Zu diesem Zweck plante das Chemie- und Pharmaunternehmen den Einbau einer Umluftkühlung. Im Zuge der Modernisierung stellte sich heraus, dass die vorhandene elektronische Anschlussleistung für die Abdeckung der Spitzenlasten mit Kältemaschinen nicht ausreichte – bis zu 1 000 kW wären nötig gewesen.
Verbesserte Leistungsdichte bis zu 60 %
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, diesen Wert zu reduzieren, wurde Merck auf eine neue Eisspeichertechnologie aufmerksam: Der sp.ICE der BeKa Heiz- und Kühlmatten GmbH verfügt durch die Verwendung von Kapillarrohrmatten über einen im Vergleich zu handelsüblichen Eisspeichern besseren Wärmedurchgang. So nimmt die Ladezeit ab, wobei die Leistungsdichte gleichzeitig um bis zu 60 Prozent steigt. Durch das schnelle Laden der Eisspeicher in den Nachtstunden gelingt es Merck nun, das eigene Lastprofil im Tagesverlauf auszugleichen, sodass eine kleinere Kältemaschine mit 500 kW ausreicht und keine Erweiterung der Anschlussleistung notwendig war.
Elektronische Anschlussleistung zu knapp
«Aufgrund des langen Leerstands des X-Towers und der veralteten Einzelbüro-Struktur stand ausser Frage, dass die angemieteten Flächen des X-Towers modernisiert werden müssen», erklärte Martin Füllsack, der für das Projekt zuständige Ingenieur bei der Merck KGaA. «Wir wollten eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen und die ein angenehmes Arbeiten möglich macht. Zu den Massnahmen zählten deswegen die Umstrukturierung zu Open-Space-Büros ebenso wie eine moderne Raumkühlung.» Für die Planung und Ausführung der neuen Haustechnik beauftragte das Unternehmen im August 2017 die GA-tec Gebäude- und Anlagentechnik GmbH. Doch bei der anfänglichen Bestandsaufnahme stellten die Verantwortlichen fest, dass die elektronische Anschlussleistung des Gebäudes für eine Umluftkühlung mithilfe konventioneller Kältemaschinen sehr knapp bemessen ist und dass durch den Einsatz von Eisspeichern mit einer schnellen Lade- und Entladezeit eine energetisch nachhaltige Gebäudebetreibung möglich ist. «Durch den Einsatz von Eisspeichern, die nachts geladen werden und tagsüber für die Grundlast zuständig sind, muss die Kältemaschine nur noch für die Spitzenlast zugeschaltet werden. Dadurch läuft die Kältemaschine in ihrem energetischen Optimum», fügte Ortwin Hees, Niederlassungsleiter der Region Berlin bei GA-tec, hinzu. Gemeinsam mit Merck und BeKa wurde ein Optimum für die Betriebszeiten der Kältemaschine in Abhängigkeit der Jahreszeiten entwickelt und in der Betreibersoftware umgesetzt.
Eisspeichertechnologie als Alternative
Um die Kältemaschinen mit der bereits zur Verfügung stehenden Anschlussleistung nutzen zu können, mussten entsprechende Lastspitzen vermieden werden. Dies wiederum kann nur mit einer zeitlichen Verschiebung des Strombedarfs erreicht werden. «So kamen wir auf die Idee, einen Eisspeicher zu nutzen: Dieser kann in den Nachtstunden mit einer Kältemaschine geladen werden und am Tag die gespeicherte Kälte wieder abgeben», bemerkte Füllsack. «Auf diese Weise kann er zum Lastausgleich hinzugezogen werden.» In der Folge konnte die Kältemaschine deutlich kleiner ausgelegt werden. Gleichzeitig bestand das Potenzial, eine Effizienzsteigerung der gesamten Anlage zu erzielen, da sich durch die Verschiebung der Kälteproduktion in die Nacht eine gleichmässigere Auslastung der Maschine ergibt.
«Es lag nahe, die Vorteile der Kapillarrohrtechnik auch bei Eisspeichern zu nutzen.» Albrecht Bauke
Neuentwicklung mit Kapillarrohrmatten
Bei der Recherche nach einer passenden Technologie wurde Merck auf den Eisspeicher sp.ICE aufmerksam. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Neuentwicklung des Kapillarrohrmatten-Herstellers BeKa Heiz- und Kühlmatten GmbH und der GEFGA Energiesysteme GmbH, die im April 2017 in Shanghai vorgestellt wurde. Diese macht sich nun erstmals die Eigenschaften von Kapillarrohrmatten zunutze: «In Gesprächen mit Fachkollegen, vor allem mit der Firma GEFGA, wurden die technisch bedingten Einschränkungen beim Einsatz traditioneller Eisspeicher deutlich. Dazu zählen beispielsweise lange Ladezeiten oder ein verhältnismässig grosses Eigenvolumen der Wärmeübertrager», erläuterte Albrecht Bauke, Geschäftsführer der BeKa Heiz- und Kühlmatten GmbH. «So lag es nahe, die Vorteile der Kapillarrohrtechnik – extrem kleine Rohrdurchmesser und Wandstärken – auch bei Eisspeichern zu nutzen.»
Kompakte Masse durch hohe Leistungsdichte
Im Prinzip funktioniert der Eisspeicher sp.ICE ähnlich wie herkömmliche Eisspeicher: Mithilfe eines Wärmetauschers wird in einem Behältnis stehendes Wasser in Eis umgewandelt, um später dessen Schmelzwärme wieder nutzen zu können. Doch das Herz des neuen, patentierten Eisspeichers sind die Kapillarrohrmatten aus Polypropylen, aus denen sich der Wärmeübertrager zusammensetzt. Die Rohre weisen einen Durchmesser von lediglich 4,5 mm bei einem Abstand von nur 10 mm auf, wobei die parallel geschalteten Kapillaren in einem Verteilerstamm zusammenlaufen.
Der Rohrinnendurchmesser beträgt 2,9 mm. Das ermöglicht einen optimierten Wärmedurchgang, da die Eisdecke vor allem durch die Nähe der Rohre zueinander konstruktiv verringert wird. Ausserdem entsteht eine verhältnismässig grosse Fläche zur Wärmeübertragung, was die Leistungskenndaten des Eisspeichers verbessert. Insgesamt kann auf diese Weise ein Eisfüllgrad – dieser gibt an, welcher Anteil des Speichers mit Eis gefüllt ist – von annähernd 100 Prozent erreicht werden. Auch das Eigenvolumen des Wärmetauschers fällt aufgrund der kleinen Durchmesser gering aus, weshalb eine kompaktere Konstruktion als bei üblichen Eisspeichern mit gleicher Leistung möglich ist.
Deutlich effizienter als andere Eisspeicher-Technologien
Als Folge dieser Eigenschaften ist eine effiziente Eiserzeugung bei einer mittleren Ladetemperatur von lediglich -2,5 °C möglich. Durch die geringe Temperaturdifferenz konnten die Ladezeiten mit etwa 6 h ebenfalls deutlich reduziert werden. Das bei Merck verbaute Modell sp.ICE 20’ erreicht so bei einer Grösse von L 6 058 mm x B 2 438 mm x H 2 591 mm eine Wärmeübertragungsfläche von 1 345 m² sowie eine Ladeleistung von 416 kW bei 6 h. Da die Kapillarrohre nur eine Länge von 2 000 mm aufweisen, sind zudem die Druckverluste äusserst gering. Dabei kann der Eisspeicher als mobile und als stationäre Version ausgeführt werden. «Für die mobile Version verwenden wir normierte Container, die über eine Dämmebene aus Polystyrol-Hartschaum und eine Dichtebene aus glasverstärkter Polyethylen-Folie verfügen», merkte Bauke an. In der Summe hat dies nicht nur einen geringeren Stromverbrauch zur Folge, sondern es ist auch weniger Stellfläche notwendig. «Uns überzeugte vor allem, dass der sp.ICE deutlich effizienter und kompakter ist als andere Eisspeichertechniken», bestätigte Füllsack.
Geringer Wartungsaufwand gefordert
Eine Anforderung von Merck war jedoch, dass sowohl Betrieb als auch Instandhaltung der Anlage möglichst unkompliziert sind und kaum Zeit in Anspruch nehmen. «Da sich der X-Tower ausserhalb unseres Werksgeländes befindet, kann er nicht so überwacht und gesteuert werden wie Anlagen am Hauptstandort», so der Projekt-Ingenieur von Merck weiter. Um diesem Umstand gerecht zu werden, hat die GA-tec die Steuerung und Regelung der Anlage autark vom Werksgelände realisiert. Zusätzlich kann jederzeit der Betriebszustand der Anlage per Fernabfrage überwacht und auch, wenn notwendig, gesteuert werden. Ausserdem ist der sp.ICE gänzlich wartungsfrei: Das Innere des Eisspeichers ist ein geschlossenes System und als solches wenig anfällig für Störungen.
«Häufig ist sogar der Kühlbetrieb am Tag ohne Kältemaschine möglich.» Ortwin Hees
Aufgrund dieser Produkteigenschaften entschieden sich die Projektverantwortlichen für den Einsatz der neuen Technologie: zwei sp.ICE 20. Diese sollten vor allem in den Nachtstunden aufgeladen werden – der Kältebedarf geht zu dieser Zeit gegen null. Am Tag sollten die vollgeladenen sp.ICE – die Speicherkapazität der beiden Eisspeicher beträgt zusammen 4 200 kWh – die Abdeckung der Spitzenlast übernehmen. Dabei stellt auch ein Spitzenlastbedarf von über 1 000 kW kein Problem dar. Die Kältemaschinen werden dann dem jeweiligen Bedarf entsprechend zugeschaltet. Häufig ist der Kühlbetrieb am Tag sogar ohne Kältemaschine möglich. «Im Durchschnitt müssen sie so lediglich eine Leistung von 500 kW und weniger erbringen», beschreibt Hees von GA-tec das Resultat. «Das ist mit der vorhandenen Anschlussleistung kein Problem.»
Zuverlässige Kühlung im Hitzesommer 2018
Nach nur 12 Wochen Lieferzeit wurden die beiden sp.ICE 20’ im BEKA-Werk in Berlin fertiggestellt und ausgeliefert. Damit die Aufstellung schnell und sicher vorgenommen werden konnte, hatte BEKA die Modelle bereits werkseitig oberhalb des Speichers mit einer Verteilerrohr-Konstruktion inklusive einer Wetterschutz-Einhausung versehen. Auch im Hitzesommer 2018 bewährten sich die sp.ICE. «Die Effizienz der Modelle überstieg unsere Erwartungen – selbst an sehr heissen Tagen war die Leistungsgrenze noch nicht erreicht», resümiert Füllsack. Eine Erweiterung der Gesamtanlage ist bereits geplant, um auch die noch nicht ausgebauten Bürobereiche und die Kantine zu kühlen. Eine modulare Erweiterung ist mit den Eisspeichern sehr flexibel möglich.
Weitere Informationen:
merckgroup.com
ga-tec.de
beka-klima.de