Die Schweiz befindet sich in einem demografischen Wandel. Gemäss den Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung des Bundesamts für Statistik BFS wird die Schweiz im Jahr 2045 insgesamt 2,7 Millionen Personen ab 65 Jahren zählen, das sind rund 1,8-mal mehr Personen als heute. Dagegen wird die Zahl der Personen unter 20 Jahren bis 2045 von 1,7 auf nur 1,9 Millionen zunehmen. Es wird daher mit einem Altersquotienten in 30 Jahren von zirka 50 Prozent gerechnet. Durch die Zunahme der älteren Bevölkerung gegenüber den jungen Generationen entstehen für die Schweiz in der Zukunft grosse Herausforderungen. Eine davon ist das altersgerechte Wohnen.
Anforderungen klären
In einer Bachelor-Thesis der Hochschule Luzern, Technik & Architektur wurde untersucht, welchen Anforderungen die Gebäudeautomation und Netzwerkinfrastruktur von altersgerechten Wohnungen in Zukunft genügen müssen und was für Funktionalitäten diese bieten sollen. Die Arbeit wurde von der Bonacasa AG, einem Tochterunternehmen der Bonainvest Holding AG, als Wirtschaftspartner unterstützt. Das Unternehmen entwickelt und baut smarte Wohnungen und bietet vielfältige «Living Services» an, die auf alle Generationen und Lebensphasen ausgerichtet sind. Zentrale Funktion ist die Integration des 24/7-Notrufgeräts in das Gebäudeautomationssystem (GA) der Bonacasa-Wohnungen, sodass auch über die Wohnung – etwa von Schaltern auf Bodenhöhe im Badezimmer – bei einem medizinischen Problem nach Hilfe gerufen werden kann.
Ziel der Arbeit war es, mithilfe der Fachliteratur und im Gespräch mit Bewohnern und Nutzern die bestehenden GA-Lösungen weiterzuentwickeln und Ansätze für Verbesserungen zu finden. Dabei galt die Zielsetzung, ausgewählte Gebäudeautomationssysteme besser als heute in Wohnungen von Bonacasa zu integrieren. Weiter wurden die Systeme der Wohnungen zu einem technischen Internet für Mehrfamilienhäuser zusammengefasst.
Strukturierte Interviews
Im ersten Teil der Arbeit wurde ein Überblick der auf dem Markt verfügbaren Gebäudeautomationssysteme erstellt. Basierend auf dieser Recherche sowie Gesprächen mit Verantwortlichen der Bonacasa AG wurde ein strukturiertes Interview vorbereitet. Dieses wurde mit Bewohnern der Bonacasa-Überbauung Dorfmatte in Utzenstorf sowie dem Pflegepersonal eines Altersheims in Kriens geführt. Im zweiten Teil wurden aufgrund der Interviews und im Gespräch mit Herstellern von GA-Systemen konkrete Vorschläge erarbeitet, welche die bereits eingesetzten Lösungen verbessern können, eine Komfortsteigerung bewirken und die Sicherheit erhöhen. Dadurch soll das selbstständige Leben im Alter in den eigenen vier Wänden noch stärker unterstützt werden.
Gebäudeautomation noch nicht vollumfänglich genutzt
Aus den Interviews ging hervor, dass die bereits vorhandene Lösung der Firma ABB zuverlässig funktioniert und deren Bedienung insgesamt als intuitiv und einfach empfunden wird. Allerdings werden die Möglichkeiten des Systems aufgrund teilweise fehlender Kenntnisse und noch optimierbarer Schulung nicht immer vollumfänglich genutzt. Beispielsweise könnte die Darstellung der Bedienelemente an die Bedürfnisse einzelner Bewohner angepasst werden. Entsprechend soll eine einfache Bedienungsanleitung zum bestehenden System erarbeitet werden.
Weiter wird die bestehende Verriegelung der Eingangstüren mittels Schlüssel manchmal als Einschränkung empfunden. So besteht die Gefahr des ungewollten Ausschliessens aus der Wohnung, und die Schlüssel können nicht ohne weiteres weitergegeben werden (z.B. an die Familie, eine Reinigungskraft, Betreuungspersonal usw.). Hier könnte ein biometrisches Zutrittssystem mittels Fingerabdrucks Abhilfe schaffen. Ebenfalls als umständlich empfunden wird das Öffnen einer schweren Schiebetüre zu den Balkonen durch ältere Bewohner. Der Einbau einer elektrischen Antriebshilfe kann hier unterstützen. Weitere Vorschläge zur Weiterentwicklung der GA-Lösung sind der Tabelle zu entnehmen.
Systeme werden vernetzt
Damit die vorgeschlagenen Systeme auch wohnungsübergreifend vernetzt werden können, wurden Lösungen für ein technisches Internet ausgearbeitet. Damit sollen Lift, Hauszugang, Schlüsseltresor, Heizung, Storen, kontrollierte Lüftung, Klingel, Licht, Alarm und verschiedene Sensoren miteinander vernetzt werden. Ziel ist es, die einzelnen Systeme von einer Managementstation aus zu steuern und Informationen abzurufen. So können die einzelnen Teilsysteme als ein Gesamtsystem betrieben und dadurch die Effizienz gesteigert werden.
Weiter besteht die Möglichkeit, Trends aufzuzeichnen, um dann allfällige gebäudetechnische Änderungen vorzunehmen. Mit dem technischen Internet könnten sämtliche Bonacasa-Überbauungen zentral verwaltet und überwacht werden. In dieser Arbeit wurden zwei Varianten bestimmt (s. Grafiken) und auf ihre Vor- und Nachteile hin untersucht. Bei der klassischen Variante werden sämtliche Anlagen über einen Bus (bspw. BACnet IP) untereinander und mit der Managementstation verbunden. Bei der Cloud-Variante werden die Anlagen individuell mit einer System-Cloud verbunden. Dort werden die notwendigen Daten gesammelt. Der Zugriff der Managementstation auf die Anlagen erfolgt wiederum über die Cloud. Aktuell ist ein klarer Trend in Richtung cloudbasierter Lösungen zu beobachten.
Fazit
Durch den sinnvollen Einsatz von Gebäudeautomationslösungen im Wohnbereich werden Menschen aller Generationen in ihren täglichen Tätigkeiten unterstützt. Voraussetzungen dafür sind das eingehende Verständnis der Systeme, deren nutzergerechte Bedienung und wirksame Schulungen. Weiter sollen die Automatismen da zum Zuge kommen, wo konventionelle Lösungen beschwerlich sind. So beispielsweise bei der Verriegelung und beim Antrieb von Türen. Richtig eingesetzt, schliessen sich altersgerechtes Wohnen und Technik also keineswegs aus.
* Roger Bühlmann, Michael Vlasec sind Studenten am Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Olivier Steiger ist Dozent am IGE. Beim vorliegenden Fachartikel handelt es sich um die Zusammenfassung einer Bachelorarbeit am IGE.