Gerade für fossil beheizte Bauten ist die Solarthermie eine interessante Ergänzung. So etwa in Kastanienbaum LU. Hier stehen zwei 1974 erbaute Terrassenhäuser mit je zwei Wohnungen im Stockwerkeigentum. 2018 wurde der alte Ölkessel, ebenfalls von 1974, mit einem neuen Brennwertkessel ersetzt. «Damit die Heizung im Sommerhalbjahr nicht allein für das Warmwasser laufen muss, war für uns die Solarthermie gesetzt», berichtet einer der Stockwerkseigentümer. Für die neue solare Warmwasseraufbereitung kommen nun Vakuumröhrenkollektoren von Elco zum Einsatz. Die vier Module mit jeweils 20 Kollektoren funktionieren auch bei diffusem Licht.
Die Röhren selbst liegen flach auf dem Dach, der Kollektor kann mittels Drehung auf den genau richtigen Winkel zur Sonne ausgerichtet werden. «So ernten wir ein Maximum der solaren Wärme, die Module müssen aber nicht aufgeständert werden. Gerade hier am See, wo es starke Windböen gibt, ist das ein Vorteil», sagt Installateur Markus Schmid, Inhaber der Markus Schmid AG in Malters. Der Weg vom Dach in den zentralen Heizraum ist in Kastanienbaum ausgesprochen kurz, deshalb gibt es praktisch keinen Wärmeverlust. Neben dem neuen Kessel wurden zwei Warmwasserspeicher installiert. «Die Solarthermie-Module speisen den ersten Speicher. Von dort schichten wir das Wasser in den zweiten Speicher um. Falls die Temperatur in diesem noch nicht ausreicht, springt kurz der Ölkessel an und liefert genau die benötigte Leistung», erläutert Markus Schmid.
Fallstricke vermeiden
Für die Einbindung von Solarthermie-Modulen wie in Kastanienbaum hat Elco hydraulische Standards und weitere Empfehlungen für Installateure veröffentlicht. Diese Dokumente werden am deutschen Hauptsitz in Hechingen (Baden-Württemberg) verfasst. Hier betreibt der Hersteller ein System-Labor mit zehn Mitarbeitenden. Die Schwerpunkte des Labors und dessen Tätigkeit wurden der Fachpresse anlässlich einer Pressereise im Oktober 2019 vorgestellt. «Wir betrachten jede Heizung als System. Die Komponenten müssen ineinander greifen und gut abgestimmt sein, damit die Anlage reibungslos läuft. Deshalb definieren wir unter anderem hydraulische und elektrische Standards, welche bei der Montage eingehalten werden müssen», sagt Heinz-Peter Schricks. Der gelernte Heizungsbauer leitet das Labor seit dessen Gründung vor 14 Jahren. Auf mehreren Prüfständen können Schricks und sein Team unter anderem Speicher, Wärmepumpen oder Brenner testen, ganze Heizungsanlagen mit ausgefeilten Simulationen nachbilden und deren Verhalten im Jahreszeitverlauf prüfen.
Solarthermiemodule werden in Hechingen auf einem speziellen Solarprüfstand getestet. Wenn der Elco-Service Probleme mit installierten Kollektoren meldet, werden die Anlagen häufig von Daniel Schneider begutachtet. Er ist im «Application Engineering» des System-Labors tätig. In der Praxis begegne man vor allem zwei Problemen, sagt Schneider: «Die Expansionsgefässe für die Solarthermie werden oft zu klein dimensioniert. Zudem ist die Rohrleitungsführung ein ganz wichtiger Punkt mit Bezug auf das Stagnationsverhalten.» Bei einem falsch dimensionierten Expansionsgefäss kann die Solarflüssigkeit gerade während der Sommermonate nicht mehr vollständig aufgenommen werden. Die resultierenden Druckspitzen im System müssen im schlechtesten Fall dann über das Sicherheitsventil abgebaut werden. Eine ungünstige Leitungsführung wiederum verhindert die schnelle und zwingend notwendige Entleerung der Anlage im Stagnationsfall. «Das ist schlecht für das System, weil Temperatur und Druckbelastung steigen. Mit einer guten Planung lassen sich jedoch beide Probleme von Anfang an verhindern», sagt Schneider. So könne man bereits anhand einiger Faustformeln abschätzen, ob die Dimensionierung des Expansionsgefässes zur verbauten Kollektorfläche passe. Wichtig sind laut Schneider auch die richtigen Reglereinstellungen, um einen zuverlässigen und effizienten Betrieb der Solarthermieanlage zu gewährleisten.
Solare Konkurrenz
In der Schweiz stehen die Solarthermieanlagen schon lange im Schatten der Photovoltaik. Immer noch werden relativ wenige Anlagen verbaut, obwohl das Potenzial unbestritten ist (siehe Box «Schwieriger Markt» S. 11). Ein Grund für den Rückstand auf die PV sei die anspruchsvolle Installation, meint Wieland Hintz. Er ist Fachspezialist Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie (BFE). Die Solarthermie leide an ihrer Komplexität, sagt Hintz: «Solarwärme ist nicht ‹plug and play› wie die Photovoltaik. Die Anlagen benötigen eine genauere Überwachung, und die Überproduktion ist gerade im Sommer oft ein Problem.
Zudem braucht es den hydraulischen
Abgleich mit dem Heizsystem.»
Somit seien Handling und Betrieb einer Anlage deutlich aufwendiger als bei der PV. Neben diesem technischen Aspekt sieht Wieland Hintz weitere Gründe für die schleppenden Verkäufe. Zuerst grabe der Erfolg der Photovoltaik der Solarwärme das Wasser ab: «Die Förderung durch den Bund mittels Einmalvergütung und der Eigenverbrauch haben die Kombination von PV und Wärmepumpe sehr attraktiv gemacht. Deshalb wird in vielen Fällen gar keine Solarwärme-Anlage mehr erwogen.» Zweitens seien die Solarthermie-Systempreise in der Schweiz
vergleichsweise hoch. Drittens sei die
heterogene Förderung der Solarwärme durch die Kantone ein Problem.
Weniger Emissionen
Auch David Stickelberger, Geschäftsleiter des Branchenverbands Swissolar, teilt diese Ansicht. Die Preise für PV-Module seien in den Keller gefallen. Inzwischen seien auch Solarthermie-Kollektoren etwas günstiger geworden, die tieferen Preise würden jedoch kaum an die Endkunden weitergegeben. «Zudem ist die Photovoltaik medial viel stärker präsent, und die Solarwärme-Förderung durch die Kantone ist sehr uneinheitlich und sprunghaft.» Im Gegenzug profitierten Solarstrom-Anlagen über lange Zeit von der inzwischen abgeschafften Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Trotzdem macht sich Swissolar für die Solarwärme stark. «Insbesondere bei Mehrfamilienhäusern mit Öl-, Gas- oder Holzheizung ist Solarthermie für die Brauchwasservorerwärmung weiterhin eine sehr interessante Option», sagt Stickelberger. Eine richtig dimensionierte Anlage könne 40 bis 50 Prozent des Energiebedarfs für das Warmwasser abdecken: «Wenn man eine solche Anlage mit anderen Massnahmen zur CO2-Reduktion vergleicht, etwa einer Erneuerung der Gebäudehülle, schneidet die Solarwärme sehr gut ab.» Wirtschaftlich interessant sei auch der Einsatz von Solarwärme zur Regeneration von Erdsonden.
Ungewisse Entwicklung
Gerade ältere Mehrfamilienhäuser mit fossiler Heizung würden sich für Solarthermie anbieten. Denn wer in einem Gebäude der Geak-Effizienzklasse E oder schlechter nochmals eine Öl- oder Gasheizung einbaut, muss gemäss MuKEn 2014 entweder die Gebäudehülle optimieren oder einen Teil der Wärme aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Während energetische Sanierungen der Hülle oft sehr teuer sind, ist die MuKEn-Standardlösung 1 (Warmwasser-Vorerwärmung mittels Solarthermie) eine kostengünstige Alternative. Jedoch sind die MuKEn erst in sechs Kantonen definitiv umgesetzt (BL, BS, JU, LU, OW, VD). In den restlichen Ständen verläuft die Modernisierung der Energiegesetze ausgesprochen schleppend. Die Mehrzahl der Kantone ist immer noch mit der Vernehmlassung respektive Ausarbeitung der entsprechenden Vorlage beschäftigt.
Die Umsetzung der MuKEn, welche im Prinzip ein starker Treiber für Solarthermie-Anlagen wäre, ist also bis auf weiteres blockiert. Zudem ist noch völlig unklar, welche Folgen das vom Ständerat im Herbst 2019 überraschend verschärfte CO2-Gesetz haben wird. Bei einem faktischen Verbot von Ölheizungen ab 2023 wird die Raumwärme in deutlich mehr Gebäuden mit erneuerbaren Quellen erzeugt werden müssen. Für die Warmwasseraufbereitung stünden in diesem Fall unter anderem Wärmepumpen, Wärmepumpenboiler, «Solarboiler» (mit PV-Strom beheizte Heizeinsätze für Speicher) oder eben die Solarthermie zur Verfügung.
Nischen stärken
Die politischen Rahmenbedingungen sind jedoch nur einer von mehreren Faktoren. Die Gebäudetechnikbranche wird ihre Empfehlungen vermutlich mehr differenzieren müssen, statt bei den Endkunden einzelne Technologien als «bewährt» zu pushen. So meint Wieland Hintz vom BFE: «Wir brauchen die jeweils beste Lösung für das einzelne Objekt. Je nach Situation kann dies PV oder Solarthermie oder beides sein.» Für die Solarwärme gebe es mit der Ergänzung fossiler Heizungen, der Warmwasseraufbereitung in Mehrfamilienhäusern sowie der Erdsonden-Regeneration gute Nischen: «Hier braucht es keine Lösungen ab Stange, sondern passende Angebote. Die Solarbranche ist gefragt, kann sich aber auch neue Märkte erschliessen.» Damit dies klappt, müssen sich laut David Stickelberger von Swissolar zwei Dinge ändern: «Wir brauchen mehr Solarwärme-Fachleute mit solidem hydraulischen Fachwissen. Zudem sind die Preise für Heizöl und Erdgas immer noch viel zu tief. Es fehlt deshalb an Anreizen, fossile Heizungen zu ersetzen.»