Internet of Things

Echtzeitanwendungen in 5G

Das Thema 5G wird kontrovers diskutiert. Die einen halten es für überflüssig, andere für unverzichtbar. Dank der weiter entwickelten Eigenschaften leistet 5G deutlich mehr als seine Vorgänger. Anwendungen mit Augmented und Virtual Realtiy eröffnen ganz neue Möglichkeiten.

Sensoren, Geräte und Infrastrukturen in Gebäuden, im Freien und unterwegs kommunizieren zuverlässig und in Echtzeit miteinander via 5G. Das ermöglicht beispielsweise eine optimale Auslastung von Strasse (weniger Stau) und Schiene (mehr Effizienz und höhere Pünktlichkeit) oder einen geringeren Energie- und Materialverbrauch in der Industrie (Ausfallzeiten, Abfall usw.). Durch einen höheren Mechanisierungsgrad und dem Einsatz weniger Düngemittel und Pestizide kann auch die Landwirtschaft von grossen Einsparungen profitieren.

Auch der Energiebereich profitiert von 5G: Trotz verstärktem Einsatz von Photovoltaik, Windenergie und anderen erneuerbaren Energieträgern soll eine sichere Stromversorgung möglich sein, so das Bundesamt für Energie (BFE) in seiner Energiestrategie 2050. Hier gilt es, Stromverbrauch und die wetterabhängige Stromproduktion in Echtzeit aufeinander abzustimmen. Dank 5G werden Smart Grids rasch und zuverlässig mit Wetterdaten und essenziellen Steuerungsinformationen versorgt.

Darüber hinaus wird die Sicherheit auf Strasse und Schiene mit 5G erhöht. Mit Echtzeit-Datenübermittlung kann auf der Strasse vor Unfällen und Gefahren gewarnt und der Verkehrsfluss verbessert werden. Züge können mit geringeren Abständen fahren und trotzdem rechtzeitig bremsen und anhalten. So können mehr Züge verkehren und mehr Passagiere und Güter transportiert werden. Durch eine geschickte Zugsteuerung im Bahnnetz wird zudem schon heute das stromfressende Bremsen und Wiederanfahren der schweren Züge minimiert. Mit 5G wird dies noch besser gelingen – dank völlig verzögerungsfreier Steuerung in Echtzeit.

5G in der Produktion

Bei den Stichwörtern Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR) denken die meisten wohl an eine Playstation. Jedoch werden dank AR- und VR-Botschaften und Inhalte weitaus eindrucksvoller zum Benutzer transferiert als man es von klassischen Medien gewohnt ist. Dabei wird der AR- und VR-Anwender ein echter Teil des Ganzen und gewinnt neue Erkenntnisse und Erfahrungen, etwa bei 360 °-Begehungen einer entfernten Lokalität. AR und VR können aber auch die Produktentwicklung und -einführung sowie die Positionierung einer Marke beleben und Prozesse anschaulicher darstellen. Dabei ermöglichen hochauflösende 360 °-Multikameraübertragungen völlig neue Arbeitsformen wie ortsunabhängiges Arbeiten für Service-Techniker oder Aussendienstmitarbeitende, um arbeitsbedingte Reisen weiter zu reduzieren.

Die produzierende und hoch automatisierte Industrie ist auf schnelle Infos zum Produktionsprozess angewiesen, um die typisch hohe Schweizer Qualität bei akzeptablen Preisen sicherzustellen. So lassen sich in der industriellen Produktion dank AR Maschinen und Prozesse per Sprachbefehl oder Gesten steuern. Bereits im Frühjahr 2017 entwickelten Swisscom und der Schweizer Medizinaltechnik-Hersteller Ypsomed AR-Anwendungen für ausgewählte Produktionsprozesse via 5G. Im Rahmen des Projekts hat Ypsomed ihre Produktionsprozesse für Injektions-PENs über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg digitalisiert. 5G dient der Digitalisierung des Warenbezugs, der Warenverfolgung über den gesamten Produktionsprozess, Echtzeit-Auswertungen von Maschinendaten, der Virtualisierung von Computer-Ressourcen sowie Qualitätstests einzelner Bauteile über AR-Brillen. Dank automatisierter Dokumentation der Prozesse, verminderten Produktionsunterbrechungen, kürzeren Reaktionszeiten und vorausschauenden Wartungsdiagnosen werden Kosten reduziert und die hohe Fertigungsqualität gesichert.

Lokale 5G Cloud und potenzielle Gefahren

Dadurch wurden die Prozesse erheblich vereinfacht, noch sicherer sowie deutlich schneller und effizienter. Für die schnelle Datenlieferung an die Prozessrechner werden lokale Clouds eingesetzt, welche zuvor aus globalen Clouds geholt wurden. Aber woher weiss der lokale Cloud-Server, welche Produktionsdaten seine Clients als Nächstes benötigen? Hier kommen intelligente Algorithmen ins Spiel, welche dank statistischer Vorhersagen bereits im Voraus wissen, welche Daten eine Anwendung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als Nächstes benötigt. In der produzierenden Industrie sind solche Vorhersagen zentral, denn wenn falsche Daten aus der externen in die lokale Cloud geholt werden, kommt der Produktionsprozess ins Stocken oder es wird im schlimmsten Fall Ausschuss produziert. Die erstaunlich hohen Erfolgsquoten zeigen, dass dies jedoch nur sehr selten passiert.

Dieses Mobile Edge Computing (MEC) kommt auch bei der Verkehrssteuerung zur Anwendung. Intelligente Algorithmen können den voraussichtlichen Fahrweg oder das Verhalten vernetzter Fahrzeuge recht gut vorausbestimmen und den Verkehr entsprechend steuern. Bei der Telemedizin muss der lokalen Cloud bekannt sein, welche potenziellen Fälle zu lösen sind, um das passende Medikament oder schnelle Hilfe zu organisieren. Es liegt auf der Hand, dass in allen Fällen verlässliche Daten über das Verhalten der Maschine oder des Nutzers vorhanden sein müssen, um eine zutreffende Vorhersage erstellen zu können. Aber in den meisten Fällen sind diese Daten ohnehin vorhanden und müssen nur noch richtig interpretiert werden.

Ein klarer Schwachpunkt sind jedoch Angriffe böswilliger User aus der globalen Cloud. Denn die äusserst kleine Latenz lässt praktisch keine Zeit für ausführliche Viren-Scans oder intensive Checks von Datenpaketen zu. Hier hilft ein intelligenter Algorithmus in der lokalen Cloud, welcher das Risiko einer böswilligen Veränderung eines Datenpakets bewertet und vorsorgliche Massnahmen trifft.

5G in der Landwirtschaft

Sunrise sucht innovative Anwendungen, um die Möglichkeiten von 5G voll auszuschöpfen, u. a. im Bereich Smart Farming. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts arbeiten fenaco, Agroscope, die Fachhochschule OST sowie Sunrise UPC und Huawei an einer nachhaltigen Zukunft der Schweizer Landwirtschaft, die künftig mit weniger oder gar keinen Spritzmitteln auskommen muss.

Somit kommt dieses Innosuisse-Projekt zum denkbar günstigsten Zeitpunkt und versucht, smarte Technologien auf 5G-Basis für die Schweizer Landwirtschaft voranzutreiben. Ziel des Projektes ist die Bekämpfung von Unkraut mittels Drohnen und Landwirtschaftsrobotern. Konkret geht es um die sogenannten Blacken, einer Ampferart, welche andere Gewächse verdrängt und deren manuelle Entfernung extrem zeitaufwendig ist, weshalb gerne giftige Herbizide eingesetzt werden.

Im Innosuisse-Projekt werden die Pflanzen per Drohne fotografiert und die Rohdaten über 5G-Datenverbindungen in die lokale Cloud geladen, wo sie in Echtzeit analysiert und identifiziert werden. Die Ergebnisse werden danach zurück auf den Acker gespielt, wo ein Traktor oder Landwirtschaftsroboter per GPS zum Unkraut navigiert wird und es bekämpft. Die Unkrautbekämpfung erfolgt durch dieses Vorgehen sehr präzise, wodurch der Herbizid-Einsatz um bis zu 90 % reduziert wird. Im nächsten Entwicklungsschritt soll es ganz durch Heisswasser ersetzt werden, was eine punktgenaue Erkennung der Schädlinge bedingt und dank Einsatz neuronaler Netze, selbstlernender Algorithmen und der lokalen 5G-Cloud im MEC gelingen soll.  ❭

Weil dabei die Datenmengen immens ansteigen, ist die Kombination von 5G, Big Data und Cloud-Technologie essenziell für das Gelingen dieses Vorhabens. Die fünf Projektpartner betonten an ihrer Pressekonferenz Ende März den Nutzen neuer Technologien für mehr Nachhaltigkeit und Effizienz in der Landwirtschaft. Denn einerseits profitiert die Umwelt durch drastische Reduktion oder Totalverzicht auf Spritzmittel, andererseits aber auch die Betriebe durch Reduktion des immensen Kosten- und Zeitaufwands. Schliesslich freuen sich die Konsumenten über gesunde Lebensmittel und sauberes Trinkwasser.

Next step: 5G Standalone

Fast alle 5G-Netze nutzen heute die Basisinfrastruktur von LTE/4G mit, etwa für die Signalisierung (Non-Standalone-Modus) oder Voice. 5G stellt heute also nur einen alternativen mobilen Zugang zur bestehenden Infrastruktur dar. Dies spart Kosten, beschleunigt den Rollout und erhöht schlagartig die Abdeckung, wie Swisscom und Sunrise beweisen. In einem zweiten Schritt werden die meisten 5G-Netze schrittweise auf den 5G-Standalone-Modus umgestellt. Dieser bietet noch kürzere Verbindungszeiten und einen vollen Zugriff auf die höherwertigen 5G-Features wie Beamforming oder Network Slicing. In Verbund mit den hohen Bandbreiten bei tiefer Latenz werden neue Anwendungsfälle dann in vollem Umfang möglich.

Als Schweizer Premiere demonstrierte Swisscom Ende 2020 gemeinsam mit Lieferant Ericsson die Möglichkeiten von 5G Standalone. Unter Verwendung neuer Netzkonzepte wie Voice over New Radio (VoNR), Spectrum Sharing und dem von LTE/4G bekannten Carrier Aggregation (CA) wurden erste Live-Sprach- und Datenanrufe auf dem Kontinent durchgeführt. Die Verbindungen wurden über Ericssons 5G Radio Dot, 5G Core und IMS aufgebaut. Zum Einsatz kamen zwei 5G-Smartphones von OPPO, und zwar das Find X2 Pro und das Reno 4Z 5G. Diese waren jeweils mit zwei verschiedenen Chipsätzen bestückt.

Fazit

5G wickelt nicht nur grosse Datenvolumina sicher und effizient ab, sondern erledigt dies mit grosser Energieeffizienz. Die Codecs von 4G/LTE wurden systematisch weiterentwickelt und nutzen die vorhandenen Frequenzen deutlich besser als jede andere Mobilfunkgeneration. Und es wird nur dann etwas gesendet, wenn es etwas zu senden gibt. So gesehen sollten alle 5G-Zweifler ihre Sorgen und 5G-Gegner ihre Ängste begraben.