Photovoltaik-Anlagen (PV) haben die Begleiterscheinung, dass deren Stromproduktion nicht direkt dem Bedarf folgt. So wird oft zu Zeiten grossen Bedarfs zu wenig und zu Zeiten geringen Bedarfs zu viel Strom produziert. Deshalb muss ohne geeignete Massnahmen überschüssiger Strom tagsüber bei niedriger Vergütung ins Netz eingespeist werden. Bei geringer oder fehlender PV-Produktion muss Netzstrom eingekauft werden, dies hauptsächlich in der Nacht. Die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage kann auf diese Weise negativ beeinflusst werden. Supermarkt-Verkaufsstellen, die einen permanenten Stromverbrauch aufweisen, sind davon besonders stark betroffen.
Des Weiteren belasten PV-Anlagen durch Rückspeisung zunehmend das Stromnetz. Netzbetreiber beobachten diesen Trend genau und könnten in Zukunft Steuermassnahmen wie dynamische Strompreise oder Einspeisesperren einführen. Energiespeicher bieten hier eine gute Möglichkeit, diesen Heraus-forderungen entgegenzuwirken. Batterien sind dafür die bekannteste Lösung, jedoch generiert deren Herstellung nach wie vor hohe Kosten und eine erhebliche Umweltbelastung. In Lebensmittelfilialen, wo ca. 60% des jährlichen Stromverbrauchs bei der Kälteanlage anfallen, bieten Eisspeicher daher eine interessante Alternative zur Batterie. Da sich direktverdampfende CO2-Kälteanlagen in der Gewerbekälte etabliert haben, wäre die direkte Warenkühlung per Eisspeicher mit übermässig hohen Investitionskosten verbunden. Deshalb sind neue Einbindungskonzepte interessant, um die hohe Effizienz von direktverdampfenden CO2-Kälteanlagen mit der thermischen Speicherfähigkeit eines Eisspeichers zu verbinden.
Verkaufsstelle Coop Etagnières als Demonstrationsanlage
Als Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hat Coop in Etagnières VD eine neue Verkaufsstelle als Musterhaus gebaut. Neben weiteren wegweisenden Technologien im Detailhandel wurde eine neue Eisspeichereinbindung entwickelt und direkt vor Ort untersucht. Das Dach und die Fassaden der Verkaufsstelle sind nahezu vollständig mit Solarmodulen bedeckt, weshalb die PV-Anlage eine beachtliche Leistung von 190 kWp aufweist. Sie produzierte über den Beobachtungszeitraum von November 2019 bis Oktober 2020 rund 175 537 kWh Strom, demgegenüber standen 249 682 kWh Stromverbrauch der Verkaufsstelle. Bei idealer Lastverteilung und maximaler Speicherkapazität könnte theoretisch der gesamte PV-Strom in der Verkaufsstelle selbst verbraucht werden.
Die verbaute Kälteanlage basiert auf dem herkömmlichen CO2-Booster Konzept mit Wärmenutzung. Aus einer Evaluation ging die Einbindung des Eisspeichers per separatem Verdampfer sowie einem Unterkühler als beste Variante hervor. Der Eisspeicher mit 474 kWh thermischer Kapazität ist dabei über einen Wasser-Glykol Zwischenkreis an den Kältemittelkreislauf gekoppelt (vgl. Grafik 1). Bei Leistungsüberschuss der PV-Anlage wird neben der üblichen Kältelast auch der Eisspeicher gekühlt, was hier als Ladevorgang definiert ist. Dabei werden Anteile vom Kältemittel vor dem Mitteldrucksammler entnommen und in den Eisspeicherverdampfer expandiert. Die Wasser-/Glykol-Mischung vom Zwischenkreis und schlussendlich der Eisspeicher werden gekühlt. Bei Volllast (65 kW Kälteleistung am Eisspeicherverdampfer) beträgt der Ladevorgang ca. 7 Stunden. Zwei zusätzliche Verdichter liefern die Ladeenergie. Somit kann der Eisspeicher auch geladen werden, wenn die Anlage auf Volllast betrieben wird.
Produziert die PV-Anlage weniger Strom als benötigt, wird der Eisspeicher wieder entladen, um die Kälteanlage zu unterstützen (vgl. Grafik 2). Das Kältemittel kann nach dem Gaskühler bis auf 10 °C unterkühlt werden, somit entsteht im Mitteldrucksammler weniger unbrauchbares Flashgas. Die Kälteanlage lässt sich effizienter betreiben und verbraucht für dieselbe Kältelast weniger Netzstrom. Unter Volllast (35 kW Unterkühlerleistung) dauert der Entladevorgang ca. 13,5 Stunden. Der tagsüber gespeicherte PV-Strom wird zu den Randzeiten und in der Nacht wieder bereitgestellt, der Bedarf wird der PV-Produktion angepasst.
In der Verkaufsstelle wurden elektrischer Verbrauch, Lade- und Entladeleistung am Eisspeicher sowie diverse Temperaturen und Drücke über ein Jahr gemessen. Daraus konnten Verlaufsdiagramme und Kenngrössen wie zum Beispiel Anzahl Ladungen, Ladewirkungsgrad, Eigenverbrauchsanteil, usw. ermittelt werden. Neben dem Prüfen von zwei unterschiedlichen Betriebsmodi wurde die Verkaufsstelle Etagnières mit einer baugleichen Verkaufsstelle ohne Eisspeicher und kleinerer PV-Anlage verglichen. Zum Vergleich zwischen Eis- und Batteriespeicher wurde eine Lebenszyklusanalyse sowie eine Kostenrechnung durchgeführt.
Resultate der Analyse
Es zeigt sich, dass ein Eisspeicher in eine direktverdampfende CO2-Booster-Kälteanlage eingebunden und betrieben werden kann. Im Ladebetrieb wird bei PV-Überschuss gewollt ein höherer Stromverbrauch der Kälteanlage verursacht, was den absoluten Eigenverbrauch steigert und das Stromnetz aufgrund weniger Einspeiseleistung entlastet. Jedoch konnte dadurch der Eigenverbrauchsanteil nicht merkbar beeinflusst werden. Dieser bewegt sich zwischen ca. 81% im Dezember und ca. 50% im April. Der Grund dafür ist die leistungsstarke PV-Anlage, die tagsüber deutlich mehr Strom produziert als benötigt. Der Eisspeicher wurde nach dem mittleren jährlichen PV-Stromüberschuss vergleichbarer Verkaufsstellen ausgelegt, sodass dieser auch in der Übergangszeit effektiv genutzt werden kann. Bei maximaler Ladeleistung und Volllast der PV-Produktion kann somit nur ein Anteil der überschüssigen PV-Energie aufgenommen werden. Das Speicherkonzept, mit dem Ziel den Eigennutzungsgrad von PV-Strom zu erhöhen, konnte mit den vorhandenen Messdaten nicht bestätigt werden. Der energetische Anteil, der im Eisspeicher zwischengelagert wird, ist um ein Vielfaches kleiner als der energetische Anteil der PV-Anlage (vgl. Grafik 3).
Ein entscheidender Faktor dafür ist die Aussentemperaturabhängigkeit. Die Kältemaschine hat tagsüber durch höhere Aussentemperaturen eine relativ tiefe Effizienz und wird zur Eisspeicherladung stärker belastet. In der Nacht läuft die Kälteanlage aufgrund der tieferen Aussentemperatur deutlich effizienter. Da die Unterstützung durch den Eisspeicher thermisch erfolgt, verringert die höhere Effizienz während der Nacht die Stromeinsparungen. Je tiefer die Aussentemperatur, desto höher die Effizienz der Kälteanlage, desto tiefer die Netzstromeinsparung und desto kleiner das Potenzial zur Unterkühlung durch den Eisspeicher. Da im Schweizer Mittelland während der Übergangszeit und im Winter oft Temperaturen unter +10 °C herrschen, sind der Eisspeichernutzung auch zeitliche Grenzen gesetzt. Für die Verkaufsstelle Etagnières bedeutet dies, dass der Eisspeicher während rund 7 Monaten im Jahr effektiv genutzt werden kann. Das Projekt zeigt, dass der Kältebedarf der Verkaufsstelle, die Anlageneffizienz im Entladebetrieb sowie die mittlere Aussentemperatur am Standort die Eisspeichergrösse massgeblich bestimmen. Somit sind auch der PV-Anlagengrösse Grenzen gesetzt, um das Speicherkonzept zur Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils zu nutzen.
Vergleich Eis- und Batteriespeicher
Eisspeicher sind nach wie vor günstiger als Lithium-Ionen-Akkus derselben Speicherkapazität. Bei der Herstellung von Eisspeichern entsteht eine geringere Umweltbelastung und bedeutend tiefere Treibhausgasemissionen als bei neu produzierten Batterien. Die Speicherkapazität von Batterien sinkt während deren Lebensdauer stetig. Durch hohe Anforderungen in der Primärverwendung (z.B. Elektroautos) werden diese relativ früh in ihrem Lebenszyklus ausgesondert und können in Gebäuden als Energiespeicher weiter Verwendung finden. Dies wird auch als Second-Life Anwendung bezeichnet. Aus der Lebenszyklusanalyse geht hervor, dass Second-Life-Batterien hinsichtlich Treibhausgasemissionen dem Eisspeicher gleichauf sind. Die Umweltbelastung von solchen Batterien ist sogar tiefer als diejenige von Eisspeichern. Es ist jedoch zu beachten, dass für beide Speichertechnologien eine Lebensdauer von 15 Jahren angenommen wird, was der Lebensdauer der Kälteanlage entspricht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit müssen Second-Life-Batterien in dieser Zeit mehrmals ausgetauscht werden, wobei ein Eisspeicher oft weit über 15 Jahre lang betrieben werden kann. Da der Einsatz von Second-Life-Batterien noch im Forschungsstadium ist, können noch keine Kostenvergleiche dazu gemacht werden.
Ausblick
Das Messkonzept wurde für die gezeigte Auswertung ausgelegt. Mit weiteren Messstellen sowie Anpassungen der Betriebsparameter können bei Bedarf weiterführende Analysen getätigt werden. Gezielte Leistungsreduktionen der PV-Anlage machen es möglich, deren maximale Grösse für das gezeigte System zu ermitteln. Ist diese gefunden, können weiterführende Untersuchungen zur Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils umgesetzt werden. Diese werden die bisherigen Erkenntnisse bestätigen oder widerlegen.
Auswertungen mit der Vergleichsfiliale erwiesen sich als unscharf. Örtliche Unterschiede von Aussentemperatur, Sonneneinstrahlung oder dem Kundenaufkommen beeinflussen die Ergebnisse in einer unstrukturierten Weise. Weitere Untersuchungen sollten deshalb nur innerhalb der Verkaufsstelle Etagnières durchgeführt werden. Der Betrieb der Verkaufsstelle ohne Eisspeicher kann als Benchmark für zukünftige Analysen dienen. Will man den Einfluss der Effizienzunterschiede ermitteln, sind mindestens drei Massenstromzähler im Kältemittelkreislauf notwendig. Dies muss allerdings aufgrund der hohen Kosten mit dem möglichen Wissenszuwachs abgewogen werden. Angesichts des steigenden Trends hin zu Elektrofahrzeugen werden die Preise von Batterien sinken und deren Second-Life-Anwendung an Bedeutung gewinnen. Diese Speichermöglichkeit kann weiterhin beobachtet und gegebenenfalls getestet werden.
Das vom Bundesamt für Energie geförderte Demonstrationsprojekt wurde von Coop initiiert und geleitet, wobei die Evaluierung und Planung der Kälteanlage durch Frigo-Consulting erfolgte. Das ZHAW-Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) übernahm als wissenschaftlicher Partner die Auswertung sowie Schlussfolgerung der Messdaten.
* wissenschaftlicher Assistent am Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Dieser Bericht wurde unter Mitarbeit von Dr. A. Boulamanti (Coop Genossenschaft), E. Wiedenmann und J. Schönenberger (Frigo-Consulting) sowie Prof. Dr. F. Tillenkamp (ZHAW-IEFE) erstellt.