Mit der Umsetzung der «digitalen Giesserei» hat Nussbaum die ganze Prozesskette vom Guss über die Bearbeitung bis zur Qualitätskontrolle (im Bild) neugestaltet. (Bild: zVg)

Mit Ausdauer zum Erfolg

Seit Sommer 2023 stellt Nussbaum alle eigenen Komponenten aus einer bleifreien Legierung her. Die Umstellung von Entwicklung, Guss, Bearbeitung und Montage der Komponenten dauerte knapp 20 Jahre und gelang dank überdurchschnittlichem Einsatz.

Zu Beginn der 2000er Jahre war das Giessereihandwerk eine anstrengende, manuelle und analoge Tätigkeit. «Unsere Modellschreiner stellten hölzerne Modellformen von Hand her, um die herum der Sand verdichtet wurde», erinnert sich Andreas Nussbaum, Leiter Produktion bei Nussbaum. Dieser Prozess, der über mehrere hundert Jahre nur kleinere Änderungen erfahren hatte, musste völlig auf den Kopf gestellt werden.

Neue, bleifreie Rotguss-Legierung

Denn 2005 entwickelte und patentierte Nussbaum eine neue, bleifreie Rotguss-Legierung. Die exakte Zusammensetzung wurde in den folgenden Jahren hinsichtlich Giessbarkeit und Bearbeitbarkeit verfeinert. Die sich schon früh abzeichnende Verschärfung der Bleigrenzwerte für Trinkwasser konnte damit zwar erfüllt werden, doch die neue Legierung verhielt sich beim Guss völlig anders als der klassische Rotguss. Um einen neuen, funktionierenden Gussprozess zu erarbeiten, spannte Nussbaum mit einem Startup der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) zusammen und beteiligte sich an der mehrere Jahre dauernden Entwicklung einer speziellen Simulations-Software. «Das war eine verrückte, aber auch sehr spannende Zeit. Wir mussten eine Software erarbeiten, die es nicht gab, um eine Legierung zu simulieren, von der wir noch fast keine Parameter kannten, um herauszufinden, wie der Guss trotz dieser vielen Unbekannten gelingen konnte», sagt Patrik Zeiter, Leiter Grundlagen, Werkstoffe und Schutzrechte bei Nussbaum.

Auch Bearbeitung neu zu erfinden

Dank der erfolgreichen Simulation, die auf der Finite-Elemente-Methode basiert, gelang das Kunststück. Doch als der Guss realitätsnah simuliert werden konnte, tauchte das nächste Problem auf. In der Bearbeitung verhielten sich die Komponenten aus der neuen Legierung komplett anders, denn das fehlende Blei führte zu einer viel höheren Materialhärte. Die bisher üblichen Schnittwerkzeuge verschlissen innerhalb von Minuten. «Nach dem Gussprozess mussten wir auch die Bearbeitung völlig neu erfinden, uns mit Schnittwinkeln und Beschichtungen auseinandersetzen und alles von Grund auf im Lauf einer mehrjährigen Fleissarbeit herausfinden», sagt Andreas Nussbaum.

Neue Schmierstoffe zu suchen

Als Guss und Bearbeitung klappten, erschien das dritte und letzte Hindernis, die Montage der Komponenten. «Blei ist sehr weich und hat gewissermassen eine Schmierwirkung. Manche Ventile, die jahrzehntelang anstandslos funktioniert hatten, liessen sich nun nicht mehr reibungslos öffnen. So mussten wir auch neue Schmierstoffe suchen respektive erfinden», berichtet Patrik Zeiter.

Am Ende des langen, sehr aufwendigen, aber letztlich erfolgreichen Weges steht eine rundum erneuerte Entwicklungs- und Fertigungskette. Das Entwicklerteam bei Nussbaum kann neue Teile digital modellieren, mit einer Simulation auf ihr Strömungsverhalten prüfen und am Bildschirm optimieren. Die hölzernen Gussmodelle werden nicht mehr von Hand, sondern mit hochpräzisen CNC-Maschinen gefertigt. Der anschliessende Guss, die Bearbeitung und Montage folgen ebenfalls neuen, im Zug der Umstellung entwickelten Prozessen.

Digitale Giesserei

«Auch wenn wir nach wie vor Legierungen bei über 1000 Grad Celsius schmelzen und etwas Physisches herstellen, sprechen wir von einer digitalen Giesserei. An der Oberfläche sieht unser Handwerk noch gleich aus, doch wir haben es radikal verändert und in die Gegenwart geholt», sagt Andreas Nussbaum. Der enorme Aufwand habe sich gelohnt: «Vom Entwurf einer neuen Komponente über den bleifreien Guss bis zur Bearbeitung und Montage können wir heute alles aus einer Hand und auf dem aktuellen Stand der Technik bieten und sind dabei den Normvorgaben voraus. Die Arbeitsplätze in unserer Giesserei können wir so langfristig erhalten und dazu beitragen, den Werkplatz Schweiz attraktiv zu halten.»