Das neue Produktkonzept Geberit One bietet unter anderem einen Waschplatz ohne sichtbaren Siphon. (Foto: Geberit)

Heizkörper im Bad verbinden das Nützliche mit einem ästhetischen Äusseren. (Foto: Zehnder)

Praktischer Blickfang: An der E-Lounge können E-Bikes oder Smartphones aufgeladen werden. (Foto: Repower)

Haustech 3/2019

Mehr als nur schön aussehen

Design und Funktionalität scheinen oft in Widerspruch 
zu stehen – gerade im technischen Bereich. Doch gutes Design beinhaltet nicht nur optische Aspekte. Drei Beispiele aus unterschiedlichen Branchen.

Designerstücke haben nicht das beste Image. Ihnen haftet der Ruf des Unpraktischen an, dessen schöngeistige Entwickler dem Optischen einen höheren Stellenwert eingeräumt haben als dem Nützlichen. Ein Paradebeispiel ist der Stuhl: Wer schon einmal für Stunden auf einem unbequemen «Designerstuhl» hat ausharren müssen und sich dabei Rückenschmerzen eingeholt hat, kann sich wohl kaum für das tolle Aussehen des Möbels begeistern.

Dass die Äusserlichkeiten dennoch nicht ganz irrelevant sind, selbst wenn der Nutzen im Vordergrund stehen muss, weiss man spätestens, seit Apple vor 20 Jahren den iMac präsentierte. Computer, das waren vorher unansehnliche und klobige Kästen, deren Entwickler kaum viel Gedanken für das Design verschwendeten. Wieso auch, bei einem PC steht schliesslich die Rechenleistung im Vordergrund. Die Erkenntnis, dass dies eben nur teilweise zutrifft, ist die Basis einer beispiellosen Erfolgsgeschichte von Apple, deren Produktfamilie einige Jahre später mit iBook, iPod, iPad und iPhone ihren Zuwachs fand. Heute haftet Mac ein Lifestyle-Image an, das nicht weiter entfernt sein könnte von der grauen Tech-Welt.

Von Technik zu Ausstattung

Den Grundsatz, ansprechende Optik mit Funktionalität zu vereinen, hat sich auch Geberit auf die Fahne geschrieben – der Slogan «Design Meets Function» zeugt davon. Seit der Übernahme des Sanitärkeramik-Herstellers Keramag im Jahr 2015 bietet das Schweizer Sanitärunternehmen nicht mehr nur die Installationstechnik hinter der Wand, für die es seit Jahren bekannt ist, sondern es hat sich zum kompletten Badezimmerausstatter weiterentwickelt.

An der ISH in Frankfurt konnte es die Resultate dieser Zusammenführung erstmals der Weltöffentlichkeit präsentieren. «Wir waren dieses Jahr hervorragend aufgestellt und konnten neben unserem neuen Geberit AquaClean Sela insbesondere mit der Innovation Geberit One punkten», erklärt Beat Aebi, Leiter Marketing und Produktmanagement Schweiz. «Damit vereinen wir unsere Kompetenzen hinter der Wand mit denjenigen vor der Wand.»

Siphon hinter der Wand

Die spektakulärste Neuerung ist dabei wohl der Geberit-One-Waschplatz. Augenfällig ist dabei vor allem der scheinbar fehlende Siphon. Der Abfluss findet sich nun hinter der Wand, genauer in einer Funktionsbox, in der sich auch der Überlauf, das Ablaufventil sowie Abschlussventile für die Armatur befinden – also alle technischen Komponenten an einem versteckten, aber doch gut zugänglichen Ort. Mit der «Verbannung» des Siphons hinter die Wand fällt nicht nur ein optisch nicht besonders attraktives Element weg, sondern es wird auch Platz gewonnen, der beispielsweise mit einem Unterschrank genutzt werden kann.

Neben dem Waschtisch bietet das neue Produktkonzept von Geberit auch einen optimierten Duschbereich, bei dem die Duschtrennwand (ab Oktober 2019 erhältlich) sowie zwei Nischenablageboxen ins System eingeschlossen werden, inklusive werkseitiger Abdichtung. Das Geberit-One-WC wiederum kann dank eines neuen Befestigungselements unkompliziert in der Höhe verstellt werden.

«Mit Geberit One konnten wir unseren Kunden erstmals in aller Konsequenz aufzeigen, welches Potenzial in der Integration von Sanitärtechnik und Badausstattung vor der Wand liegt», sagt Beat Aebi, der an der ISH sehr positive Kundenreaktionen erfahren hat. Dabei sei es weniger eine einzelne Komponente, sondern die Gesamtheit der Lösungen, die die Kunden überzeugt habe. «Viele Besucher bezeichneten es als den ‹nächsten Schritt› in der Sanitärinstallation.»

Heizkörper oder Smartphone?

Mit Design im Badezimmer setzt sich auch ein anderes Schweizer Unternehmen auseinander – und zwar im Bereich der Badheizkörper. Für Dominik Hof, Leiter Marketingkommunikation Zehnder Group Schweiz, ist dieser ein Paradebeispiel für die harmonische Verschmelzung von Funktionalität und Design. «Wir überlegen uns immer wieder aufs Neue, wie man die Nutzenerweiterung des Badheizkörpers ästhetisch realisieren kann», sagt Dominik Hof. «So entstehen Design-Heizkörper, die zu einem echten Blickfang werden und optisch den gesamten Badbereich aufwerten.»
An der ISH konnte der Hersteller unter anderem mit dem neuen Heizkörper Deseo Verso aufwarten. Optisch erinnert dieser mit seiner flachen, dunkel glänzenden Glasfassade mit Digitalanzeige ein wenig an ein übergrosses Smartphone. Der Handtuchhalter versteckt sich hinter dem Gerät und kann von Hand hervorgeklappt werden. Die Glasfassade hat jedoch nicht nur eine optische Wirkung. «Dank moderner Infrarottechnik verfügt der Heizkörper mit Glasoberfläche über eine schnelle Aufwärmphase», erklärt Dominik Hof. «Für eine komfortable Bedienung sorgen ein intuitives Touchpanel und ein zusätzliches Steuergerät.»

Ästhetische Wärme

Mit seinen Produkten – neben Heizkörpern auch Lösungen aus dem Bereich der Wohnungslüftung – hat Zehnder schon verschiedene Designpreise gewonnen. Auch der Deseo Verso wurde im Rahmen der ISH mit dem Preis Design Plus prämiert. «Solche Auszeichnungen belegen, dass wir mit unseren Innovationen anscheinend sehr häufig den Puls der Zukunft treffen», sagt Dominik Hof. «Das motiviert natürlich enorm.»

Gemäss der Einschätzung des Marketingspezialisten werden Design und Form, kombiniert mit einer effizienten Handhabung, eine zunehmend wichtigere Rolle spielen in der Haustechnik. «Auch technische Geräte sollen nicht nur praktisch und funktional sein, sondern auch gut aussehen.» Der Trend gehe dabei in Richtung «unsichtbarer Technik» – dass diese also komplett hinter einer optisch schönen Fassade verschwinde. Das technische Produkt verwandle sich so in ein Gestaltungs- bzw. Einrichtungselement. «Bei den neuen Zehnder-Badheizkörper-Modellen sieht man beispielsweise keinerlei Anschlussarmaturen und Zuleitungen mehr – nur noch ästhetische Wärme.»

Sitzbank mit Lademöglichkeit

Eher weniger mit Ästhetik muss sich hingegen ein Energieunternehmen befassen – so würde man denken. Im Fall von Repower ist das allerdings nicht ganz korrekt. Der Bündner Energieversorger engagiert sich verstärkt in der Elektromobilität und bietet mit Plug’n’Roll seit einigen Jahren eine schweizweite Infrastruktur zum Aufladen von Elektroautos, im Privat- wie auch im Business-Bereich, an. «Energie bedeutet für uns mehr als ‹nur› Strom», sagt Luca Mautone, Leiter Marketing & Kommunikation. «Das Thema Elektromobilität haben wir seit einigen Jahren vertieft und können somit auch innovative, funktionale und smarte Produkte auf den Markt bringen.»

Das neueste Resultat dieses Engagements heisst E-Lounge und ist eine Design-Sitzbank mit verschiedenen integrierten Stromanschlüssen – beispielsweise zum Aufladen von E-Bikes und Smartphones. Deren Ursprung liegt in Poschiavo, dem Hauptsitz des Unternehmens, wo im Rahmen eines Projekts das Tal mit sieben Elektroauto-Ladestationen ausgerüstet wurde. Die erste Sitzbank mit Lademöglichkeit wurde auf der Piazza des Dorfes platziert. «Schnell war für uns und unsere lokalen Partner klar, dass die E-Lounge mehr sein würde als ‹nur›  eine Ladestation für E-Bikes», so Mautone.

Nachhaltigkeit nicht vergessen

«Die Bank eignet sich für Gemeinden, Städte, aber auch Gastgeber, die ihre Kunden begeistern wollen», sagt Mautone. Die ersten Reaktionen auf das neue Angebot hat er als enthusiastisch erlebt, die 50 Produkte aus der ersten Produktion seien bereits verkauft. Ebenfalls überzeugen konnte die E-Lounge die Jury des German Design Award, die ihr einen der begehrten Preise verlieh. «Natürlich muss ein solches Urban-Design-Produkt erst ein paar Jahre auf dem Markt sein, bevor man sagen kann, ob die Idee gefruchtet hat oder nicht», gibt Mautone zu bedenken. Doch nach dem German Design Award habe er schon viele neue Anfragen erhalten. «Wir sind erst am Anfang», zeigt er sich optimistisch.

Das Bündner Unternehmen hat Erfahrung mit Design. So arbeitet die italienische Tochterfirma von Repower im Bereich E-Mobilität laut Mautone schon seit Jahren mit Designern zusammen, «Für uns geht es bei Design nicht nur um Produkte, sondern auch um Services», sagt der Marketingchef. «Dabei achten wir auch darauf, dass die nachhaltige Balance zwischen Design und Funktionalität nie vergessen geht.»

Funktion, Fabrikation, Relevanz

Die drei Beispiele zeigen: Design bedeutet offensichtlich mehr als nur «schön aussehen». In Fachkreisen ist das denn auch schon länger bekannt. So hat beispielsweise bereits der österreichische Designer Viktor Papanek sich in den frühen Siebzigerjahren mit seinem Buch «Design for the real world» kritisch mit Gestaltung und Konsum auseinandergesetzt und sich für ein funktionales, sozial gerechtes Design ausgesprochen.

Auch der Schweizer Designer Uli Huber, langjähriger Chefarchitekt der SBB, der kürzlich mit dem Berner Designpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, definiert Design als Schnittmenge von Funktion, Farbe, Fabrikation und gesellschaftlicher Relevanz. «Da wo die Kreise sich schneiden, da ist gutes Design», sagte er unlängst in einem Interview mit dem «Bund». Gerade solche Sätze relativieren so auch die populäre These, dass Design und Funktionalität zwingend in Widerspruch stehen müssen. Im Gegenteil: Das eine benötigt das andere.