Weltweit gibt es immer mehr Klimaanlagen. Die Geräte boomen vor allem in Asien und Afrika, wo der Mittelstand wächst und sich immer mehr leisten kann. Doch der Erfolg der Klimaanlage hat Schattenseiten. Gemäss der «Green Cooling Initiative» (GCI), einem internationalen Zusammenschluss von Herstellern und Landesregierungen, sind die Klimaanlagen in manchen Städten schon für 40 Prozent des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Gegenüber dem Jahr 2000 haben sich die von Klimaanlagen ausgehenden Treibhausgas-Emissionen weltweit verdoppelt.
Riesiges Treibhausgas-Potenzial
Umweltbelastend sind Klimaanlagen aus zwei Gründen. Zum einen wegen des Stromverbrauchs. Eine mobile, einfach zu installierende und billige Klimaanlage kann gut 1000 Watt verbrauchen. Man kann sich leicht vorstellen, was das für hoch gesteckte Nachhaltigkeitsziele wie jenes der «2000-Watt-Gesellschaft» bedeutet. Das zweite Problem sind die Kältemittel, die in den Anlagen zum Einsatz kommen. Treten sie über ein Leck aus oder werden sie nicht fachgerecht entsorgt, richten sie grossen Schaden an. Corina Gyssler vom WWF nennt als Beispiel das Kältemittel R410a, das auch hierzulande zum Einsatz kommt. «R410a hat ein Treibhausgas-Potenzial von über 2000», sagt sie. Das bedeutet, dass das Mittel 2000-mal mehr zur Erderwärmung beiträgt als die gleiche Menge CO2.
Ist das wirklich nötig?
Corina Gyssler rät deshalb dringend davon ab, Klimaanlagen zu installieren, und empfiehlt stattdessen Ventilatoren: «Ventilatoren benötigen 20-mal weniger Strom als die meisten mobilen Klimaanlagen», sagt sie. «Und wenn sie richtig installiert sind, können sie eine Reduktion der gefühlten Temperatur um zwei bis vier Grad bewirken.» Dieser Standpunkt wird von vielen vertreten: Klimaanlagen seien in der Schweiz unnötig, eine hinreichende Kühlung liesse sich auch ohne erreichen. Das sieht auch René Mosbacher so. Er ist Mediensprecher des Netzwerks für Nachhaltiges Bauen NNBS: «Ein gut isoliertes Gebäude mit einem Wärmeschutz braucht keine Klimaanlage», sagt er. Mit dem richtigen Ausbaustandard erreiche ein Haus in der Schweiz auch an Hitzetagen kaum Temperaturen von über 25 Grad, und das sei gut genug. Dass viele Personen im Hochsommer zu Hause und bei der Arbeit leiden, lässt sich trotzdem nicht abstreiten. Noch immer leben und arbeiten die wenigsten in Häusern, die den modernsten Isolationsstandards entsprechen. Die meisten Gebäude in der Schweiz sind nun einmal Altbauten. Und deshalb leiden ihre Nutzer entweder – oder sie kühlen.
Sanft kühlen
Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, und das sei nicht nur schlecht, sagt Adriano Di Cerbo. Er ist Geschäftsleiter von Klimavent, einem Schweizer Spezialisten für Lüftungs- und Klimatechnik. «Natürlich lassen sich Häuser heutzutage sehr gut abdichten», sagt er. «Und das sollte, wenn immer möglich, auch getan werden.» Ein Neu- oder Umbau sei deshalb trotzdem nicht unbedingt sinnvoll; man müsse auch die graue Energie berücksichtigen, die dann anfalle. Es lohne sich oft, mit jenen Materialien zu arbeiten, die bereits vorhanden sind. Nur mit Hilfe einer Klima- oder Lüftungsanlage könne unter diesen Voraussetzungen trotzdem ein angenehmes Raumklima geschaffen werden, sagt Adriano Di Cerbo. Diese Aussage überrascht kaum, schliesslich ist Di Cerbo ein Anbieter von Klima- und Lüftungsanlagen. Aber auch er mahnt zur Zurückhaltung. «Klimaanlagen sollten so konzipiert sein, dass sie sanft kühlen», sagt er. «Es ist überhaupt nicht sinnvoll, einfach eine Anlage in jedes Zimmer zu stellen.» Eines der Probleme sei, dass das Projekt oft nicht mit der gebotenen Planung angegangen werde. «Viele kaufen sich einfach mal für zweihundert Franken ein Schlauchgerät im Detailhandel – und installieren sich das im Wohnzimmer.»
Grosse Unterschiede
Solche mobilen Schlauchgeräte sind weitverbreitet, auch in der Schweiz. Es ist die kostengünstigste Form der Klimaanlage, und sie lässt sich leicht installieren. Dabei wird das Gerät in ein Zimmer gestellt und der Schlauch aus dem Fenster gehängt – fertig. Aber die Schlauchgeräte sind auch die umweltschädlichste Form der Klimaanlage. Vor allem, weil sie deutlich weniger effizient sind als andere Systeme. Zwar weisen sie oberflächlich gute Effizienzwerte auf; viele Schlauchgeräte sind mit einer Energieetikette als Geräte mit hoher Effizienz ausgezeichnet, etwa mit der Auszeichnung A+. Aber die Bewertung täuscht, denn sie bezieht sich nämlich nur auf die Kühlleistung des Geräts. Und die ist weit höher als die tatsächliche Kühlwirkung. Denn weil die dem Raum entzogene Wärme mittels Luftstrom durch einen Schlauch ins Freie befördert wird, entsteht im Raum ein Unterdruck, der wiederum mit warmer Luft von aussen kompensiert werden muss. Eine Erhöhung der Effizienz kann erreicht werden, wenn im Fenster eine Öffnung mit der genau richtigen Grösse angebracht wird – die dann aber wiederum die Isolationsleistung des Fensters verringert.
Alternativen sind teurer
«Das kann man schon fast als Schwindel bezeichnen», sagt auch Adriano Di Cerbo. Klimavent verkaufe solche Geräte deshalb nicht. Dennoch sind sie auf dem Vormarsch, denn die besseren Alternativen sind deutlich teurer: Sogenannte Split-Geräte verfügen sowohl über ein Innen- als auch ein Aussengerät. Die Kälteflüssigkeit wird im Innengerät verdampft, was die Umgebung abkühlt, und im Aussengerät mit einem Kompressor wieder verflüssigt, wodurch Wärme abgegeben wird. Das System funktioniert ohne Luftstrom, sondern mit Hilfe von Leitungen. Es können auch mehrere Innengeräte mit einem Aussengerät verbunden werden. Nur: Die Geräte sind nicht nur deutlich teurer, sie müssen auch von einer Fachperson installiert werden. Optimal angebracht, ist das System aber deutlich effizienter als die billigere Alternative, vor allem im Zusammenspiel mit einem Lüftungssystem und gut isolierten Wänden und Fenstern. Auch die Preisdifferenz wird wegen des geringeren Stromverbrauchs damit längerfristig geringer.
Wartung und überlegte Nutzung
Kann eine Split-Anlage also völlig bedenkenlos eingesetzt werden? So einfach ist die Sache natürlich nicht. Eine Gefahr ist der Auslauf von Kühlflüssigkeit: Split-Systeme sind komplexer als mobile Schlauchanlagen, und damit sind sie anfälliger auf Leckage. Das heisst, dass die Wahrscheinlichkeit grösser ist, dass die umweltschädliche Kühlflüssigkeit in die Umwelt gerät, dort erheblichen Schaden anrichtet – und die Umweltbilanz wieder in den Keller zieht. Abhilfe verschaffen kann einzig die regelmässige Wartung durch eine Fachperson, welche die Anlage auf undichte Stellen und den Ausfluss von Kühlflüssigkeit hin überprüft. Nur so bleibt die positivere Bilanz der Split-Anlage gewährleistet. Immerhin stellt die regelmässige Wartung auch sicher, dass sich im Innern der Anlage keine gesundheitsschädigenden Bakterien ungehemmt vermehren können.
Nicht richtig eingesetzt
Zudem ist eine Split-Anlage zwar effizienter – aber deswegen nicht unbedingt unproblematisch. Entscheidend ist der Umgang damit. René Mosbacher vom Netzwerk für Nachhaltiges Bauen sagt: «Das Problem ist oft gar nicht die Technik, die eingesetzt wird, sondern der völlig falsche Betrieb.» Oft werde eine Klimaanlage eingebaut und dann sorglos eingesetzt. «Dass Klimaanlagen so belastend sind für die Umwelt, liegt vor allem daran, dass die wenigsten Betreiber wissen, wie man damit umgehen muss.» Adriano Di Cerbo bestätigt, dass Klimaanlagen oft überbeansprucht würden. Im Büro des Anbieters Klimavent sei die Kühlleistung immer auf 26 Grad eingestellt. «Und mit der richtigen Positionierung des Innengeräts und sinnvoller Durchlüftung reicht das völlig aus», sagt er. Damit setzt er seine Klimaanlage vermutlich weniger intensiv ein als die meisten seiner Kunden.
Mehr Hitze wegen Klimaanlagen
Ob diese Kühlung auf 26 Grad in der Schweiz wirklich nötig ist, sei dahingestellt. Die Anzahl Hitzetage, an denen ein Kühlsystem unverzichtbar scheint, ist überschaubar, und die Installation einer effizienten Klimaanlage ist kosten- und zeitintensiv. Klar ist jedoch, dass die kostengünstigeren mobilen Schlauchgeräte keine nachhaltige Alternative sind. Sie schaden der Umwelt – und belasten schliesslich via Stromrechnung auch die Haushaltskasse. Klar ist deshalb ebenfalls, dass die Hitzetage in der Schweiz noch häufiger werden, wenn diese Geräteklasse weiterhin ungebremst an Beliebtheit gewinnt.