Urs Bobst: «Bei korrekter Auslegung von Anlagen ist die noch weit verbreitete ‘Legionellenschaltung’ komplett überflüssig.» (Bilder: zVg)

Urs Bobst: «Die fachliche Weiterbildung und das periodische Training zur korrekten Anwendung der Produkte und Systeme ist fundamental wichtig.»

Gussprozess: Nussbaum hat seine Produkte auf die bleifreie Rotgusslegierung umgestellt.

Bei den Verteilsystemen im Keller und in den Steigzonen hat sich Edelstahl als hervorragender Werkstoff durchgesetzt, so Urs Bobst.

Interview mit Urs Bobst, Nussbaum

«Unser CO2-Ausstoss konnte um 65% reduziert werden»

Das Unternehmen Nussbaum will mit verantwortlicher Firmenpolitik unnötiger Umweltbelastung, Übernutzung von Ressourcen oder dem Klimawandel trotzen. Auch Unternehmen haben demnach eine grosse Verantwortung in ihrem Wirken zu übernehmen. Gemäss Urs Bobst, Leiter Innovation und Partner, ist Nussbaum für mehr Energieeffizienz, sowohl was seine Produkte als auch das eigene Unternehmen betrifft, richtungsweisend unterwegs.

 

Urs Bobst, unter Nachhaltigkeit versteht Nussbaum die Optimierung von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielsetzungen, so dass kommenden Generationen eine intakte Umwelt hinterlassen werden kann. Was steht dabei im Vordergrund?

Das Thema Nachhaltigkeit ist im Familienunternehmen Nussbaum seit Generationen tief verankert. Im Bestreben, eine intakte Firma langfristig und über Generationen hinweg zu entwickeln, wurde den ökologischen und sozialen Aspekten bereits in hohem Mass Rechnung getragen, weit bevor der Begriff Nachhaltigkeit die heutige Medienpräsenz hatte. Bereits 1998 führte Nussbaum ein Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 ein. Damit verpflichtete sich das Unternehmen als erster europäischer Hersteller Armaturen und Systeme Sanitär- und Heiztechnik zur regelmässigen Prozessanalyse bezüglich Umweltaspekten. Dabei ist klar, dass diese Bestrebungen auch die wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung ermöglichen mussten. Im aktuellen Umfeld, mit verändertem Fokus auf die Energieverfügbarkeit und die Energiekosten, erlangt dieser Zusammenhang eine neue Dimension.

Was wurde bisher in Ihrem Unternehmen erreicht?

Der gesamte Gebäudebestand von Nussbaum wird bei Sanierungen und Neubauten bezüglich Energieverbrauch laufend optimiert. Mittlerweile sind praktisch alle Liegenschaften energetisch saniert und die Anlagen für Wärme- sowie Kälteerzeugung entsprechen modernem Standard. Die positiven Auswirkungen sind in der laufenden Reduktion des CO2-Ausstosses ersichtlich. Seit 2007 werden Vereinbarungen mit der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) abgeschlossen. Verglichen mit dem Referenzjahr 1990 konnte unser CO2-Ausstoss um rund 65% reduziert werden, in diesem Zeitraum hat sich der Umsatz von Nussbaum rund verdreifacht.

Der energieintensive Giessprozess wird weiterhin laufend optimiert, im Verlauf 2023 folgt die Umsetzung einer innovativen Idee mit grossen Einsparungspotential. Mit der 2022 fertiggestellten Photovoltaikanlage, ist die Giesserei nicht mehr nur Stromverbraucher, sondern auch Stromproduzent. Der Solarstrom wird zu 100% direkt in der Giesserei verbraucht, weitere Photovoltaik-Flächen sind in Planung.

Mit einem Teil der Abwärme der Nussbaum-Giesserei werden benachbarte Gebäude via Fernwärme beheizt. Der thermische Jahresbedarf der Gebäude beträgt rund 1200 Megawattstunden. Diese Leistung kann neu mit Abwärme abgedeckt werden, und die alten Öl- respektive Gaskessel wurden ausser Betrieb genommen.

Was wurde bei den Produkten für die Gebäudetechnik bezüglich Energieeffizienz erreicht?

Bei unseren Sanitär- und Heiz-Installationssystemen bildet die Materialisierung mit langlebigen Werkstoffen die Basis für effiziente und dauerhafte Lösungen. Die konsequente Umsetzung des Nussbaum-Hygienekonzepts für die Trinkwasserverteilung im Gebäude reduziert den Energieverbrauch bei gewährleisteter Trinkwasserhygiene. So ist bei einer korrekten Auslegung der Anlage, die noch weit verbreitete «Legionellenschaltung» komplett überflüssig, ja aus hygienischer Sicht sogar kontraproduktiv. Dieses einfache Beispiel zeigt das grosse Potential in der Gebäudetechnik, das mit durchdachter Auslegung und optimiertem Betrieb abgeschöpft werden kann. Ein zusätzliches Beispiel für den optimierten Betrieb ist Therm-Control, unsere einzigartige Lösung für eine effiziente Fussbodenheizung.

Bei der Materialwahl nehmen Edelstahl, Rotguss oder Kupfer eine bevorzugte Stellung ein. Was denken Sie, warum haben Produkte aus Kunststoff, mit Ausnahme von Rohren, eine so geringe Akzeptanz bei Schweizer Installateuren?

Bei einer Produktentwicklung definieren die geplante Funktion und die erwarteten Belastungen im Betrieb weitgehend die Materialisierung. Bei Installationssystemen und Roharmaturen ergeben sich aus den geforderten Druckbereichen (16-25 bar) und dem Temperaturbereich für Kalt- und Warmwasser sehr hohe Anforderungen. Zudem werden die Produkte im Baustelleneinsatz und später im Betrieb erheblich mechanisch und chemisch belastet. Diese Belastungen kennt der Schweizer Installateur aus der Praxis und entscheidet sich wohl deshalb bei Bauteilen mit mechanischer Belastung eher für Metallprodukte. Wir berücksichtigen in unserem Installationskonzept speziell auch die Aspekte Hygiene und Langlebigkeit bei der Werkstoffwahl. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren bevorzugen wir bei den Verteilsystemen und Armaturen eindeutig Edelstahl und Rotguss.

In den letzten Jahren haben wir unsere Produkte sukzessive auf die bleifreie Rotgusslegierung umgestellt. Bei den Verteilsystemen im Keller und in den Steigzonen hat sich Edelstahl als hervorragender Werkstoff durchgesetzt, das Kupferrohr ist in der Schweiz praktisch verschwunden. Für die Etagenverteilung bietet das Kunststoffrohr (PEX-c) mit Optiflex-Profix maximale Verarbeitungsvorteile.

Therm-Control ist ein neues System für die Einzelraumregelung von Fussbodenheizungen (FBH). Das Regelmodul kontrolliert mittels Raumthermostaten permanent die Raumtemperatur und überwacht die einzelnen Heizkreise. Mit diesem Produkt dringen Sie in einen gesättigten Markt ein. Marktanteile lassen sich also nur zu Lasten des Wettbewerbs gewinnen. Was macht Nussbaum im Bereich FBH besser als die Konkurrenz?

Therm-Control regelt die einzelnen Heizkreise aufgrund von Sensoren am Rücklauf jedes einzelnen Heizkreises, der Raumthermostat liefert einzig den Ziel- und Ist-Wert aus dem Raum. Durch diese Anordnung berücksichtigt die Steuerung Einflüsse von aussen, wie Sonneneinstrahlung, Lüften etc., viel schneller als eine herkömmliche Einzelraumregelung, die mittels Temperatur des Raumthermostaten geführt wird. Diese optimierte Regelung führt zu konstanteren Raumtemperaturen, mehr Wohnkomfort und zu erstaunlich hohen Energieeinsparungen. Wir konnten den theoretisch ausgewiesenen Wert der Einsparungen von bis zu 20% nach der Nachrüstung der Steuerung über zwei Heizperioden hinweg nachweisen. Dieses Leistungsverhalten, die einfache Möglichkeit der Fernbedienung sowie die optimale Möglichkeit der Nachrüstung - wir brauchen keine Verkabelung zum Raumthermostaten - machen das Produkt tatsächlich einzigartig.

Mit KI-Steuerungen lassen sich Energieverbräuche weiter optimieren. Damit kann auch ein besserer Benutzerkomfort erreicht werden. Wie geht Nussbaum mit solchen Entwicklungen um?

Bereits ohne KI können Steuerungen wie Therm-Control künftig wiederkehrende Phänomene wie übermässiges Aufheizen oder Auskühlen von Räumen erkennen und das Überschwingen der Raumtemperaturen durch angepasste Regelalgorithmen minimieren. Das aktuelle Produkt beinhaltet bereits Parameter, die sich im Betrieb selbständig optimieren. Wir werden künftig auch die Möglichkeit haben, zusätzliche Regelgrössen wie zum Beispiel Daten aus Wetterprognosen, bei der Steuerung der Energieabgabe an den Raum zu berücksichtigen.

Darüber hinaus sind für viele Funktionen selbstlernende Systeme denkbar, aus meiner Sicht werden sich diese Anwendungen aber in einem nächsten Schritt in digitalen Dienstleistungen und im industriellen Umfeld durchsetzen.

Intelligente Vernetzung einzelner Komponenten und Systeme der Gebäudetechnik erhöht nicht nur den Komfort für die Nutzer, sondern stellt auch eine nachhaltige und effiziente Bewirtschaftung der Gebäude sicher. Wie lassen sich die Nussbaum-Produkte optimal in die Gebäudeleittechnik integrieren?

Unsere Produkte und Lösungen werden immer nur einen Teilbereich der Gebäudeautomation bilden, und wir sind bestrebt, die erforderlichen Schnittstellen zu anderen Produkten und Systemen anzubieten. Trotz dem Bestreben nach Integration bin ich persönlich der Meinung, dass mit autonomen, in sich einfach funktionierenden Lösungen, die Komplexität in der Gebäudetechnik möglichst tief gehalten werden muss. Für den zuverlässigen Betrieb über die lange Nutzungsdauer des Gebäudeparks muss auch künftig möglich sein, ein Standardgebäude mit dem vorhandenen Know-how im Bereich Unterhalt zu betreiben. Weiter werden sich für die Vernetzung von Funktionen in den Gebäuden, die offenen Standards noch stärker etablieren und durchsetzen. Dadurch wird sich der korrekte und effiziente Betrieb von Anlagen weiter vereinfachen müssen.

Der Markt stellt hohe Ansprüche an die Hersteller, und es wird sicher nicht einfacher in der Zukunft. Der Hersteller wird auch immer mehr zum hilfreichen Partner in oder für die Praxis. Welchen Stellenwert haben die Nussbaum-Trainings in der Branche in dieser Hinsicht?

Die fachliche Weiterbildung und das periodische Training zur korrekten Anwendung der Produkte und Systeme ist fundamental wichtig - auch das gehört zur Nachhaltigkeit. Sich ändernde Grundlagen und Vorschriften verlangen immer wieder neue Vorgehensweisen bei der Planung und Erstellung von Anlagen. Dazu stellen wir der Branche laufend baustellentaugliche Hilfsmittel zur Verfügung und trainieren die notwendigen Vorgehensweisen.

In der Entwicklung steht die möglichst einfache Anwendung der Produkte und Systeme immer im Vordergrund, die korrekte Verarbeitung muss aber dennoch zwingend periodisch trainiert werden. Dadurch kann für den verarbeitenden Betrieb und damit auch für uns als Hersteller das Risiko von Folgeschäden markant gesenkt werden. Zudem schätzen wir im Nussbaum-Training die vielen wertvollen Praxis-Feedbacks aus unserer Kundschaft.

In welchen Bereichen der Gebäudetechnik sehen Sie das grösste Potential?

Bei Wohnbauten stehen eindeutig die Erzeugung von Raumwärme und -Kühlung sowie die Erzeugung von Brauchwarmwasser im Zentrum. Mit zunehmend optimal gedämmten Gebäuden rückt der Energiebedarf für die Erzeugung und Verteilung von Brauchwarmwasser in den Gebäuden immer mehr in den Vordergrund. In modernen Gebäuden entfällt über 50% des Energiebedarfs auf die Erzeugung von Brauchwarmwasser. Neben dem enormen Sanierungspotential in diesem Bereich geht der Trend weiterhin zu grösseren Objekten. In grossen Objekten sind konzeptionelle Entscheidungen, wie zum Beispiel die Frage, ob Funktionen zentral oder dezentral zu lösen sind, entscheidend. Zudem besteht in der optimalen Regelung der erwähnten Prozesse grosses Potential.

Was ist im neuen Jahr von Nussbaum in Bezug auf nachhaltige Entwicklungen und energieeffiziente Produkte für die Branche zu erwarten? Was ist in Planung und was wird vorgestellt?

Bei der Raumwärme und Raumkühlung setzen wir weiterhin einen starken Akzent in der Marktbearbeitung und Weiterentwicklung von Therm-Control. Damit bieten wir im Neubau und auch in der Sanierung eine einfache Lösung, um den Energieverbrauch, unabhängig von System der Erzeugung, um bis zu 20% senken zu können. Ich ziehe dabei gerne das Verhältnis von Investition und Einsparung als Kennzahl heran – mir ist kaum eine effizientere Massnahme zur Energieeinsparung in Gebäuden bekannt.

Das Thema Brauchwarmwasser beschäftigt uns in zwei Richtungen: Erstens wollen wir für die Verteilung und Warmhaltung von zentral erzeugtem Brauchwarmwasser noch optimalere Lösungen anbieten. In den kommenden Jahren wird der Energieverlust für diesen Bereich in den Vordergrund rücken, das Bewusstsein bezüglich des grossen Energiebedarfs für die «Warmwasserlogistik» im Gebäude wird steigen. Diese Überlegungen führen zur zweiten Stossrichtung, wir verfolgen neue Ansätze für die dezentrale Erzeugung von Brauchwarmwasser. Dabei ist unser Anspruch ebenfalls, gegenüber dem Stand der Technik namhafte Energieeinsparungen realisieren zu können und auch punkto Trinkwasserhygiene herausragende Vorteile präsentieren zu können.