Hochhaus, Vollverglasung und schwarzer Kubus: Von aussen unterscheidet sich der Neubau der Sisag in Schattdorf UR kaum von anderen modernen Bauten in der Schweiz. Doch Architekt Daniel Dittli hat ein Low-Tec-Gebäude realisiert, das ohne Heizung und mechanischer Lüftung funktioniert. Die Raumtemperatur wird mit einer leichten Temperierung der Gebäudemasse und mit elektrochromen Gläsern geregelt.
Die Sisag in Schattdorf ist eine renommierte schweizerische Unternehmung für Seilbahnsteuerungen. Vielleicht ist die Kernkompetenz mit Steuerung und Regelung mit ein Grund, dass beim Neubau bei der Gebäudetechnik weniger Hardware verbaut wurde. Stattdessen wurde in eine ausgeklügelte Regelung investiert, mit dem Ziel, in allen Räumen die Raumtemperatur im Komfortbereich zu halten.
Produktion, Büros, Gästezimmer, Restaurant
Abgesehen vom obersten Geschoss mit der Küche und dem öffentlichen Restaurant werden die Räume ohne mechanische Lüftung betrieben. Bauherr und Architekt hatten sich von Anfang an das Ziel gesetzt, mit einer reinen Fensterlüftung auszukommen. In der Fassade sind Fensterflügel verbaut worden, die eine individuelle Bedienung ermöglichen. Übergeordnet ist es zusätzlich möglich, die Fensterflügel mit einem KNX-Bus zentral zu öffnen und zu schliessen.
Das Spezielle an diesem Gebäude ist die verteilte Masse. Nicht nur im Kern mit dem Treppenhaus und dem Liftschacht ist die Gebäudemasse konzentriert. Es wurde in jedem Geschoss umlaufend hinter der Fensterfront eine Betonbrüstung realisiert mit dem Ziel, die Temperaturamplituden zu dämpfen und die Strahlungsgewinne an der Fassade nach innen zu leiten. So wird der Wärmeeintrag durch Strahlung für alle im Gebäude nutzbar.
Die Gebäudekonstruktion ist als thermisches aktives Bauteil TABS ausgebildet. Dabei kann Wärme zugeführt (= Heizen) und Wärme abgeführt (= Kühlen) werden. Wichtig ist dabei, über eine lange Zeit im Jahr einen «Nullenergiebetrieb» zu fahren; d. h. ohne Grundwasserkühlung und Wärmepumpe auszukommen. Mit den elektrochromen Gläsern wird der Energieeintrag durch direkte oder indirekte Strahlung vorausschauend gesteuert. Ziel ist es, die Raumtemperatur im Komfortbereich von 22 bis 26 Grad während der Arbeitszeit zu halten.
Heute wie gestern
Es gibt verschiedene Regelstrategien im Gebäudebereich, um mit der Temperierung der Gebäudemasse heute die Raumtemperatur von morgen zu regeln. Gute Resultate wurden mit der Strategie mit der Wettervorhersage erzielt. Je nach Glasanteil und dem Standort des Gebäudes ist die Strahlungsintensität höher zu gewichten als beispielsweise die Aussentemperatur oder der Windeinfluss.
Bei der Strategie «Heute wie gestern» wird von einer stabilen Wetterlage und Personenbelegung ausgegangen. Wird der Grenzwert der Raumtemperatur (22 oder 26 Grad) verletzt, wird für morgen die TABS-Vorlauftemperatur korrigiert.
Nicht bewährt hat sich die Bilanzstrategie, bei der die Strahlungsenergie, Transmission, Lüftungsverluste und die internen Lasten bilanziert werden und dann die abzuführende Energie durch die TABS ermittelt wird.
Beim Sisag-Neubau wurde die Strategie «Heute wie gestern» gewählt. Dies weil am Standort Schattdorf die Aussentemperatur nur einen kleinen Einfluss hat. Dabei bleibt die Temperatur in den Stockwerken die zentrale Regelgrösse. Die Raumtemperatur in den Geschossen kleiner als 22 Grad wie auch die Raumtemperaturen grösser als 26 Grad steuern den g-Wert der Gläser wie auch die Vorlauftemperatur auf die TABS.
Zielsetzung der Regelungstechnik auch hier, das Gebäude im Nullenergieband und möglichst lang ohne CO2-belastete Energie zu betreiben.
Regeldiagramme
Bei der Umsetzung der Regelstrategie in einen Algorithmus der Steuerung ist ein präziser Funktionsbeschrieb notwendig. Mit verschiedenen Regeldiagrammen wird die Freigabe der «Energien» als Stellgrösse dargestellt.
Als Stellgrössen stehen zur Verfügung:
- Grundwasser-Wärmepumpe mit Vorlauftemperatur maximal 26 Grad
- Grundwasser-Direktkühlung mit Vorlauftemperatur minimal 16 Grad
- Elektrochromgläser «SageGlass» mit g-Wert 0,09–0,36
Der Mittelwert aller Raumtemperaturen wird für die Korrektur der TABS-Vorlauftemperatur verwendet. Die niedrigste Raumtemperatur (Mini-Auswahl) wird für die Korrektur der Heizkurve TABS verwendet.
Die höchste Raumtemperatur (Max.-Auswahl) korrigiert die TABS-Kühlkurve und sorgt so dafür, dass kein Stockwerk das Komfortband 22/26 Grad «verlässt»
Bei sehr starker direkter Sonneneinstrahlung auf eine Fassade (I > 500 W/m2) wird der g-Wert der Gläser übersteuert und unabhängig der Raumtemperatur reduziert. Dies, um die Arbeitsqualität in Fensternähe zu verbessern und um eine örtliche Überhitzung zu vermeiden.
Stellsequenz
Eigentlich ist es in der Regeltechnik klar, zuerst wird die Wärmerückgewinnung ausgefahren und erst dann wird die CO2-belastete Energie freigegeben. Dieser Grundsatz ist leider nur im Winter und im Sommer energieeffizient. In der Übergangszeit muss das «Regelsystem» wissen, ob für morgen Wärme eingespeichert werden soll oder ob vielleicht die Wärmerückgewinnung heute ausgeschaltet werden sollte, weil sonst morgen Kälte (= CO2-belastete Energie) benötigt wird.
Betriebserfahrung
Der Sisag-Neubau wurde im Februar 2020 bezogen, und damit liegt ein Feedback der Nutzer vor. Die Trendkurven zeigen, wie die Steuerung bei steigender Aussentemperatur die TABS-Vorlauftemperatur nach unten schiebt und die Gläser den g-Wert verändern. Die Raumtemperaturen werden im Toleranzbereich zwischen 22 und 26 Grad gehalten.