Elektrotechnik

(Bild: SwissSkills)

EuroSkills 2018 – Interview mit Daniel Gerber

«Es war ein Riesenerlebnis!»

Im September fanden die 6. EuroSkills Competitions in Budapest statt. Mehr als 500 junge Teilnehmende aus Europa traten an, um sich mit den Besten ihres Berufs zu messen. Daniel Gerber aus Hirzel, Elektroinstallateur bei der Ammann Elektro AG in Horgen, gelang mit 796 von 800 Punkten ein nahezu perfekter Wettkampf. Er holte sich Gold sowie die Titel «Best of Nation» und «Best of Europe». Mit uns sprach er über die Herausforderungen an der Europameisterschaft und seinen Weg zum Erfolg.

Sie waren Spitzensportler und erwähnten kürzlich in einem Interview, dass sich Ihre Lehre als Elektroinstallateur gut mit dem Skitraining vereinbaren liess. Wie hat das funktioniert?

Ich hatte das Glück, dass ich meine Ausbildung im Unternehmen meines Göttis machen durfte. Er hat meine Leidenschaft für den Skirennsport, aber auch später meine Ambitionen, an den Berufsmeisterschaften teilzunehmen, immer unterstützt und mir die entsprechende Zeit dafür eingeräumt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar – und natürlich auch meinen Arbeitskollegen, die ja meine Aufgaben in dieser Zeit mit übernehmen mussten.

Eine schwere Krankheit zwang Sie im ersten Lehrjahr dazu, mit dem Leistungssport aufzuhören und auch mit der Ausbildung zu pausieren. Viele wären in einer solchen Situation nur schon froh,wieder gesund in den Alltag zurückkehren zu dürfen. Für Sie ging es aber ein gutes Jahr nach Ihrer Gesundung bereits an die Regionalmeisterschaft und später an die SwissSkills. Was war Ihr Antrieb?

Die Rückkehr in den Alltag habe ich mir sehr mühsam erkämpft: in vielen kleinen Schritten. Aber ich bin eine Kämpfernatur, das hat mir sehr geholfen. Und ich mag es eben auch, mich mit anderen zu messen. Neben vielen anderen Dingen ist mir auch der Wettkampfgedanke vom Spitzensport geblieben. Ausserdem macht mir mein Beruf extrem viel Freude. Mehr Antrieb brauchts nicht.

Welche Fähigkeiten muss man mitbringen, um sich an den EuroSkills behaupten zu können?

Natürlich brauchts eine sehr gute Fachkompetenz, aber auch mentale Stärke. Es wird immer wieder alles repetiert, damit es an den Meisterschaften auch sitzt, da sind Fleiss und Durchhaltevermögen gefragt. Und man muss in der Lage sein, im Team zu arbeiten. Ich war ja nicht allein in Budapest. Meinen Erfolg verdanke ich massgeblich auch meinen Coaches und Adrian Sommer, dem Chefexperten des Berufs Elektroinstallateur. Wir haben dort alle an einem Strang gezogen.
Aber letztlich muss man es einfach nur wirklich wollen. Dann fällt es einem auch leicht, alles andere für diese Zeit zurückzustellen. Man weiss ja, wofür man es tut.

Wofür tut man es denn?

Zum einen habe ich es für mich getan. «Sehen, was passiert, wenn man nicht aufgibt» ist in meinem Leben schon oft ein Leitgedanke gewesen. Ich wollte meine Grenzen ausloten und erleben, was ich erreichen kann, wenn ich alles dafür gebe. Und zum anderen habe ich es natürlich auch für die Menschen getan, die mich unterstützt haben. Dass sie an mich geglaubt haben, hat mich enorm angespornt.

Wie haben Sie sich auf die EuroSkills vorbereitet?

Als Drittplatzierter bei den Schweizer Meisterschaften hatte ich mich ja für die EuroSkills qualifiziert. Ich habe zusammen mit den WorldSkills-Teilnehmern Trainingseinheiten absolviert und Kurse besucht. Die Firma Feller AG in Horgen verfügt über ein Trainingscamp, das ich benutzen durfte. Die letzten zwei Monate vor den EuroSkills waren besonders intensiv. Da war auch viel Eigeninitiative gefragt. Ich habe in dieser Zeit eigentlich jede freie Minute geübt.

Gab es während der intensiven Vorbereitungszeit auch mal einen Durchhänger?

Es gab schon mal Tage, an denen ich überhaupt keine Lust hatte. Dann habe ich mir eine kurze Auszeit gegönnt, war zum Beispiel Velo fahren, Fussball spielen oder joggen, um den Kopf durchzulüften. Der Sport war mir in der Zeit besonders wichtig, den brauchte ich als Ausgleich.

Erzählen Sie mir etwas über die Wettbewerbsaufgabe?

Wir hatten eine Installationsaufgabe mit der Motorensteuerung LOGO von Siemens, über IP verknüpft mit einer KNX-Hausinstallation mit Steckdosen, Beleuchtung, Klimaregulierung und Szenenprogrammierung.
Am ersten Wettkampftag hatten wir sieben Stunden Zeit für die Installation auf den drei Holzwänden und am zweiten Tag sechs Stunden. Dazu kamen noch die Erstprüfung der Anlage, der Nachweis der elektrischen Sicherheit und eine Theorieprüfung. Am letzten Tag hatten wir vier Stunden Zeit für die Programmierung der Anlagenfunktionen.

War die Aufgabenstellung vor dem Wettbewerb bekannt?

Anhand der Infrastrukturliste ist ersichtlich, welche Systeme und Komponenten verwendet werden. Die Programmierungsaufgabe kennt man allerdings nicht, die erfährt man erst bei Wettbewerbsbeginn.

Es war zu lesen, dass Sie während der EuroSkills mit Schmerzen zu kämpfen hatten. Was war passiert?

Ich hatte mir zuvor eine Muskelquetschung zugezogen, die während des Wettkampfs zu einer grossen Schwellung und einem Bluterguss führte. Das tat nicht nur sehr weh, sondern behinderte mich auch bei den Installationen, die man auf dem Boden montieren musste.

Wie gelang es Ihnen, mit diesen Schmerzen auf den Wettkampf fokussiert zu bleiben?

Der Schmerz war eigentlich ständig präsent. Aber die Chance, an den Euro-Skills teilzunehmen, hat man nur einmal im Leben, da heisst es einfach «durrebiesse».

Gab es weitere heikle Momente?

Eigentlich nicht, aber von aussen betrachtet gab es da wohl eine Situation, die zumindest so wirkte, wie mir meine Eltern später berichteten: Am Wettkampf habe ich die erste Stunde nur angezeichnet, während links und rechts von mir schon fleissig montiert wurde. Aber das hat mich nicht interessiert. Ich weiss vom Parallel-Slalomfahren: Wer rüberschaut, verliert. Man verliert dann das Ziel aus den Augen. Ich hab mich konsequent an den Plan gehalten, den ich mit Adrian Sommer aufgestellt hatte, und der ist wunderbar aufgegangen.

Wie fühlt es sich an, auf dem obersten Treppchen zu stehen?

Vor der Siegerehrung war ich sehr nervös. Ich wusste zwar, dass ich mein Bestes gegeben hatte, aber mir waren auch ein, zwei Fehler unterlaufen. Man kann sich nie sicher sein, es geschafft zu haben. Als ich dann bei der Rangverkündigung aufgerufen und auf das oberste Podest gebeten wurde, war ich sehr glücklich – aber auch dankbar für die grosse Unterstützung von all den Menschen, die mich auf diesem Weg begleitet haben: meine Trainer, die Sponsoren, mein Arbeitgeber und die Arbeitskollegen, meine Familie und Freunde. Es war für uns alle ein Riesenerlebnis!

Hat sich Ihr Alltag seitdem verändert?

Im Moment gibt es viele Interview-Anfragen. Die machen mir Spass, ich bin ja ein sehr kommunikativer Mensch. Mein Erfolg hat sich auch bei unseren Kunden herumgesprochen. Viele gratulieren mir und sagen: «Dann bekomme ich ja jetzt eine Europameister-Installation!» Ich hoffe, dass mein Arbeitgeber ein wenig von meinem Sieg profitieren kann, denn er hat ja auch viel in meinen Erfolg investiert, wenn man allein nur die Arbeitszeit bedenkt, die ich ausgefallen bin.

Sie gewannen an den EuroSkills ja nicht nur Gold, sondern wurden auch «Best of Nation» und «Best of Europe». Wie kann man an einen solchen Erfolg anknüpfen? Welches sind Ihre neuen Ziele?

Im Dezember beginne ich mit der Weiterbildung zum Elektroprojektleiter Installation und Sicherheit. Ich habe mich bei dieser Weiterbildung für Blockunterricht entschieden, dann kann man sich entweder gezielt auf die Schule konzentrieren oder auf die Arbeit. Aber jetzt bin ich erst einmal froh, dass ich wieder mehr Zeit für mich habe und meine Tage nicht mehr so verplant sind. Ich freue mich darauf, wieder mehr Sport zu treiben, Freunde zu treffen und mal in die Ferien zu gehen.

Herr Gerber, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin beste Gesundheit und viel Erfolg!

 

Aus ET Elektrotechnik 11/2018