Dar Vida, Willisauer Ringli oder Choco petit beurre: Die Produkte der Hug AG sind jeder und jedem ein Begriff. Mit einem Mammutprojekt führt das Luzerner Familienunternehmen nun zahlreiche Backstrassen unter einem Dach zusammen.
Das neue «Backhaus» entsteht am Hauptsitz in Malters LU. Neben den Gebäcken, die schon lange hier produziert werden, werden ab 2021 auch alle Spezialitäten der Wernli AG hergestellt. Diese gehört seit 2008 zu Hug und produzierte bisher an ihrem Hauptsitz in Trimbach SO.
Das Backhaus bringt also drei Gebäck-Marken unter einem Dach zusammen – und zwar mit allem, was dazu gehört: Lagerräume für Rohmaterialien, Kühl- und Auftauräume, lange Produktionsstrassen inklusive Teigmaschinen, Öfen und Verpackungsmaschinen.
Andreas Hug, Co-Geschäftsleiter der Hug AG, erläutert: «Mit diesem Generationenprojekt konzentrieren wir unsere Infrastruktur. Insgesamt investieren wir 60 Millionen Franken, das entspricht einem Halbjahresumsatz.» 95 Prozent dieser Summe werden laut Hug in der Schweiz investiert: «Der Standort Schweiz ist für uns ausgesprochen wichtig. So weit als nur möglich, berücksichtigen wir deshalb Unternehmer aus der Region oder noch lieber aus dem Ort», sagt Hug.
Bislang waren in Malters vier Produktionslinien vorhanden, mit dem Neubau wird diese Zahl auf neun erhöht. Die Produktionsfläche wächst von 12 000 auf 22 000 Quadratmeter. Teil des Projekts ist zudem ein automatisiertes Lagerhaus mit tausend Palettenplätzen. Durch die zentrale Lagerhaltung können Aussenstandorte aufgegeben und Lastwagenfahrten verringert werden.
Verzicht auf Fossile
«Ich habe schon viele Bauprojekte geleitet, aber das Backhaus ist durch seine Dimensionen und die verbaute Technik sicher aussergewöhnlich», sagt Fritz Steiner. Er ist Leiter Technik/Immobilien und seit 25 Jahren bei der Hug AG beschäftigt.
Trotz seiner Grösse sei das Bauvorhaben auf Kurs, berichtet Steiner: «Im Frühling gab es gewisse Verzögerungen wegen der Coronamassnahmen. Doch dank guter Planer und guter Unternehmer, die miteinander alle den ‹Rank› finden, konnten wir den Rückstand aber wieder aufholen.» Ein wichtiger Grund für den reibungslosen Ablauf sei die vorgängige, sehr sorgfältige Planung: «Wir haben viel Zeit investiert, um eine gute Lösung zu finden. Und ich denke, das Ergebnis wird Freude machen.»
Viel Arbeit gab es auch für die Gebäudetechnikplaner von der Anex Ingenieure AG. Denn auf Wunsch der Bauherrschaft sollte das neue Gebäude, das teilweise an den Bestand anschliesst, so weit als möglich erneuerbare Energiequellen nutzen.
Das Energiekonzept wurde von Felix Frei entwickelt, zuständigem Gesamtprojektleiter bei der Anex AG. «Für die thermische Versorgung nutzen wir einerseits Grundwasser, andererseits Abwärme. Ebenso können wir viele Produktionsprozesse via Freecooling kühlen. So kommen, abgesehen von den Backöfen, keine fossilen Energieträger zum Einsatz», erläutert Frei. Gemäss Simulationen lässt sich die jährliche CO₂-Emission der Produktion damit um 85 Prozent reduzieren.
Kühlung aus dem Boden
Der wichtigste Energieträger für Heizung und Kühlung des Neubaus ist das Grundwasser. Dieses wird in zwei Entnahmebrunnen mittels Tauchpumpen aus 20 Metern Tiefe gefasst. Danach durchströmt es insgesamt vier grosse Plattenwärmetauscher zu jeweils 400 Kilowatt. Über einen Zwischenkreis wird die Energie dann für die Heizung respektive Kühlung bereitgestellt. D
ie Anlage ist für eine jährliche Nutzung von 275 000 Kubikmetern Grundwasser für die Wärmeerzeugung und weiteren 300'000 Kubikmetern für die Kälteerzeugung ausgelegt. Im Normalbetrieb strömen bis zu 4000 Liter pro Minute durch die Wärmetauscher. Danach wird das Wasser über zwei Rückgabebrunnen wieder in den Grundwasserstrom zurückgegeben.
Das Backhaus besitzt zwei Kältenetze mit unterschiedlichen Temperaturen. Das erste Kältenetz (14/20 Grad) dient vor allem der Luftkonditionierung. Es wird zudem zur Kühlung verschiedener Produktionsprozesse via Freecooling genutzt. Das zweite Netz (6/12 Grad) dient als technisches Kältenetz vor allem zur Entfeuchtung. Für das technische Netz kommt eine Kältemaschine mit einer Leistung von 480 Kilowatt zum Einsatz.
Eine weitere Maschine mit einer Leistung von 800 Kilowatt dient als Redundanz für das 14-Grad-Netz, falls das Grundwasser nicht für das Freecooling reichen sollte. «Die Maschinen werden gleichzeitig auch als Wärmepumpen genutzt für das Heisswasser- (65/58 Grad) und das Wärmenetz (54/44 Grad). So können wir alle benötigten Leistungen für das Heizen und Kühlen mit Ausnahme des Freecoolings über die beiden Maschinen abdecken», sagt Felix Frei. Die Maschinen werden mit dem natürlichen Kältemittel Ammoniak betrieben.
Heizen mit Erneuerbaren
Die Maschine mit 700 Kilowatt Leistung ersetzt den früher genutzten Ölkessel. Sie wurde als Spezialfertigung von der Walter Wettstein AG hergestellt und nutzt als Energieträger sowohl Abwärme aus den Produktionsprozessen wie auch das Grundwasser. Ungefähr ein Drittel der Gesamtleistung kann mittels Abwärmenutzung erzeugt werden, der Rest entfällt auf das Grundwasser.
Ein grosser Teil der Abwärme wird mit dem Rücklauf des Kühlnetzes abtransportiert und in zwei grossen Speicher von jeweils 31 000 Litern Volumen eingelagert. Ein weiterer Hochtemperatur-Heizspeicher mit einem Volumen von 9000 Litern dient als Wärmequelle für Schokolade-Aufwärmräume. Und auch beim Druckluftsystem, welches für zahlreiche Produktionsprozesse benötigt wird und eine zuverlässige Bandlast ergibt, besteht ein separater Speicher für die Wärmerückgewinnung.
Für die Wärmeverteilung werden fast alle Varianten genutzt. In der neuen Halle kommen Luftheizgeräte zum Einsatz, in den Büros Akustikpaneele, welche auch gekühlt werden können. Im Bestand wurden teilweise bestehende Heizkörper an das neue Netz angeschlossen.
Drei Klimazonen
Anspruchsvoll gestaltete sich auch die Konzeption und Umsetzung der Lüftung. «Die Produktionshalle ist rund 167 Meter lang. Der Neubau ist 17 Meter breit, nimmt man den angrenzenden Bestand dazu, sind es gar 42 Meter. Die Raumhöhen betragen rund viereinhalb Meter. Auf dieser enormen Fläche müssen wir quasi drei verschiedene Klimazonen schaffen. Auf der Westseite der Produktionshalle kann die Temperatur im Bereich von 18-22 Grad liegen, in der Mitte bei maximal 40 Grad und auf der Ostseite um die 18-25 Grad», sagt Christoph Ris, zuständiger Projektleiter Lüftung bei der Anex AG.
Insbesondere die sehr hohen Wärmelasten der Öfen waren eine grosse Herausforderung. Denn eine Abtrennung via Deckenschürze oder Trennwand ist in der Halle nicht möglich. Viel zu viele Leitungen und Rohre aller möglichen Gewerke und Maschinen schlängeln sich der Decke entlang. «Aus diesem Grund fahren wir mit den Lüftungskanälen auf dem Dach und gehen via Dachdurchdringungen in das Gebäude hinein, statt die Luft im Inneren zu verteilen», erläutert Ris.
Über die mittlere Zone mit den Öfen, die besonders viel Wärme erzeugt, wird gewissermassen ein Luftschleier gelegt. So gelingt es, die drei «Klimazonen» voneinander zu trennen. Für die nötige Leistung sorgen sieben auf dem Dach montierte Monoblöcke, die zu einer Anlage zusammengefasst sind.
Ein besonderes Augenmerk galt den Druckdifferenzen. Die Produktionshalle weist aus hygienischen Gründen gegenüber den angrenzenden Büroräumen und Treppenhäusern einen leichten Überdruck auf. In den grossen Backöfen muss ein diffiziles, eng umgrenztes Gleichgewicht zwischen Unter- und Überdruck gehalten werden, damit die Klimazonen und Gasöfen gleichzeitig funktionieren. «Am Schluss muss das Gebäck halt einfach überzeugen – die gesamte Technik ordnet sich dieser Vorgabe unter», sagt Ris.
Gebäudetechnik als Schoggijob
Trotz der anspruchsvollen Konzeption und Umsetzung konnten die Gebäudetechniker auch den einen oder anderen «Schoggijob» übernehmen. So kümmerte sich Christoph Ris beispielsweise um die Lüftungsplanung für Schokolade-Vorwärmräume. «Und auf einmal darf man sich mit dem spezifischen Wärmeverhalten von Schoggi auseinandersetzen – das ist schon toll.»
Auch sein Kollege Felix Frei beschäftigte sich im Zug des Energiekonzepts mit dem Warmhalten von Leitungen für flüssige Schokolade oder dem Kühlen frischgebackener Biscuits. Wichtig ist Gebäudetechnik immer – aber so «gluschtig» selten.