Bekanntermassen ist die Schweiz ein Land mit führenden Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Bereits in ET 4/18 berichteten wir zu Forschungsthemen im Bereich der Wärme- und Stromspeicherung. Hier arbeitet ein Verbund mehrerer Forschungsteams gemeinsam mit der Industrie an Lösungen zur Flexibilisierung des Energiesystems. Diese ist notwendig, weil ein steigender Anteil (flexibler) erneuerbarer Elektrizität in das Stromnetz eingespeist wird. Im gesamteuropäischen Kontext ist ein weiterer Netzausbau aus Stabilitätsgründen dringend notwendig, etwa durch den Bau stabilisierender Knoten (Speicher), um Blackouts vorzubeugen. Zudem hängt die Architektur des Energienetzes des Jahres 2050 noch von vielen, auch politischen Entscheidungen ab.
Zentrales Thema: Energiespeicherung
Die Forscher entwickeln u. a. Systeme und Technologien zur Wärmespeicherung, neue Batterietypen zur stationären Anwendung, aber auch an Systemen zur effizienten Umwandlung von Elektrizität, Wasser und CO2 zu chemischen Energieträgern wie Wasserstoff, Methanol, Methan und anderen Chemikalien, die als Treibstoffe dienen können. Neben den technischen Herausforderungen der Katalyse, Prozessführung und Verfahrenstechnik stellt sich auch die Frage nach der Marktfähigkeit und Nachhaltigkeit der erarbeiteten Lösungen. Auch diese Fragen werden von den Kompetenzzentren untersucht, um der Politik die Chancen und Risiken aufzuzeigen, die mit dem Umbau des Energiesystems – weg von fossilen und nuklearen Quellen – einhergehen.
Ob die Forschungen auch Einzug in praktische Anwendungen halten und die entwickelten Konzepte Chancen auf Realisierung in der Schweiz haben, hängt wesentlich von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Das Energiesystem mit fossilen Energieträgern in der Mobilität, der Wärmeerzeugung und Kohleverstromung mag rein aus ökonomischen Gesichtspunkten zwar funktionieren, ist aber weder nachhaltig noch länger haltbar. Erst wenn die realen Kosten der CO2-Freisetzung das Energiesystem belastet und nicht sozialisiert werden, werden die heute noch teuren Energiespeicher plötzlich wirtschaftlich interessant.
Bis dahin können insbesondere die Konzepte für eine wochenlange Speicherung in Nischen Fuss fassen. Ein konkretes Beispiel ist der Strommarkt, wo z. B. grosse Stromspeicher wirtschaftlich interessant werden, um Lastspitzen abzufedern. Zudem finden die aus der Elektromobilität kommenden Batteriespeicher bereits heute eine wirtschaftliche Anwendung, so u. a. bei Axpo und CKW. Solche Grossspeicher sind sehr teuer, können aber Stromspitzen glätten und Engpässe überbrücken.
Mangelhafte Gesetzgebung
Seitens des Gesetzgebers fehlen leider klare Bekenntnisse, welche der Wirtschaft eine verlässliche Planung und die Entwicklung von Geschäftsfeldern ermöglichen würden. Im Moment ist weltweit zu beobachten, dass vor allem Grosskonzerne und sogar die Mineralölindustrie das nötige Kapital in die Hand nehmen, um Technologien mit einem Markteinführungshorizont von mehr als 10–15 Jahren zu untersuchen. So veröffentlicht der Shell-Konzern seit vielen Jahren detaillierte Zahlen zur Förderung fossiler Energieträger und zur CO2-neutralen Energieerzeugung. Dabei sei laut einem Insider der Rückzug grosser Versicherungsunternehmen aus «grauen» Geldanlagen ein wichtiges Signal, wohin die Reise geht.
In Europa werden diese Zeichen kaum wahrgenommen und entsprechend genutzt. So besteht die Gefahr, dass andere Nationen die Zeichen zu deuten wissen und entsprechend agieren, statt nur zu reagieren. So interessiert sich China seit Längerem für erneuerbare Energiesysteme – in erster Linie aber nicht aus Gründen der Nachhaltigkeit, sondern wegen neuer Geschäftsfelder. Längst kommen mehr als 75 % aller PV-Panels aus China. Aber auch vor dem Hintergrund massiver Umweltprobleme aufgrund intensiver Nutzung fossiler Energie schafft China riesige Kapazitäten zur Produktion von Akkus und PV-Panels und arbeitet mit Hochdruck an Lösungen zur Flexibilisierung des Energiesystems.
China als Vorreiter
China erobert seit Jahren die weltweiten Vorräte an Silizium, Kobalt und Lithium, teils mit äusserst fragwürdigen Methoden. Durch deren Marktmacht verzehnfachte sich 2021 der Preis für Silizium, was einen weltweiten Chipmangel auslöste. Längst stammen Akkus und seit Längerem elektronische Komponenten grossmehrheitlich aus Fernost, was die Abhängigkeit des Westens erhöht. In China sind die Lohnkosten und Rohstoffvorkommen die Hauptfaktoren. Erstere variieren je nach Region stark. Bei den Rohstoffen bleibt Europa nur die Suche nach Alternativen.
Derzeit wird zudem möglicherweise unterschätzt, dass China im Bereich Forschung und Entwicklung regenerativer Energiesysteme Vollgas gibt und Europa und die USA ins Hintertreffen geraten, auch was Fertigungsaspekte im Markt betrifft. Neben der Fertigungs- und Rohstoffthematik läuft der Westen Gefahr, auch beim Wissen in eine Abhängigkeit zu geraten. Somit braucht es als Gegengewicht Entscheidungen auf politischer Ebene, um in neue Geschäftsmodelle zu investieren.
Produktion wieder in Europa?
Ob Europa die Fertigung von Akkuzellen jemals wieder nach Europa zurückholt, steht in den Sternen. VW und BMW beginnen, wenigstens die Akkus wieder in Europa zusammenzusetzen – unter Nutzung fertiger Akkuzellen aus China oder Südkorea. Ob dabei künftig hiesige Rohstoffe zum Einsatz kommen, ist offen. Vor über einem Jahr wurde gemeldet, dass VW nach Renault und Stellantis Lithium aus dem Oberrheingraben in Süddeutschland gewinnen will. Seither hört man dazu nichts mehr.
Alle Automobilhersteller belasten die Transportkosten von Akkus aufgrund der Sicherheitsaspekte. Denn Akkus können bei Produktionsfehlern (die man nie ganz ausschliessen kann) explodieren und werden dementsprechend in druck- und explosionssicheren Spezialbehältern transportiert, die teures Volumen benötigen. Dies gilt im Übrigen auch für den Abtransport gebrauchter Akkus. Sollte also jemals eine europäische Akkufertigung aufgezogen werden, müsste der Automatisierungsgrad hoch, die Fertigung rentabel und die Rohstoff-thematik gelöst sein, sagte uns ein Forscher im Gespräch.
Alternativen zu Lithium
Neben der Elektromobilität sind Energiespeicher gerade für Photovoltaik- oder Windkraft-Anlagen Schlüsseltechnologien. Sie betreffen in hohem Masse auch die saisonale Energiespeicherung. Immer noch ungelöst ist die Frage, wie man die Schweiz auch im Winterhalbjahr aus regenerativen Stromquellen mit ausreichender Energie versorgen kann.
Zudem nutzen Stromspeicher noch immer begrenzte Rohstoffe, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden. Hier sind besonders Metalle wie Kobalt und vor allem Kupfer in der heutigen Li-Ionen-Technologie potenziell limitierend. Lithium ist dabei weniger problematisch – man kann es aus Meerwasser gewinnen. Eine Entschärfung der Thematik wäre durch das Schliessen der Materialkreisläufe zu erreichen, wo immer noch zu wenig passiert und die Rücklaufquote viel zu tief ist.
Die Suche nach alternativen Materialien für Kobalt und anderen kritischen Rohstoffen ist auf der Forschungsseite im Gange. So werden u. a. Na-Ionen-Batterien entwickelt, die nach demselben Prinzip wie Li-Ionen-Batterien arbeiten. Im Gegensatz zu Lithium bildet Natrium keine Legierung mit Aluminium. Dadurch entfällt die Notwendigkeit zur Verwendung von Kupfer. Zudem haben Forscher gezeigt, dass das Kohlenstoffmaterial für die Anoden solcher Batterien aus biologischen Rohstoffen wie Nussschalen hergestellt werden kann.
Staatliche Subventionen
Zur Realisierung der Energiewende sind Energiespeicher unabdingbar. Deutschland ist bei der Nutzung von Wind- und Solaranlagen zur Stromproduktion dank einer breiten Subventionspolitik bedeutend weiter als die Schweiz, hinkt mangels Speicherkraftwerken bei der Stromspeicherung aber hinterher. Eine solche Förderpolitik gibt es in der Schweiz (noch) nicht. Zwar hat Deutschland einen deutlich höheren Anteil von Ökostrom, bringt ihn oft aber gar nicht zu den Verbrauchern. Dazu wäre eine dringend notwendige Flexibilisierung des Stromnetzes nötig (Speicher und Netzausbau).
Hier gibt es in praktisch allen Ländern Europas einen grossen Nachholbedarf. Ein Trumpf der Schweiz sei aber, dass der Ausbau erneuerbarer Energien flexibler stattfinden könne. Im Bereich der Forschung und Entwicklung kann man beide Länder kaum vergleichen, da der finanzielle Umfang von Forschungsprogrammen in der Schweiz wesentlich kleiner ist. Aufholen könnte die Schweiz, indem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass industrielle Forschungsgelder fliessen, meint ein Forscher.
Kostenwahrheit bei der Kernkraft
2019 ging das Kernkraftwerk (KKW) Mühleberg nach jahrelangem Hin und Her früher als geplant vom Netz. Die anderen Schweizer KKWs bleiben jedoch bis auf Weiteres am Netz. Ob der Umstieg auf erneuerbare Energien schneller vollzogen werden könnte, ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Solange die realen Kosten der Kernenergie (Rückbau-, Entsorgungskosten und die Risikoabsicherung) nicht voll auf den von den KKWs produzierten Strom aufgeschlagen werden, sondern (international) sozialisiert werden, bleibt der Betrieb eines KKWs interessanter als der Rückbau – wenn auch nicht gleich wirtschaftlich.
Ein Insider rechnet uns dazu vor: «Das KKW Leibstadt hat in den Geschäftsberichten 2013–2016 beispielsweise Produktionskosten von 5+/–1 Rp./kWh ausgewiesen, welche den Partnern in Rechnung gestellt wurden. 2015/16 lag der durchschnittliche «Day Ahead Strompreis» an der Börse aber bei ca. 4 – 5 ct/kWh (epexspot.com/en). Trotzdem hat das KKW einen Gewinn von 26,3 Mio. Franken ausweisen können. Dies bedeutet (sofern ich nichts übersehen habe), dass die Partner (Alpiq, Axpo und BKW) den Strom aus dem Kraftwerk eher mit Verlust denn mit Gewinn weiterverkaufen mussten.»
Mögliches Zukunftsszenario
«Berücksichtigt man noch die Entwicklung, dass das ‹Alterungsmanagement› wie in Beznau 1 und den anderen Kraftwerken zu signifikanten Stillstandszeiten und damit zu steigenden Erzeugungskosten führen, wird die Entscheidung zum Rückbau von Mühleberg plötzlich sehr einleuchtend. Inwieweit diese Analyse allerdings auf andere Kraftwerke übertragbar ist, ist nicht bekannt. Vermutlich würde der Abschied von KKWs schneller vollzogen, wenn die Betriebswirtschaftler der Stromkonzerne aufgrund der Zahlen entscheiden würden», so der Insider weiter. Das ist insofern schwierig, als dass a) Kantone und der Bund in die Stromerzeugung als Eigentümer und Aufsichtsbehörden involviert sind und b) der Strompreis sehr fragil ist.
«Zur Erreichung der Klimaziele braucht es einen echten Preis für CO2-Emissionen, und zwar auf internationaler Ebene. Dann würden die ‹sauberen› Technologien in den Wettbewerb mit der etablierten Technik treten und die zielführendste Lösung gewinnen. Dabei muss ein zukünftiges Energiesystem die Sektoren Elektrizität, Wärme, Mobilität und Gas miteinander verbinden. Auf nationaler Ebene wäre eine Gesetzgebung für eine ‹Sektor-Kopplung› zur Entwicklung von Nutzenergien nötig – eine eng miteinander verbundene Einordnung von Strom, Wärme, Mobilität und Raumplanung», sagt der Insider.
Politik der kleinen Schritte
Und er fügt hinzu: «Die Folgen des Klimawandels werden die Schweiz aller Voraussicht nach besonders treffen. An häufigeren schweren Unwettern und einem signifikanten Temperaturanstieg an den Messstationen sieht man es schon heute. Wetterexperten vermuten bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 °C, dass die durchschnittliche Temperatur der Schweiz bereits um 4 °C steigen wird – dies sogar bei Einhaltung der Klimaziele, die einen globalen Anstieg um 2 °C zulassen.» Somit sei es zielführender, schrittweise mit wirksamen Massnahmen zur CO2-Reduktion zu beginnen, als weiter abzuwarten. Denn 50 % der Primärenergie wird zur Wärmeerzeugung aufgewendet (mit hohem Anteil an fossilem Öl und Gas). Rein technisch ist es aber längst nicht mehr notwendig, zur Wärme- oder Kälte-Erzeugung CO2 freizusetzen. Hier sollte die Schweiz mehr tun, und zwar jetzt.
Flexiblere Produktion
Die schweizweit einzigartige Forschungsanlage erlaubt eine flexible und effizientere Fertigung von Li-Ionen-Batteriezellen verschiedener Grössen. «Auf der Anlage können Pouchzellen in der Grösse von Kreditkarten bis hin zu 15 × 30 cm produziert werden, was schweizweit einzigartig ist», sagt der Forschungsgruppenleiter Prof. Dr. Axel Fürst.
Hier lassen sich verschiedene Materialien nach Belieben auswählen und anpassen oder einzelne Komponenten nach Wunsch austauschen. Auch bezüglich der gewünschten Batteriezellen-Form gibt es keine Einschränkungen. «Batterien können auf unserer Forschungsanlage flexibler hergestellt werden als in der Industrie üblich», sagt Fürst. «Daher können wir Schweizer Maschinenproduzenten im Kompetenzaufbau für Produktionsanlagen optimal begleiten und unterstützen.» ■
bfh.ch/ti
BFH: Akkuherstellung nach Wunsch
Mit steigenden Verkäufen von Elektrofahrzeugen werden weitaus grössere und vielfältigere Akkupacks benötigt als früher. Der Abbau der Rohmaterialien und die Akku-Produktion sind oft umweltbelastend. Die favorisierten Li-Ionen-Akkus müssen daher umweltfreundlicher sowie leistungsfähiger, langlebiger und günstiger werden, damit die Elektromobilität erfolgreich wird.Neben Teilnahme am EU-Forschungsprojekt HIDDEN, bei dem es u. a. um die Entwicklung selbstheilender Akkuzellen mit grösserer Lebensdauer geht, hat die Berner Fachhochschule (BFH) im November 2021 am Standort Burgdorf eine Forschungsanlage zur Batteriefertigung eingeweiht. An deren Aufbau beteiligten sich auch Studierende der Maschinentechnik. Die BFH will Schweizer Maschinen- und Batterieherstellern damit eine Plattform für innovative Entwicklungen bieten.