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Trinkwasser und Kunststoffe

Biofilme auf der inneren Oberfläche von Trinkwasserleitungen ermöglichen es, den Einfluss des Leitungsmaterials auf die Wasserqualität zu bewerten. Die Resultate sind brisant.

Cathrine Paul arbeitet mit ihrem Team an der renommierten Universität im südschwedischen Lund. Anhand eines neuen Analyseverfahrens hat die schwedische Forscherin in Trinkwasser eine neue Welt aus Mikroorganismen entdeckt. «Bislang konnten wir fast keine Bakterien sehen, jetzt finden wir 80 000 Mikroben – pro Milliliter Wasser.» Diese Kleinstteile schwimmen nicht frei im Wasser, sondern leben in Biofilmen an den Oberflächen der Leitungen.

Dieser Schleim umhüllt die Mikroben und  bietet ihnen ideale Lebensbedingungen. Mehr als tausend verschiedene Arten von Bakterien sind es nach Einschätzung der Forschergruppe. Doch eine unmittelbare Gefahr geht von diesen Bakterien nicht aus. Im Gegenteil: Auf unserer Haut und im Darm tummeln sich auch sehr viele Mikroben – diese Koexistenz sei für die Gesundheit des Menschen entscheidend. Untersuchungen an der EAWAG und an der Hochschule Luzern bestätigen diesen Befund.

Bakterien zeigen Mängel

Aufgefallen ist den schwedischen Forschern, dass in rostigen Wasserleitungen eine völlig andere Artenvielfalt von Bak-terien lebt als in Röhren aus Kunststoff. Offenkundig gibt die Mikroben-Population Auskunft über den Einfluss des Leitungsmaterials auf die Wasserqualität – sozusagen ein biologischer Fingerabdruck. Bei den Forschern läuft dieser Effekt unter dem Begriff «Migration», was bedeutet, dass Teile aus dem Leitungsmaterial ins Trinkwasser migrieren. Besonders interessant ist der Befund, dass sich die Keimzahlen je nach Leitungsmaterial und Standzeiten des Wassers in der Leitung sehr stark unterscheiden. Dies geht aus Untersuchungen an der EAWAG in Dübendorf und des Zentrums für Integrale Gebäudetechnik (ZIG) an der Hochschule Luzern hervor.  

Epoxid mit kritischen Werten

Im Test waren Leitungen aus Epoxidharz und zwei verschiedenen Varianten von vernetztem Polyetylen (PE-Xa und PE-Xc). Das Wasser in Epoxidleitungen weist deutlich höhere Totalzellzahlen auf als die Wasserproben im Polyetylen-Mantel. Und das sowohl nach einer Spülung als auch nach einer 48-stündigen Stagnation des Wassers in den Leitungen. Das Resultat ist insofern brisant, als dass viele Firmen Sanierungen von lecken Trinkwasserleitungen anbieten und dabei einen Innenmantel aus Epoxid ins Rohr einbringen. Sehr viel besser schneidet Epoxid als Leitungsmaterial hinsichtlich der «totalen organischen Kohlenstoffe, TOC» ab.       

Vier Faktoren

«Die Kombination von recht hohen Temperaturen, Stagnation des Wassers, kleine Leitungsdurchmesser und migrationsaktive Materialien führt zu einer Veränderung der mikrobiologischen und chemischen Qualität des Trinkwassers» – so die Quintessenz einer EAWAG-Studie. Neben der Materialwahl sollte nach Einschätzung der Wissenschaftler auf die Inbetriebnahme von häuslichen Wassernetzen besonders geachtet werden. Im Gegensatz zu öffentlichen Unternehmen der Wasserversorgung spülen private Hauseigentümer oder beauftragte Installationsfirmen Gebäudenetze vor der Inbetriebnahme nur in Ausnahmefällen. Deshalb sei es wichtig, Sanitärinstallateure durch Schulungen auf diese Probleme hinzuweisen. Besonders wirksam wären Spülungen mit relativ hohen Temperaturen, z. B. 60 Grad, und mit Javel-Wasser.     
 

Der vollständige Artikel ist in der Haustech-Ausgabe 6/2016 erschienen.