Installations- und Gebäudetechnik

Bild: zVg

Die Jahre sind gezählt

Seit über 20 Jahren werden sie in unzähligen Gebäuden, Anlagen und Maschinen eingebaut: Die Automatisierungsgeräte von Siemens. Die S7-4xx- und S7-3xx-Linie wurde für fast alles eingesetzt, was es zu automatisieren gab. Nun geht ihre Ära langsam, aber sicher zu Ende. Die Ablösung soll aber sauber umgesetzt sein.

Wir haben es eingangs bereits erwähnt, die Automatisierungsgeräte S7-300 und S7-400 wurden in den letzten 20–30 Jahren für die verschiedensten Automatisierungsaufgaben eingesetzt. Von Gebäudeautomation über sämtliche mögliche Varianten im Bereich des Anlagenbaus bis hin zu Maschinensteuerungen. Auch in Fahrzeugen wurde sie schon gesichtet.

Nun ist aber das Ende einer Ära in Sicht und beschlossen. Die Ablösungen laufen teilweise bereits auf Hochtouren. Ein immer grösserer Teil der Geräte läuft zwecks Weiterentwicklung seitens Hersteller sukzessive aus. Das Konzept von Siemens sieht eine Verfügbarkeit nach der Abkündigung von mindestens 5 bis maximal 10 Jahren vor. Jedoch sind in diesem Zeitraum die Geräte nur gegen Austausch direkt vom Hersteller erhältlich. Im Erweiterungsfall der betroffenen Anlage ist man auf die eigenen Ersatzteile oder das Lager der Unternehmer angewiesen. Dies könnte jedoch erhöhte Investitionskosten hervorrufen. Der Support seitens Siemens wird nach dieser Frist ebenfalls eingestellt.

Die Lebenserwartung eines SPS/PLS-Systems beträgt ca. 10–15 Jahre. Mitte der 90er-Jahre stand die Automationsbranche vor einer ähnlichen Situation. Die auslaufende S5-Linie war grösstenteils abgekündigt und die damals neue S7-Linie stand vor dem «Durchbruch» auf dem Markt. Viele Anlagenbesitzer haben damals durch den weitsichtigen Einsatz einer neuen Technologie (S7) statt der auslaufenden S5-Linie von Siemens die Lebenserwartung um einige Jahre übertroffen. Die Situation stellt sich heute wieder ähnlich dar. Die S7-300- und 400-Familien sind zu einem grossen Teil abgekündigt. Heute wird die S7-1500-Familie eingesetzt.

Praxisbeispiel

Wir haben uns bereits in der ET 5/6 2020 und ET 7/2021 mit unserem Beispiel aus der Praxis beschäftigt. Damals haben wir uns den Stand der Technik auf dieser Anlage etwas genauer angesehen und eine kleine Auslegeordnung erstellt. Die im Einsatz stehenden Automatisierungs­komponenten wurden aufgelistet inkl. der geleisteten Arbeit bzw. Einsatzdauer während 7 Tagen in der Woche und das an 24 Stunden. Ebenfalls haben wir die beiden Varianten «Gesamtlösung» und «Teilersatz» angesehen bzw. beschrieben.

Mittlerweile ist wiederum etwas mehr als ein Jahr vergangen und wir wollen betrachten, was sich seither getan hat bzw. entschieden wurde.

Kostenfreigabe

Die Freigabe der Finanzen erfolgte durch die Stimmbürger im Rahmen der ordentlichen Budgetgenehmigung der Gemeinde. Die Beiträge, welche die Grosseinleiter zu bezahlen haben, werden durch die Gemeinde in Rechnung gestellt. Die Gemeinde tritt somit gegenüber den Auftragnehmern als «alleiniger» Bauherr auf. Nach der Entscheidungsfindung und der Kostenfreigabe auf Basis des ausgearbeiteten Kostenvoranschlages durch die Bauherrschaft konnte die SIA-Planungsphase 4 ausgelöst werden. Diese umfasst bekannterweise die Ausarbeitung des Ausschreibungsprojektes und der damit verbundenen Ausschreibungen. Die anstehenden Arbeiten wurden in nachfolgende «Pakete» aufgeteilt.

Elektroinstallation

Schaltgerätekombination

Automatisierung/Leitsystem (SPS/PLS)

Diese Aufteilung der Arbeiten ist im Anlagenbau üblich. Sie stellt auch sicher, dass für einen Teil der Arbeiten die regionalen Firmen mitrechnen können. Es ist naheliegend, dass die öffentliche Hand die Aufträge möglichst in ihrem eignen ­Gemeindegebiet vergeben möchte. Aber Achtung, «Heimatschutz» ist im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens (strengstens) verboten.

Auftrag Elektroinstallationen

Die Arbeiten umfassen im Wesentlichen folgende Arbeiten.

Ausbau des LWL-Kommunikationsringes in einem Teil der Anlage

Erstellung der neuen Profinet-Leitungen

Erstellung von diversen Netzzuleitungen (230V AC) und Steuerspannungs­versorgungen (24V AC und DC)

Installation des neuen Kommando­raumes

Div. Rückbauten und Anpassungen der Profibus-DP-Leitungen

Im Rahmen der ersten Etappe der damaligen Sanierung wurden noch LWL-Leitungen mit 2 – 4 Fasern verlegt, dies aus Kostengründen. Heute sind diese Entscheide kaum mehr nachvollziehbar, gibt es doch kaum mehr WLW-Leitungen mit weniger als 24 Fasern. Dies hatte zur Folge, dass in einem Teil der Anlage die Leitungen ersetzt werden müssen. Im Anlagenteil, der am wenigsten alt ist, wurden bereits LWL-Leitungen mit 24 Fasern verlegt.

Durch den mindestens teilweisen Wechsel von Profibus DP auf Profinet, müssen diverse Kommunikationsleitungen neu erstellt werden. Im Wesentlichen geht es um die Kommunikation der verschiedenen I/O-Module (ET200SP) mit dem Automatisierungsgerät. Dabei wird für die I/O Module in den einzelnen Feldern der Schalt­gerätekombination eine Ringleitung gebildet. Dezentrale I/O-Module, wie beispielsweise in einem Pilotventilkasten (PVK) werden über Stichleitungen auf die Automatisierungsgeräte aufgeschaltet.

Durch die teilweise Entflechtung der verschiedenen Steuerspannungen im ältesten Teil der Anlage sind zusätzliche Leitungen nötig. So wird neu auf der gesamten Anlage jedes Feld konsequent mit einer eigenen Zuleitung für die jeweiligen Steuerspannungen (230V AC, 24V AC und/oder DC) versorgt. Dies entspricht dem aktuellen Stand der Technik und ist heute durchwegs üblich. Dieses Konzept vereinfacht eine Ab-schaltung, Umbauten oder gar einen Wechsel eines gesamten Feldes wesentlich.  ❭

Im Rahmen des laufenden Projektes wird das heutige Sitzungszimmer mit dem aktuellen Kommandoraum getauscht. Das heisst wiederum, dass die beiden Räume ihre Funktion tauschen. Somit wird es nötig, im neuen Kommandoraum die entsprechenden Netz- und Kommunikationsanschlüsse für die PC-Arbeitsplätze und den Grossbildschirm zu erstellen, der Kommandoraum wird auch neu möbliert. Durch die beschriebene, strikte Trennung der beiden Netzwerke (Leitsystem und Büro-IT) sind mehr Arbeitsplätze und somit auch mehr Anschlüsse nötig.

Durch den Wegfall von diversen Profibus-DP-Teilnehmern (I/O Module) muss dieses Netzwerk ebenfalls angepasst und eine Vielzahl von Leitungen demontiert werden. Da nicht alle Profibus-DP-Teilnehmer ersetzt werden, muss dieses Netzwerk weiterbetrieben werden können. Dabei handelt es sich in der Mehrzahl um die vorhandenen Frequenzumformer, welche nach wie vor über Profibus-DP mit der Automatisierung kommunizieren. Hier ist ein Wechsel auf Profinet beim Wechsel des Gerätes angedacht.

Auftrag Schaltgerätekombinationen

Die Arbeiten umfassen im Wesentlichen folgende Arbeiten:

Austausch der Automatisierungsgeräte

Austausch der I/O Module von ET200S bzw. proprietären I/O-Modulen auf ET200SP

Einbau zusätzlicher Abgänge inkl. Netzgeräte/Trenntrafos für die verschiedenen Steuerspannungen

Div. Rückbauten und Anpassungen

Die neuen Automatisierungsgeräte sind vorgängig in die Schaltgerätekombinationen einzubauen, damit diese vor Beginn der Umschaltarbeiten in Betrieb genommen werden können.

Als I/O-Module sind heute proprietäre Module (damalige Etappe 1) und ET200S (Etappe 2 und 3) im Einsatz. Diese müssen ebenfalls ersetzt werden. Die neuen I/O-Module werden möglichst vorgängig in die Felder eingebaut. Bei Platzproblemen werden die heutigen I/O-Module demontiert und provisorisch im Feld befestigt, damit die Anlage weiter ihre Aufgabe erfüllen kann. Auch hier sollen die Komponenten vor Beginn der Umschaltarbeiten in Betrieb genommen werden. Dabei geht es vor allem um das Funktionieren der verschiedenen Netzwerke im Zusammenspiel mit den übrigen Anlagen der Leittechnik.

Die oben beschriebene Entflechtung der verschiedenen Steuerspannungen verlangt nach mehr Abgängen inkl. der nötigen Netzgeräte bzw. Steuertrafos.

Auftrag Automatisierung/Leitsystem (SPS/PLS)

Die Arbeiten umfassen im Wesentlichen folgende Arbeiten:

Lieferung, Programmierung und Inbetriebnahme der Automatisierungsgeräte inkl. I/O-Module

Lieferung, Programmierung und Inbetriebnahme der beiden Server, und der Bedienstationen

Aufbau inkl. Hardwarelieferung für sämtliche Netzwerke (ausgenommen Büro IT)

Integration und teilweiser Ersatz der Tablets für die Vorortbedienung

Upgrade der Betriebsprotokollierung

Upgrade des vorhandenen Alarmierungssystems

Einbindung der bestehenden Aussenwerke

Einrichten einer Notalarmierung(2. Alarmierungsweg)

Dieser Auftrag umfasst im Wesentlichen also ein Gesamtsystem für Steuerung und Regelung der gesamten Anlage inkl. der da-zu nötigen Bedienstellen und Fernzugriffe.

Submission und Auftragsvergabe

Für die Submission der einzelnen Aufträge wurde der Bauherrschaft eine Unternehmerliste vorgelegt, welche diese im Rahmen einer Kommissionssitzung freigab. Gleiches gilt auch für die entsprechenden Verfahrensarten gemäss dem öffentlichen Beschaffungswesen.

Nach Eingang der einzelnen Angebote und deren Kontrolle wurden die Aufträge durch die jeweilig zuständige Instanz bei der Bauherrschaft vergeben. Die Erstellung der Werkverträge erfolgte im Anschluss durch das verantwortliche Planungs­unternehmen.

Mit der Unterzeichnung der Werk­verträge wurde auch die Terminsituation intensiv besprochen. Durch verschiedene Umstände (Corona, Lieferprobleme von Komponenten, starke Auslastung der Unternehmer, etc.) wurde in Absprache mit der Bauherrschaft der Terminplan überarbeitet und angepasst (siehe Tabelle).

Fazit

Wie im Beispiel beschrieben, ist eine Umsetzung eines solchen Projektes nicht einfach von heute auf Morgen machbar. Dies bedingt eine vorausschauende Planung (inkl. Finanzplanung) des Bauherrn. Es gilt, die Situation auf dem Markt zu beurteilen und die nötigen Schritte einzuleiten bzw. Finanzen in der Planung zu reservieren. Hier werden die Bauherren tatkräftig von ihren Partnern in der Planung unterstützt. Der EMSRL-Ingenieur dieser Anlage hat den Bauherrn bereits vor rund 3 Jahren auf die Problematik hingewiesen, was schliesslich auch die erste Studie ausgelöst hat. Mittlerweile sind alle Aufträge vergeben und die Ausführungsplanung beim EMSRL-Ingenieur und ­Gesamtplaner läuft auf Hochtouren. Nach wie vor ist aber auf der Anlage auch nur eine Schraube angezogen oder eben ­gelöst worden. Nun soll es aber nicht mehr lange dauern, bis die Unternehmen auf der Anlage mit der Ablösung beginnen können. Nach Abschluss der Ablösung wird die Anlage im Bereich der Automatisierung wieder 10 – 15 Jahre fit sein.

Wir sind auf den weiteren Verlauf des Projektes ­gespannt und bleiben weiterhin dran.