Lüftungskonzept

Para- und Tetraplegiker können die Körpertemperatur nicht gut regulieren und überhitzen resp. unterkühlen deshalb schneller. Das stellt Anforderungen an die Beheizung und die Belüftung im Gebäude. (Foto: Schweizer Paraplegiker-Stiftung)

Das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil ist spezialisiert auf querschnittgelähmte Menschen. (Foto: Schweizer Paraplegiker-Stiftung)

Blick auf das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil am Sempachersee. (Foto: Schweizer Paraplegiker-Stiftung)

Funktionsschnitt Intensivpflegezimmer mit Umluft-Reinigungsgerät mit Ionisation. (Grafik: O. Beyeler)

Funktionsschnitt Bettenzimmer mit Heiz- / Kühldecke und Quelllüftung mit Spüllüftung. (Grafik: O. Beyeler)

Haustech 01-02/2017

Optimales Klima für Paraplegiker

Querschnittgelähmte Menschen haben besondere Ansprüche an das Klima

in einem Gebäude. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die

Gebäudetechnik im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil. Im Rahmen einer

Bachelorarbeit wurden verschiedene Heiz-, Kühl- und Belüftungssysteme

miteinander verglichen.

Für die Klimatisierung und Belüftung der Patientenzimmer in der Intensiv- und Normalpflegestation können verschiedene Systeme verwendet werden. Je nach Spezialisierung der Einrichtung, Abteilung und je nach Patientengruppe sind unterschiedliche Belastungen in den Räumen zu erwarten. Das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil ist spezialisiert auf querschnittgelähmte Patienten. Diese Patientengruppe hat besondere  Bedürfnisse und stellt auch besondere Anforderungen an die Gebäudetechnik.

Im vorliegenden Artikel werden verschiedene Heiz-, Kühl- und Belüftungssysteme für die Intensiv- und Bettenzimmer im Neubau sowie in der Sanierung untersucht und verglichen. Dies in Bezug auf Behaglichkeitskriterien, Verträglichkeit bei Patienten, Energieeffizienz und Kosten. Schlussendlich wird im Umsetzungsvorschlag eine Empfehlung für das optimale Klimatisierungs- und Belüftungssystem abgegeben. Die Erkenntnisse sind auch auf andere Spitäler anwendbar.

Als erstes wurden Pläne, Gebäudedaten und Grundlagen analysiert. Fehlende Grundlagen wurden wo nötig bei den zuständigen Fachspezialisten organisiert. Die Raumdatenblätter des Paraplegiker-Zentrums definieren in jeder Nutzung den Ausbaustandard. Weiter sind in den Normen, Richtlinien und in der Literatur Vorgaben und Empfehlungen zur Planung von Intensiv- und Bettenzimmern vorhanden. In diesen sind in der Regel Minimalanforderungen ohne objektspezifische Einflüsse definiert. Zum besseren Verständnis der Betriebsabläufe wurden deshalb Interviews mit dem Betriebspersonal der verschiedenen Abteilungen und einem Mediziner durchgeführt.

Erkenntnisse aus Interviews

Die Interviewpartner waren der leitende Arzt Paraplegiologie, der Leiter Intensivmedizin und die Leiterin einer Pflegestation. Aus den Interviews ergaben sich sehr wichtige Erkenntnisse für die weitere Konzeptentwicklung. So können Para- und Tetraplegiker die Körpertemperatur nicht gut regulieren und überhitzen resp. unterkühlen deshalb schneller. Bei einigen ist zudem das Schwitzen dereguliert. Bei tiefen Raumluftfeuchten erfolgt eine erhöhte Schleimbildung in den Atemwegen, was vor allem bei Tetraplegikern zu schwerwiegenden Problemen führen kann, weil sie den Schleim nicht richtig aushusten können.

Das Behaglichkeitsfeld ist deshalb angepasst zu definieren und einzuhalten. Die Grenzen sollen bei minimal 22 °C und 30 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit sowie maximal 24 °C und 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit liegen. Das Temperaturgefälle im Sommer von aussen zu innen soll nicht mehr als 6 °C betragen.

Eine weitere Erkenntnis aus den Gesprächen besteht darin, dass der Darm bei den meisten  atienten in den Intensiv- und Bettenzimmern manuell geleert werden muss. Dies erfolgt, während sie im Bett liegen und sich somit im Zimmer befinden. Die Geruchsbelastungen sind dementsprechend gross und müssen mit der Lüftungsanlage in vernünftiger Zeit, das heisst in weniger als 30 Minuten, abgeführt werden. Zusätzlich können offene Wunden auch sehr starke Geruchsemissionen verursachen.

Das Deckenbild soll demnach möglichst homogen gestaltet werden, weil die Patienten sehr viel liegen und der Blick auf die Decke gerichtet ist. Beispielsweise sollen Akustikdeckenelemente mit Lochung auf keinen Fall zum Einsatz kommen, weil diese zu Desorientierung bei Patienten führen können. Weiter wurden die objektspezifischen Belegungsprofile und Arbeitsprofile der Geräte mit dem Betriebspersonal erstellt, damit die Berechnungen der Lasten möglichst exakt erfolgen können.

Raumklima im Patientenzimmer

Die Raumlufttemperaturen werden nach der geltenden SWKI-Richtlinie VA 105-01 (2015) garantiert. Bei der Raumluftfeuchte sieht diese im Gegensatz zu den Empfehlungen des Mediziners keine oberen und unteren Grenzen vor. Deshalb wurden mit einer Literaturrecherche weitere Fakten gesammelt, damit eine allfällige Be- und/oder Entfeuchtung besser begründet ist. Die Recherchen ergaben, dass bei gesundheitlich gefährdeten Personen in Spitälern und Altersheimen eine längere Unterschreitung von 30 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Dies, weil die Schleimhaut austrocknet und der Transport erlahmt. Eine sehr hohe relative Luftfeuchtigkeit von mehr als 60 Prozent kann in Kombination mit hohen Raumlufttemperaturen zu vermehrtem Schwitzen und somit bei langem Liegen zu Liegewunden (Dekubitus) führen.

Weiter wird bei über 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit das Wachstum von Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilz begünstigt. Die Simulationen mit dem SIA-Tec-Tool ergaben, dass die untere Grenze von 30 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit rund 2700 Stunden pro Jahr unterschritten wird, die obere Grenze nur rund 100 Stunden. Eine Befeuchtung wird daher notwendig, während auf eine Entfeuchtung verzichtet werden kann.

Luftqualität im Patientenzimmer

Der Mensch atmet je nach Alter und Aktivität 10 bis 20 Kubikmeter Luft pro Tag ein, was gemäss Umweltbundesamt Deutschland einer Masse von 12 bis 24 Kilogramm Luft entspricht. Dies ist viel mehr, als eine Person in Form von Nahrung und Flüssigkeit zu sich nimmt. Deshalb sollte der Luftqualität in Innenräumen grosse Beachtung geschenkt werden. Die Luftqualität in den Intensiv- und Bettenzimmern wird massgeblich von den internen Parametern CO2-Gehalt und den Geruchsbelastungen bestimmt. Hinzu kommen die externen Lasten durch Partikel, Mikroorganismen und Gase in der Aussenluft.

Die Ermittlung der Luftvolumenströme nach CO2-Gehalt ist massgebend für den Tag- und Nachtbetrieb im Normalfall. Dazu wird der CO2-Verbrauch pro Person unter Berücksichtigung der Aktivität eingesetzt. Treten Geruchsbelastungen wie Darmentleerungen oder offene Wunden auf, sind weitere Betrachtungen nötig. Eine Eingrenzung der Belastung auf einen kleinen Raum ist gegeben und eine lokale Absaugung nicht möglich.

Die Berechnung der notwendigen Luftvolumenströme erfolgt über Verdünnungsbetrachtungen nach SIA 382/1 und nach der Olfaktometrie. Für eine Verdünnung der Luftverunreinigung in 30 Minuten sind bei idealer Mischlüftung Luftwechselraten von ca. 14 h-1 notwendig, bei Quelllüftung mit höherer Lüftungseffektivität ca. 10 h-1. Das heisst, dass in einer Stunde das 14- resp. 10-fache Raumvolumen ausgetauscht werden muss. Zum Abführen oder Neutralisieren der Geruchsbelastungen können verschiedene Verfahren wie Verdünnung mit Frischluft, Umluft-Reinigung oder Ionisation der Raumluft eingesetzt werden.

Luftionisationsverfahren ermöglichen die Neutralisation von Gerüchen ohne hohe Frischluftvolumenströme, was aus energetischen Gründen sinnvoll ist. Bei der künstlichen Erzeugung der notwendigen Ionen entstehen zusätzlich Ozon und der sehr reaktive atomare Sauerstoff. Diese oxidieren anwesende organische Stoffe und können so Gerüche abbauen. Die anfallenden Stofflasten und das Ozon sollen aber die Luftqualität im Raum nicht beeinträchtigen, sondern nach der Luftreinigung wieder abgeschieden werden. So kann eine optimale Luftqualität bei gleichzeitig tiefen Frischluftvolumenströmen gewährleistet werden.

Das Wiederherstellen des natürlichen Ionengehalts (mehr als 1500 Ionen pro Kubikzentimeter) in der Raumluft mittels Klein-Ionengeneratoren kompensiert den Ionenmangel, der durch die Klimatisierung entsteht. Die Wirkung des Ionengehalts auf den Sauerstoffgehalt im Blut und somit erhöhte Leistungsfähigkeit konnten mehrere Forschungsarbeiten nachweisen. Weitere interdisziplinäre Untersuchungen unter Einbezug der Medizin und Fachspezialisten aus der Lüftungstechnik sollten jedoch angestrebt werden.

Variantenvergleich und Umsetzungsvorschlag

Für die Klimatisierung der Intensiv- und Bettenzimmer sind zunächst die hohen internen Wärmelasten der Betriebseinrichtungen massgebend. Eine Kühlung ist zwingend notwendig, damit die Raumtemperaturen im definierten Bereich gehalten werden können. In den Intensivpflegezimmern ist aufgrund der hohen Wärmelasten gar kein Heizenergiebedarf vorhanden, in den Bettenzimmern nur ein minimaler. Massgebend ist also die Raumkühlung, und diese soll möglichst effizient erfolgen.

Mit der Quelle Seewasser und der ganzjährigen direkten Kühlung ohne Kältemaschine ist die Klimakälteerzeugung sehr energieeffizient. Gesteigert wird dies zusätzlich durch das Einbinden eines Wärmeübertragers vor der Quelle für die Wärmepumpe. So kann die ganzjährige Abwärme der Zimmer für Heizzwecke und Lufterwärmung genutzt werden. Eine grosse Trägheit der Abgabesysteme für die zeitversetzte Klimakälteproduktion ist infolge der ständig verfügbaren Quelle hier nicht erforderlich. Im Winter wird der grösste Teil des Heizenergiebedarfs für die Erwärmung der Frischluft benötigt. Es ist also von Vorteil, wenn der Frischluftanteil möglichst gering gehalten werden kann oder nur punktuell erhöht wird.

Der Variantenvergleich zeigt auf, dass ein Einzelvergleich der Systeme nur zur Vorevaluation Sinn macht. Die Heizungs-, Lüftungs- und Klimakältesysteme sollten dann in der Kombination verglichen werden. Wird zum Beispiel eine Luftreinigung mit Umluft betrieben, kann es durchaus Sinn machen, die Raumheizung und -kühlung trotz schlechter Einzelbewertung auch mit dieser zu bewerkstelligen.

Untersucht wurden die nachfolgenden fünf Kombinationen:

  • Kombination 1: Umluftgerät mit Luftreinigung Ionisation und Heiz-/Kühlfunktion;
  • Kombination 2: Heiz-/Kühldecke geschlossen mit Spüllüftung bei Geruchsbelastungen;
  • Kombination 3: Heiz-/Kühldecke geschlossen mit Zuluft-Ionisation;
  • Kombination 4: TABS mit Spitzenlast Heiz-/Kühldeckensegel mit Zuluft-Ionisation;
  • Kombination 5: Fussbodenheizung/-kühlung mit Spitzenlast Kühldeckensegel mit Zuluft-Ionisation.

Bewertet wurden die Kombinationen nach den Kriterien Luftqualität, Raumklima, Energieeffizienz, Standort, Hygiene, Kosten und Optik. Daraus resultierte der nachfolgende Umsetzungsvorschlag pro Nutzung.

Die Analyse hat gezeigt, dass das Intensivpflegezimmer am meisten von starken Geruchsbelastungen betroffen ist. Dies, weil zusätzlich zu den Darmentleerungen auch häufig stark riechende Wunden hinzukommen. Wärmelasten mit konvektivem Anteil sind sehr hoch. Ein Umluftsystem mit Luftreinigung und Endfilterstufe H13 kann die Anforderungen gesamthaft am besten erfüllen. Die Hilfsenergie für Ventilatoren und weitere Komponenten sind jedoch auf ein Minimum zu reduzieren.

Das Gerät ist daher dreistufig mit 900/600/300 m3/h (Spül/Tag/Nacht) zu betreiben. Der Frischluftanteil soll im Tag-/Nachtbetrieb 200/130 m3/h betragen. Heute sind aufgrund der Spezialanwendung nur wenige Systeme zur Umluft-Reinigung erhältlich. Ionisationsverfahren ohne Ozonbildung sind für diese Anwendung sehr gut geeignet. Der Umsetzungsvorschlag fällt hier deshalb auf die Kombination 1, ein Umluftgerät mit Heiz-/Kühlfunktion und Luftreinigung mit Ionisation. Ein derartiges Gerät wurde speziell für die Anwendung in Räumen der Intensivmedizinpflege und für geruchsbelastete Räume entwickelt.

In den Bettenzimmern beruhen die Geruchsbelastungen vor allem auf den Darmentleerungen. Die Wärmelasten sind hier wesentlich kleiner als in den Intensivpflegezimmern und der konvektive Anteil ist tiefer. Eine abgehängte Decke ist aufgrund der Erschliessung der Betriebseinrichtungen, Beleuchtung und Klimatechnik aus hygienischen Gründen zu empfehlen.

Der Umsetzungsvorschlag fällt hier deshalb auf die Kombination 2, eine Heiz-/Kühldecke geschlossen und Quelllüftung mit Spüllüftung bei Geruchsbelastungen. Die Luftvolumenströme für das Bettenzimmer Neubau betragen 600/140/80 m3/h, für das Bettenzimmer Sanierung 1100/250/160 m3/h (Spül/Tag/Nacht). Das Auslösen der Spüllüftung über einen Taster mit 30 Minuten Nachlaufzeit gewährleistet nur eine nötige Laufzeit. Zur Kompensation des Ionenmangels kann in der Zuluft ein Klein-Ionengenerator eingebaut werden.

Bei beiden Konzeptvorschlägen muss nur die raumseitige Installation für einen hohen Volumenstrom ausgelegt sein, und nicht die Zentralen und Hauptkanäle. Insofern entsprechen die vorgeschlagenen Konzepte dem üblichen Bedarf für Technikflächen im Gebäude. Sie erlauben aber gegenüber bisher üblichen Konzepten eine bessere und energieeffizientere Raumklimatisierung.

*Oliver Beyeler, Student der Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Der  vorliegende Artikel beruht auf seiner Bachelorarbeit «Optimierte Klimatisierung von Patientenzimmern in Spitälern» vom Juni 2016.