Herr Grams, welches sind für Sie die wichtigsten Treiber im heutigen Smart-Building-Markt?
Ein wichtiger Haupttreiber ist sicherlich die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die durch das Cloud-Computing dazukommen. Nicht zu vergessen ist ausserdem die Industrialisierung von digitalen Produkten. So ist dies jetzt kostengünstiger zu haben als noch vor rund 10 Jahren als wir die digitalen Produkte erst noch einbauen mussten. Dies ist von unserer Seite, sprich der Lieferantenseite, festzuhalten. Kundenseitig lässt sich sagen, dass die Affinität zur Digitalisierung mit den Smartphones und den in elektrischen Autos verbauten Produkten in den letzten 5 bis 10 Jahren stark zugenommen hat. Gemäss Studien, die wir in den letzten Wochen durchgeführt haben, erlangen die Themen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz auch stark an Bedeutung und werden somit immer relevanter. Dieselben Aspekte waren schon während der Weltwirtschaftskrise um 2010 zentral, als viele Öko-Produkte mehr und mehr nachgefragt wurden. Wir glauben denn auch, dass der nachhaltige Lebensstil und Umgang mit den Ressourcen gerade in den Zeiten von Corona wieder eine grössere Bedeutung erhält. So sind wir etwa der Meinung, dass Themen wie AI, Energiemanagement und Energieeffizienz sowie elektrisches Laden gerade jetzt ein grösserer Fokus erhalten und wichtige Treiber in unserer Gesellschaft sind.
Ist die Covid-Pandemie momentan gar ein Treiber für Ihr Unternehmen?
Grundsätzlich sehen wir in der aktuellen Situation, in welcher man mehr von zu Hause arbeitet, dass die Nachfrage nach Neuanschaffungen und Umbauten steigt. Auch hier wollen wir für Einsteiger ins Smart-Home, die etwa lieber im Moment ins eigene Haus investieren statt in die Ferien zu fahren, Lösungen schaffen, die auf sie zugeschnitten sind. Das sind die aktuellen Chancen. Ansonsten haben wir uns auch wie jedes andere Unternehmen mit den Herausforderungen der Pandemie zu stellen. So gilt es unter anderem auch, die nötigen Schnittstellen zu schaffen für Personen, die zu Hause arbeiten. Dies sind aber auch wieder Markttreiber.
Wie können wir Energiewende nachhaltig erfolgreich bewältigen?
Ja, da gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Auf der Nutzerseite sollten wir schauen, dass die Menschen drauf bedacht sind, wie sie den Energiebedarf begrenzen und wie sie Energie einsparen können, wo immer es möglich ist. Auf der anderen Seite müssen wir stets bedenken, wo und wann nachhaltige Energie zur Verfügung steht, die etwa aus Sonne, Erdwärme oder Wind generiert wurde und wo wir diese möglichst zielführend nutzen können. Diesbezüglich sind wir im Moment mit zahlreichen Forschungsprojekten unterwegs, da dies aktuelle Themen sind, die die breite Bevölkerungsschicht zurzeit stark interessieren. So beschäftigt sich ein Projekt in der Schweiz beispielsweise zurzeit mit dem Thema Blockchain, welches auf die Energiestrategie 2050 ausgerichtet ist und das in erster Linie Transparenz schaffen will. Diese Lösung steht ganz im Zeichen der ROSEN-Vision (Reduktion, Optimierung, Substitution, Erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit) des Bundesamt für Energie und verfolgt vor allem das Ziel der Transparenz. So hat man etwa bei Gebäuden heute keine eigentliche Visibilität über die Energieeffizienz wie etwa beim Auto und weiss nicht genau, welche Energietreiber im System welche Rolle spielen. Hier wollen wir Abhilfe schaffen, arbeiten gemeinsam mit Ormera (Startup aus Postfinance und Energie und Wasser Bern) an der Energieeffizienz und richten uns konsequent an der ROSEN-Vision des BFE aus.
Wie können wir die Digitalisierung positiv gestalten?
Das Thema Digitalisierung ist in aller Munde und ist auch bei uns auf der Produktseite ein sehr wichtiges Thema. Wir wollen mit unseren Produkten und Lösungen das Thema angehen und über die Digitalisierung mehr Services anbieten. Zum einen wollen wir unserer Eco-System breiter aufstellen sowie mehr und mehr Partner begeistern können und mit ihnen die Trends und das Thema ganzheitlicher angehen. Wir wollen digitaler sein und mit unseren Dienstleistungen mehr anbieten können. Mit der Digitalisierung wollen wir aber auch die Partner und Installateure befähigen, die Dinge richtig einzusetzen und ihnen helfen, die Kundenbedürfnisse zu orchestrieren. Das ist beispielsweise etwas, das uns sehr wichtig ist, was wir mit unseren Cylon-Produkten stärker bespielen werden. Diese Produkte wollen wir auch immer stärker bei ABB integrieren, denn hier gilt was wieder vorhin zum Thema Smart Home schon erwähnt haben, dass alle Gewerke ganzheitlich ineinandergreifen sollen.
Welche Lösungen können auch HLK-Anwendungen abdecken?
Das war bei uns schon immer ein grosses Thema, das wir über KNX im Zweckbau miteingesetzt haben und auch im privaten Wohnungsbau, das für uns ein sehr grosses Feld darstellt, was wir jetzt mit den Cylon- Lösungen noch stärker spüren werden. Cylon Controls ist gerade in diesem Bereich ein Unternehmen, das hier ein starker Partner ist und viel Know-how mitbringt. Neben KNX für die Beleuchtungssteuerung haben wir auch Steuereinheiten, die im BACnet-Bereich liegen. Unsere Strategie wird es sein, in den nächsten Jahren ganzheitliche Lösungen im HLK-Bereich umzusetzen und anbieten zu können. Im Bereich des Energiemanagement und Zweckbau wollen wir ganzheitliche Lösungen haben, sodass man die gesamte Energiebelastung des Hauses messen kann und gerade auch bei Klimaanlagen, die die grössten Energienutzer in einem Gebäude sind.
Auch Notbeleuchtungssysteme können einen grossen Teil für Betriebskosten einsparen. Was können Sie uns dazu sagen?
Ja, Notbeleuchtungssysteme eignen sich auch immer sehr gut, um Betriebskosten einzusparen. An unserem vor einigen Wochen stattgefundenen Innovation Summit konnten wir eine Maintenance-App vorstellen, die schnell und unkompliziert anzeigt, wo eine Notbeleuchtung in Betrieb ist, wo eine ausgefallen ist und wo eine aufgrund der fortgeschrittenen Lebensdauer bald ausfallen könnte. So können Facility-Manager viel Zeit einsparen, da sie jetzt nicht mehr vor Ort immer die Installationen einzeln überprüfen müssen. Dies ist gerade in der aktuellen Pandemie-Situation effektiv und gefragt, sodass man nicht immer vor Ort gehen muss. Wir arbeiten zurzeit auch an einer Lösung für den Smart-Home-Bereich (free@home), mit welcher man aus der Ferne das Haus überwachen kann, ganz einfach vom Bildschirm im Büro oder einem anderen Ort aus. Dies wird uns nicht nur aktuell, sondern auch in Zukunft sehr beschäftigen.
Welches sind die Auswirkungen von neuesten Raumsteuerungsgeräten bis hin zu HLK- und Notbeleuchtung?
Mit Raumsteuerungsgeräten können vor allem Zeit und Kosten eingespart werden. Aber auch an Energie, nämlich, wenn der Facility-Manager die weitere Entwicklung des Wetters voraussehen, entsprechende Einstellungen vornehmen und so die Energiekosten besser einteilen kann. Dies ist mit einem ganzheitlichen System ganz gut möglich. Für uns ist dies gerade mit der Energieeffizienz und der CO2-Reduktion ein wichtiges Thema.
Welche Produkte werden nächstens von ABB im Schweizer Markt lanciert?
Wir haben im Januar unser Room Touch KNX-Display lanciert. Das kapazitive Multi-Steuerelement eignet sich für die intelligente Steuerung von Räumen entweder in Wohnhäusern oder in gewerblichen Anwendungen wie Büros, Arztpraxen und Hotelzimmern. In einem schlanken 11-mm- Design ist es in Schwarz und Weiss gehalten und verfügt über einen schlanken Metallrahmen und eine hochwertige Glasscheibe. So soll die einfache Steuerung aller täglichen Routinen im intelligenten Wohnen – von Beleuchtung, Jalousien, Szenen, Zeitprogrammen bis hin zur Raumtemperatur, Daten Ihrer Wetterstation und Audio – mit einem einzigen Gerät ermöglicht werden. Personalisierte Raumszenen können durch Berührung des Bedienfelds erstellt werden, z. B. eine Filmeinstellung, bei der sich die Jalousien schliessen und die Beleuchtung heruntergedimmt wird. Für zusätzliche Energieeinsparungen verfügt das Gerät über einen schnellen Stand-by-Modus, wenn der Raum dunkel wird, und schaltet sich automatisch ein, wenn es die Anwesenheit einer Person in der Nähe wahrnimmt. Es bietet auch einen Tag- und Nachtmodus, um die Beleuchtung des Raums zu ergänzen.
Was unternimmt ABB bezüglichEnergieeffizienz auf Schweizer Strassen?
In Schweizer Städten und in Europa sind schon über 100 Elektrobusse mit ABB-Technologie unterwegs. Als Beispiel wird auch die Linie 83 der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) seit diesem Sommer rein elektrisch betrieben. Die acht umweltfreundlichen Batterie-Trolleybusse sind mit elektrischer Antriebstechnik und Energiespeichersystemen von ABB ausgestattet und haben sich bereits in der Praxis bewährt. So kann VBZ jährlich über 200 000 Liter Diesel und rund 540 Tonnen CO2 einsparen. Auf der Hälfte der Strecke verläuft der Betrieb vollständig unter bestehenden Fahrleitungen der Trolleybuslinie 72. Die restliche oberleitungsfreie Etappe wird in reiner Batteriefahrt zurückgelegt. Die Ladung des auf dem Dach montierten Energiespeichersystems erfolgt unter bestehenden Fahrleitungen während der Fahrt. Die dynamische Ladung des Energiespeichers bietet gerade für Städte mit bestehender Oberleitungs-Infrastruktur eine hohe Flexibilität, das Streckennetz zu erweitern. Der Energiespeicher erlaubt 100 Prozent regeneratives Bremsen, dadurch sind Einsparungen von rund 15 Prozent Energie im Vergleich zu konventionellen Trolleybussen möglich.
Wie sehen Sie die weiteren Trends und Entwicklungen in den Bereichen Smart Home und Smart Buildings?
Ich bin der Meinung, dass alles immer noch einfacher werden muss. Der Trend zur App-Nutzung geht immer weiter und wir müssen darauf bedacht sein, dass wir mit möglichst vielen Partnern wie Sonos, Alexa oder Philips Hue zusammenarbeiten und diese einbinden können. Wir sollten ganzheitliche Lösungen anstreben, die energieeffizient sind und wo nötig auch Fernwartung bieten, das notabene ein immer grösseres Thema wird, anbieten können. Gerade im Smart-Home-Bereich mit unserer Lösung free@home – für uns eine regelrechte Erfolgsgeschichte – streben wir nach noch mehr Einfachheit. In diesen Zusammenhang sprechen wir auch viel mit unseren Kunden, um unsere Lösungen noch zu vereinfachen und zu verbessern. Ausserdem bin in der Meinung, dass uns das Thema Artificial Intelligence in den nächsten 5 bis 10 Jahren noch intensiv beschäftigen wird. Immer mit dem Ziel, das Haus zu optimieren.