Das Inselspital stellt sowohl in seiner Rolle als Universitäts- und Zentrumspital für die Gesundheitsversorgung als auch in baulicher Hinsicht ein Wahrzeichen der Stadt Bern dar. Das heutige Inselareal, das erstmals Ende des 19. Jahrhunderts bebaut und zuletzt in den Sechziger- und Siebzigerjahren umfassend erneuert wurde, wird nun bis zum Jahr 2024 im Rahmen eines Masterplans neu gestaltet. Als ein zentraler Bestandteil dieses Grossvorhabens entsteht im Baubereich 12 (BB12) ein Neubau, der zukünftig das Schweizerische Herz- und Gefässzentrum sowie Zentren verschiedener Fachkliniken beherbergen soll. Mit einer totalen Geschossfläche um die 85 000 Quadratmeter und einer Gesamthöhe von gut 60 Metern soll das neue Herzstück des Inselareals nach seiner Fertigstellung das bestehende Bettenhochhaus ersetzen.
Berner Entwurf setzt sich durch
Die Planergemeinschaft Archipel, gegründet durch die Büros ASTOC Architects and Planners, GWJ Architektur und IAAG Architekten, gewann im Jahr 2014 mit ihrem Projekt «Coeur de l’Île» den ersten Rang im Wettbewerb für das neue Spitalhochhaus. Der siegreiche Entwurf, mit seiner wohlüberlegten Integration von Gebäude, Park und Aussenräumen, wurde als «Stadt in der Stadt» konzipiert und konnte nach Auffassung der Jury den Anforderungen nach Klarheit, Übersichtlichkeit und Orientierung am besten gerecht werden.
Der BB12-Neubau präsentiert sich als ein auf einem Sockel ruhendes Hochhaus, das von oben gesehen an eine eckige Acht erinnert. Im Sockel sind fünf Behandlungsgeschosse mit modernen Ambulatorien, Operationssälen, Interventionsräumen und Einheiten für bildgebende Diagnostik sowie Intensivüberwachungspflege (Intermediate Care) untergebracht. Darüber liegend beherbergen die beiden Türme die Pflegegeschosse und Bereiche für die Klinik-Administration. Für eine bessere Orientierung sowie Aussichten auf die umliegende Stadt sorgen die in jedem Geschoss vorgesehenen Aussenbereiche und die bis zur Fassade führenden Flure. Zusätzlichen Anschluss an die Umgebung bieten die in der Gebäudemitte befindlichen Dachterrassen.
Das von zwei Seiten her zugängliche Gebäude gibt sich in den Ankunftsbereichen sowie in den mit Tageslicht durchfluteten Innenhöfen grosszügig, offen und einladend. Auch die anderen Räume werden über die Fensterverglasungen mit reichlich natürlichem Licht versorgt. Diese Wirkung wird durch die helle, mineralische und in einem Raster strukturierte Fassade unterstrichen. Die Verbindung mit den anderen Kliniken und Gebäuden des Inselspitals stellen fünf Passerellen und drei unterirdische Anbindungen sicher. Diese optimale Erschliessung des neuen Gebäudes und die für Patienten, Besucher und Personal verkürzten Wege waren von Anfang an eines der Hauptanliegen der Bauherrschaft des Inselspitals. Damit sollen in Zukunft interdisziplinäre Behandlungen und Prozesse noch weiter optimiert werden. Aber nicht nur betrieblich und architektonisch ist der zukunftsweisende Bau vorbildlich. Er glänzt auch in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, was durch den erreichten Standard Minergie P-Eco bescheinigt wird.
Open BIM erleichtert Kollaboration
Zur Planung und Realisierung des Neubaus BB12 wird die BIM-Arbeitsmethode angewandt. Federführend dabei ist die Planergemeinschaft Archipel als Generalplaner, die sich aus den drei im Wettbewerb ausgezeichneten Architekturbüros formiert hat. Die Verantwortlichen bei Archipel haben sich für das Open-BIM-Konzept entschieden. Das heisst, dass jeder beteiligte Fachplaner mit seiner eigenen Software arbeitet und sein Fachmodell jeweils mithilfe des einheitlichen IFC-Formats exportiert. Durch das Zusammenführen der unterschiedlichen Fachplanermodelle wird ein digitales Gesamtmodell generiert und wiederum allen Planern und dem Bauherrn zur Verfügung gestellt. Zafer Bildir von Archipel ist überzeugt, dass sich BIM gerade für Bauvorhaben mit einer derartigen Komplexität in Zukunft als die Methode der Wahl durchsetzen wird. «Die Planung grosser komplexer Bauvorhaben wie des BB12 kann durch eine transparente Zusammenarbeitskultur mit BIM zwischen den Planern deutlich verbessert werden», sagt Bildir. «Vom digitalen Gebäudemodell profitieren anschliessend auch die am Bau beteiligten Unternehmen bei der Umsetzung auf der Baustelle.»
Und das ist gerade einer der wichtigsten Trümpfe von BIM: Das Risiko von Planungsfehlern kann auch bei der Komplexität eines Spitalbaus dieser Dimensionen mit Anwendung der digitalen Planungsmethode deutlich reduziert werden. «Die Arbeit am Modell erlaubt es, den Überblick über die Informationen im Gesamtmodell zu behalten, ermöglicht aber auch die detaillierten Betrachtungen von jedem einzelnen der 18 Geschosse, der über 3200 Räume, der mehr als 1000 Betonstützen oder jedem beliebigen Bauteil mit den entsprechenden Attributen und Werten», merkt Bildir an. Materialwahl, Masse, Farbe oder Anforderungen an den Brand- und Lärmschutz – alle diese Informationen seien mit einem Blick auf den entsprechenden Abschnitt des digitalen Modells einsehbar. «Die Fassade zum Beispiel kann als dynamische Datenbank beschrieben werden, die mit Fortschreiten des Projekts laufend neue Elemente und vollständigere Information eingepflegt bekommt», fügt Bildir hinzu.
Die Transparenz, die ein einheitliches digitales Modell ermöglicht, zahlt sich in Form einer erhöhten Effizienz der Abläufe aus, vor allem an den Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten. So wird die Kommunikation nicht nur unter den verschiedenen Fachplanern und Unternehmen, sondern auch mit der Bauherrschaft beschleunigt und verbessert. Änderungen, die früher über zeitaufwendige Telefongespräche und Sitzungen vorgeschlagen, diskutiert und beschlossen oder abgelehnt wurden, können jetzt direkt anhand des für alle einsehbaren Modells schneller erarbeitet und eingestuft werden. «Das Planerteam ist in der Lage, zeitgerecht Auswirkungen auf die Planung oder die Realisierung aufzuzeigen und weitreichende Entscheidungsgrundlagen zusammenzustellen», unterstreicht Bildir.
Als Big-Room-BIM versteht man bei Archipel die Idee, dass Fachplaner aller Hauptgewerke im Projektbüro sitzen. Dadurch werden räumliche Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit geschaffen.
Höhere Planungs- und Kostensicherheit
Ein weiterer entscheidender Vorzug der Planung mit BIM besteht in der Prüfung von möglichen Kollisionen, vor allem in der Gebäudetechnik. Während früher Papierpläne übereinandergelegt wurden und die Suche nach Fehlern mit blossem Auge geschehen musste, zeigt sich heute eine allfällige Unstimmigkeit automatisch im Modell anhand der Kollisionsprüfung zwischen den verschiedenen Fachmodellen. Das Risiko, eine Kollision zu übersehen, wird damit praktisch eliminiert. Im digitalen Duplikat des Gebäudes fällt es leichter, Optimierungspotenziale zu erkennen, sodass eine Über- oder Unterdimensionierung von Bauteilen oder Räumen frühzeitig vermieden wird.
Alles in allem zeigen die rund vier Jahre Erfahrung im Projekt BB12, dass BIM als Planungsmethode auch dank der Umstellung der Planungskultur, die es von Planern erfordere, viele weitere Vorteile biete. «Und diese Vorteile, vor allem die Sicherstellung der Planungsqualität und Beschleunigung des Informationsaustauschs, sowie die sichere Ermittlung der Kosten werden auf die Dauer überwiegen», betont Bildir abschliessend.