In der Geflügelmast war es bislang üblich, Pouletmastställe mit fossilen Brennstoffen zu beheizen. Doch es geht auch anders. Zwei junge Landwirte betätigen sich als weitsichtige Investoren eines neuen Geflügelstalls und setzen sich zum Ziel, den gesamten Energiebedarf klimafreundlich zu decken.
Die gebäudetechnische Lösung ist elegant: Der Wärmebedarf im Jahresverlauf kann über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe und über die Wärmerückgewinnung der installierten Lüftungsanlage vollständig gedeckt werden. Ausserdem werden auf optimale Art und Weise die Energieflüsse aus dem Zyklus der Mast berücksichtigt.
Alles beginnt der Vorwärmephase. Das heisst: Der noch leere Maststall wird während drei Tagen mit einer Luft-Wasser-Wärmpumpe auf eine Temperatur von +34°C vorgeheizt. Nach der Einstallung wird die Lüftung aktiviert, wobei die Zuluft über die Wärmerückgewinnung (WRG) vorgewärmt wird. Vereinfacht gesagt: Die Hühner heizen mit ihrer Körperwärme, die sie selbst erzeugen, die Luft vor. Mit zunehmendem Alter geben die Küken immer mehr Wärme ab. Die Leistung der WRG steigt und die Wärmepumpe wird nicht mehr benötigt. In der Endphase des Mastzyklus, wenn die Ausstallung näher rückt, geben die Tiere so viel Wärme ab, dass die WRG gedrosselt werden muss, um ein Überhitzen des Stalles zu verhindern. Obwohl das Gebäude eine gute Dämmung aufweist, sind Wärmeverluste über die Lüftung und durch Transmission durch die Gebäudehülle unvermeidlich.
Die elektrische Energie wird – nebst dem Antrieb für die Wärmepumpe – für die gesamte Stalltechnik (Ventilatoren, Beleuchtung, Fütterung) verbraucht. Bemerkenswert ist auch die grosszügige Photovoltaik-Anlage (PV) auf dem Dach des Stalls, die wesentlich zur positiven Energiebilanz im Jahresverlauf des gebäudetechnischen Systems beiträgt. Von den rund 67 MWh elektrischen Stroms der PV-Anlage werden 11 MWh für den Betrieb der Wärmepumpe und 18 MWh für die Stalltechnik verwendet. Die restlichen 38 MWh werden ins Stromnetz eingespeist.
Knacknüsse des Projekts
Nach Angaben der Investoren waren die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts einerseits die Suche nach der idealen Lüftungs- und Wärmetechnik, andererseits die Wahl der Gebäudehülle samt Dämmung sowie die Entwicklung des Wärmerückgewinnungssystems. Letzteres kann als Herzstück des gesamten Stalls bezeichnet werden.
Die Finanzierung des Pionierprojekts stellte sich anfänglich ebenfalls als Knacknuss heraus. Doch konnte sie letztendlich mit Hilfe des Nachhaltigkeitsfonds von Coop und weiteren Beiträgen vom Bundesamt für Energie (BFE) und dem Kanton Bern auf solide Beine gestellt werden. Planerisch wurden die beiden Landwirte stark durch die Bell-Gruppe unterstützt. Mit dem realisierten Pilotprojekt für einen Geflügelmastbetrieb der neuesten Generation wird unter dem Titel «BTSplus» ein neuer Massstab für die Branche gesetzt.
Mit Minergie-A-Zertifikat
Bald schon nach dem abgeschlossenen Bau, wagte man sich gleich noch an die gebäudetechnische Zertifizierung im Minergie-A-Standard. Baustandards des Typs Minergie waren ursprünglich für Wohnbauten entwickelt worden. Dementsprechend ist bislang keine standardisierte Vorgehensweise bei der Beurteilung landwirtschaftlicher Zweckbauten vorhanden.
Timeline – Die Realisierung einer Vision
August 2016 Projektstart BTS plus – Ideensammlung mit Energieberatern
2017 – 2019 Geeignete Partner finden, u.a. Minergie-Zertifizierungsstelle des Kantons Bern
2017 – 2020 Planung – Ideenevaluation – Teamarbeit
2018 Finanzierung sicherstellen (Coop Fond für Nachhaltigkeit, BFE, Kt. Bern)
August 2018 Baubewilligung
Sept. 2019 Spatenstich
10. Juli 2020 Erste Einstallung der Küken
Hier geht es zum Beitrag auf dem Portal von LID (Landwirtschaft für Medien, Schulen und Konsumenten)