Erfahrungen auch 13 Use Cases erprobt und optimiert, die in Zukunft den Kern der Projektabwicklungen mit BIM bilden werden und festlegen, welche Informationstiefe bei welchem Modell benötigt wird. Zudem braucht es eine übergreifende Bauteilbibliothek. Um mit BIM-basierter Planung, Umsetzung und Bewirtschaftung umgehen zu können, führen die SBB intern rollenspezifische Schulungen durch. «Denn die digitale Transformation funktioniert trotz allem nicht ohne geschulte Mitarbeitende», sagt Gabriel Hahn.

Es braucht den Überblick

Bei BIM-basierter Planung kommt vor allem einem Mitarbeitenden eine zentrale Rolle zu: dem BIM-Manager. Entsprechende Ausbildungen bietet der Campus Sursee an. «Das ist ein relativ neuer Lehrgang für eine relativ neue Position», sagt Adrian Häfeli, Stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Baustellenkader. Er vermutet, dass sich in Zukunft BIM-Manager als eigenständiger Beruf herausbilden wird. «Das Aufgabenfeld ist komplex», sagt er. «Man muss im Vorfeld Informationen und Daten sammeln und bereitstellen, das Projekt bis zum Schluss begleiten und die Prozesse im Auge behalten.» BIM-Modelle ermöglichen zudem das Vernetzen vom Informationsbesteller und -bereitsteller; so formuliert es die ISO-Norm 19650 «Informationsmanagement mit BIM». Von welchem Elektroplaner kommt bei einem Neubau welche Schaltschrankinformation? Von welchem Lüftungsplaner kommt welche Monoblockinformation? Auch diese Fragen fallen ins Aufgabengebiet des BIM-Managers.

Ausbildung in der Entstehung

Zurzeit richtet sich die Ausbildung am Campus Sursee an Personen, die bereits Erfahrung mit dem Management von Bauprojekten mitbringen. Wie sich das in Zukunft entwickelt, wird sich zeigen. Adrian Häfeli: «Wir müssen uns darauf ausrichten, was in der Praxis benötigt und verlangt wird, und dabei immer beachten, dass Planer, Personen aus dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe jeweils unterschiedliche Hintergründe und Ziele haben.» Dafür greift man am Campus Sursee auf das praxisbezogene Wissen der externen Ausbildungscoaches zurück und man ist im ständigen Dialog mit Branchenvertretern. Zum Klassenzimmer wird dabei unter anderem das kürzlich in Zusammenarbeit mit Trimble eröffnete BIM-Labor. «Die Nutzung beschränkt sich jedoch nicht nur auf diese Ausbildung», so Adrian Häfeli, «sondern wir können BIM-Ausbildungen für alle Ebenen und Arbeiten der Baubranche anbieten.» Auf dem 20 000 Quadratmeter grossen Übungsgelände kann das digital am Modell erarbeitete stufengerecht auch gleich real umgesetzt werden. Das Interesse an BIM-basierten Planungen und Umsetzungen steigt, wie Adrian Häfeli weiss: «Die Branche, nicht nur das Bauhaupt­gewerbe, erkennt langsam den Mehrwert – für das Planen, Umsetzen und Bewirtschaften von Projekten.»