Lüftungstechnik

Bild: Getty Images

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Abb. 1: Radon wandert mit anderen Bodengasen oder in Wasser gelöst durch den Untergrund. (Bild: BAG)

Abb. 2: Urangehalt, Granularität und Durchlässigkeit bestimmen die Präsenz von Radon im Boden. (Bild: BAG)

Abb. 3: Die Bauart des Hauses bestimmt, wie Radon ins Innere des Gebäudes dringt und sich ausbreitet. (Bild: BAG)

Radon-Dosimeter enthalten eine Probe, deren Veränderung im Labor ausgewertet wird. Beispiel Dosimeter: Kapsel-Durchmesser ca. 5 cm, Höhe ca. 1.5 cm. (Bild: Econs Technology AG)

Elektronische Messgeräte zeichnen die Radonkonzentration über die Zeit auf. Das Beispiel zeigt einen 4-tägigen Verlauf mit einer Amplitude von rund 4000 Bq/m3. (Bild: Econs Technology AG)

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Gebäude-Schadstoffe: Radon, Teil 1

Gezieltes Vorgehen bei Radon-Verdacht

Radon kann in jedem Gebäude und überall in der Schweiz auftreten. Auch eine nur grobe Risikoabschätzung benötigt erste Messungen als Grundlage. Für das gezielte Vorgehen im konkreten Fall gibt es praktische Entscheidungshilfen. Mit geeigneten Sofortmassnahmen gewinnt man Zeit für die Planung von verhältnismässigen baulichen und betrieblichen Optimierungen.

Physik, Geologie
Radon ist ein natürliches Gas, welches grundsätzlich überall in der Schweiz vorkommt. Es entsteht aus Uran und zerfällt zu Blei, wobei diese Zerfallskette über zahlreiche andere Elemente führt. Der Radongehalt der Luft wird in [Bq/m3] angegeben. Diese Einheit ist als Anzahl der Radonatome definiert, die pro Sekunde in einem Kubikmeter Luft zerfallen.
Das Radonpotential eines Bodens hängt – unabhängig von seiner Überbauung – im Wesentlichen von drei Faktoren ab: Erstens von der Uranmenge im Gestein. Zweitens von der Vollständigkeit, mit der Radon in die Zwischenräume des Gesteins tritt: Kompakte Gesteinsmassen oder eine grobe Körnung hemmen beispielsweise die Freisetzung von Radon in die Zwischenräume. Und drittens von der Mobilität der Bodengase in den Zwischenräumen: Lockere, zerfurchte Gesteinsschichten begünstigen den Transport von Radon zusammen mit anderen Bodengasen.

Bau, Risiko
Die Radonkonzentration in einem Gebäude hängt – neben dem Radonaufkommen im Boden – stark von seiner Bauart ab. Wichtige Rollen spielen dabei die Dichtigkeit des Fundaments und die Erdberührung der Wohnräume. Häuser mit einem durchgemauerten Fundament sind seltener von Radon belastet, als ältere Häuser mit Erdkellern oder Streifenfundamenten.
Einen starken Einfluss hat die Mobilität der Luft innerhalb des Gebäudes durch Gänge, Treppenhäuser und Türen. Die Luft bewegt sich aber auch entlang der Schichten im Boden- und Wandaufbau, durch Diffusion in gasdurchlässigen Baustoffen oder via vorhandene Luftströmungen durch undichte Stellen. Eine exakte Einschätzung der Radonbelastung ohne Messung ist schlicht unmöglich. Klar ist: Personen, die langfristig hohen Radonwerten ausgesetzt sind, haben ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs.

Messmethoden
Die verfügbaren Messmethoden lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Dosimeter-Messungen und elektronische Messungen. Privatpersonen können beide Messungen grundsätzlich selbst durchführen. In der Praxis empfiehlt es sich jedoch meistens, eine ausgebildete Radonfachperson beziehungsweise eine anerkannte Radonmessstelle [1] beizuziehen. Sie helfen mit, Messfehler zu vermeiden, Ergebnisse im Gebäude-Kontext zu interpretieren und gegebenenfalls weitere Schritte zu planen. Bei der Beauftragung sollte darauf geachtet werden, dass am Ende ein Bericht mit den folgenden Elementen vorliegt:

  • Messprotokoll, Messmittel und Messpunkte. Sie sollen so protokolliert sein, dass die Messungen nachvollziehbar sind.
  • Messergebnisse
  • Gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Sanierung und die gesetzliche Frist
  • Handlungsempfehlungen für nächste Schritte

Dosimeter-Messungen
Dies sind Messungen mit kostengünstigen passiven Einweg-Proben, die nach der Exposition in einem Speziallabor ausgewertet werden. Sie liefern einen einzigen Wert: die mittlere Radonaktivitätskonzentration während der Messdauer. Falls die Messungen nach den Vorgaben des BAG durchgeführt werden [2], gelten sie als anerkannt. Das heisst, sie zeigen verbindlich, ob die behördlichen Vorgaben eingehalten werden. Dazu müssen mehrere Dosimeter an geeigneten Stellen für 365 Tage exponiert werden (während der Heizperiode zwischen dem 1. Oktober und dem 31. März reichen 90 Tage). Diese Messungen sind kostengünstig. Sie werden unter Nutzungsbedingungen des Gebäudes durchgeführt.

Elektronische Messungen
Falls die Zeit für eine offizielle Messung fehlt, sind Messungen mit elektronischen Messgeräten die beste Wahl. Diese kosten typischerweise zwei bis dreimal mehr als Dosimeter-Messungen, da sie arbeitsintensiver sind und kostspielige Messgeräte erfordern. Sie liefern den Verlauf der Radonkonzentration typischerweise in Stundenauflösung. Die Kurzzeitmessung wird unter Bedingungen durchgeführt, welche hohe Radonwerte begünstigen: keine Lüftung, und geringer Unterdruck, der nötigenfalls mit einem provisorischen Gebläse erzeugt wird. Die Kurzzeitmessungen zeigen das Radonpotential eines Hauses auf. Sie beweisen jedoch nicht, ob der regulatorische Höchstwert im Jahresmittel unter Nutzungsbedingungen eingehalten wird.

Sanierung
Wenn die Messungen eine Radonbelastung zeigen, die eine Sanierung erfordert, muss eine Radonfachperson beigezogen werden. Das Vorgehen ist beschrieben in «Radon – Praxis-Handbuch Bau» [7] und beginnt mit der Abklärung, wo Radon ins Gebäude eindringt und wie es sich darin ausbreitet. Bei der Beauftragung sollte darauf geachtet werden, dass am Ende ein Bericht mit den folgenden Elementen vorliegt:

  • Vorgehen, Messmittel und Ergebnisse der Analyse, welche die Nachvollziehbarkeit sicherstellen
  • Empfehlungen für Sofortmassnahmen. Diese können zum Beispiel einfach anzubringende Abdichtungen oder Lüftungsempfehlungen beinhalten.
  • Empfehlungen für Sanierungsmassnahmen. Diese sind zumeist baulicher und/oder gebäudetechnischer Art. Häufig existieren zahlreiche Optionen, die nicht alle zum Zuge kommen müssen. Die Wirksamkeit eines Sanierungsansatzes ist schwer zu garantieren, kann jedoch häufig in einem Versuch abgeschätzt werden. Nötigenfalls müssen nach der Durchführung einer Massnahme weitere ergriffen werden. Eine gute Kommunikation hilft, die Kosten- und Erfolgskontrolle sicherzustellen.

Eine gute Wahl der Sofortmassnahmen hilft, für die Planung der Sanierung genügend Zeit zu schaffen, um eine wirksame und kosteneffiziente Lösung zu erarbeiten. Sofortmassnahmen dürfen aber nicht zum «Providurium» werden. Eine gute Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern (seien es Mieterinnen oder Familienmitglieder) hilft, Ängsten und Irritationen vorzubeugen. Nach der Sanierung muss eine anerkannte Nachmessung erfolgen. Dafür wird eine andere Radonfachperson beigezogen, um Befangenheit auszuschliessen.

Politik und Recht
In der Schweiz gilt seit 2018 in bewohnten Räumen ein Referenzwert von 300 Bq/m3. Die Radonwert-Tabelle hier im Artikel gibt eine Übersicht über weitere Vorschriften. Das Bundesamt für Gesundheit publiziert die Radonkarte der Schweiz. Sie gibt in einer Auflösung von 1 × 1 km an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung dieses Wertes ist. Diese Wahrscheinlichkeitsangabe wird zusätzlich mit dem sogenannten Vertrauensindex ergänzt. In Abhängigkeit der Anzahl Messungen und ihrer Streuung ist sein Wert sehr niedrig bis hoch.
Hauseigentümerinnen, Mieter und Vermieterinnen sehen sich mit der Frage konfrontiert, ob eine Messung notwendig oder gar obligatorisch ist. Weiter: Wer kann die Messung anordnen und wer muss dafür aufkommen? Falls die Messungen erhöhte Werte ergeben: Wie schnell muss saniert werden und wer muss bezahlen? Und schliesslich: wer kann wofür zur Verantwortung gezogen werden, wenn diese Pflichten vernachlässigt wurden?
Die Rechtsfragen überfordern die Entscheidungsträger schnell, zumal bei bekannter Gesetzeslage die finalen Antworten von Gerichten geliefert werden müssten – ein Weg, den es zu vermeiden gilt. Das BAG informiert über dieses Thema verständlich und umfassend [6].

Entscheidungshilfen
Die technischen und rechtlichen Fragen sind komplex. Der Versuch einer exakten Klärung endet nicht selten in komplizierten Güterabwägungen und aufwändigen Risikoabschätzungen. Trotzdem lassen sich einige einfache Entscheidungshilfen aufstellen:

1.  Muss eine Radonmessung durchgeführt werden? – Wenn sich diese Frage stellt, lautet die Antwort meistens: Womöglich nicht, man sollte aber unbedingt, weil der objektive Nachweis, dass keine Messung notwendig ist, aufwendiger ist als die Messung selbst. Weil Wissen besser ist als Vermutung und Behauptung. Und weil Fakten eine Voraussetzung dafür sind, uneinige Parteien zu einem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen.

2.  Wann und wie soll gemessen werden? – So bald wie möglich, wenn noch kein Zeitdruck besteht. Nur ohne Zeitdruck ist eine anerkannte Messung möglich. Sie ist kostengünstig und zeigt rechtlich verbindlich, ob weitere Abklärungen überhaupt notwendig sind.

3.  Wer muss die Messung bezahlen? – Die Messung ist grundsätzlich Sache der Gebäudeeigentümerin. Sie wird jedoch häufig von anderen Parteien wie Kaufinteressierten oder Mietern gefordert. Eine freiwillige Kostenbeteiligung ist deshalb als konstruktiver Vorschlag zu prüfen. Sie kann Einigkeit und Kooperationsbereitschaft schaffen.

4.  Wie geht man unter Zeitdruck vor? – Hier ist eine elektronische Kurzzeitmessung das passende Instrument. Die Situation entsteht häufig beim Handwechsel einer Immobilie, wenn noch keine Messungen durchgeführt wurden, diese jedoch vom Käufer gewünscht werden. Es ist wichtig, dass der Verkäufer und die Käuferin die Ergebnisse der Kurzzeitmessung anerkennen. Andernfalls muss eine offizielle Messung erfolgen. Häufig fehlt die Zeit dafür und der Verkauf kommt nicht zustande.

5.  Wie schnell soll saniert werden? – Die Sanierungsfrist ist durch die Aufenthaltsdauer und die Radonkonzentrationen in den betroffenen Räumen gegeben [1]. Diese Sanierungsfrist kann und soll ausgenutzt werden, um mit sorgfältiger Planung die bestmögliche Wirkung und Kosteneffizienz zu erreichen. Falls beispielsweise energietechnische oder sonstige Renovationsarbeiten fällig sind, bestehen häufig grosse Synergien. Die Sanierungsfrist kann mit geeigneten Sofortmassnahmen überbrückt werden. Sobald das Vorgehen klar ist, hat auch eine schnellere Umsetzung als die Sanierungsfrist gebietet, Vorteile: Sie bringt den Bewohnern des Gebäudes Sicherheit.

Das Thema Radon ist anspruchsvoll, erfordert in vielen Fällen Expertenwissen und verlangt von Gebäudeeigentümerinnen und Gebäudeeigentümern wichtige Entscheidungen. Es empfiehlt sich, das Thema proaktiv anzugehen und Unsicherheiten zu klären. Denn so lassen sich drei wichtige Ressourcen sparen: Zeit, Geld und Nerven.

econs-technology.ch
radonkarte.ch
ch-radon.ch

Bibliographie
[1]  Wegleitung Radon des BAG, Eidg. Bundesverwaltung, 2023.
[2]   Radonmessprotokoll für Wohnräume, Eidg. Bundesverwaltung, 2023.
[3]   Strahlenschutzverordnung (StSV), Eidg. Bundesverwaltung, 2018.
[4]   Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV), Eidg. Bundesverwaltung, 2021.
[5]   Produktreglement Minergie-Eco, Minergie Schweiz, 2020.
[6]  Radon – Rechtliche Aspekte(Rechtsbroschüre des BAG), Eidg. Bundesverwaltung, 2022.
[7]   Radon – Praxis-Handbuch Bau, Othmar Humm et al., Faktor Verlag, 2018.