Die Weiter-Entwicklung einer Weiterbildung verlangt gewissermassen die Fähigkeit, die Zukunft vorhersagen zu können. Was heute auf dem Papier bestimmt wird, fliesst in ein oder zwei Jahren in Form konkreter Ausbildungsinhalte in die Weiterbildungsangebote mit ein. Bis die ersten Absolventinnen und Absolventen einen entsprechenden Abschluss machen, braucht es vier Jahre. Dann erst erreicht das «neue» Wissen die Praxis.
Zwar machen offene Formulierungen im Lehrplan der Weiterbildungsangebote rasche Anpassungen bei den vermittelten Kompetenzen bis zu einem gewissen Grad möglich. Doch unabhängig davon gilt: Wenn ein Lehrgang überarbeitet wird, ist es unabdingbar, in die Zukunft des Anforderungsprofils zu blicken. Aus diesem Grund haben das Bundesamt für Energie BFE und der Schweizerische Verband für Kältetechnik SVK untersuchen lassen, welche Trends die Weiterbildung zur Chefmonteurin Kälte bzw. zum Chefmonteur Kälte prägen werden. Wohin entwickelt sich die Kältetechnik und welche Kompetenzen brauchen die Kältefachleute, um in diesem zukünftigen Umfeld erfolgreich tätig zu sein und gute Anlagen zu bauen?
Trend 1: Kühlen und Heizen wachsen zusammen
In der Zukunft brauchen die Gebäude immer mehr Energie fürs Kühlen und weniger fürs Heizen. Das trifft nicht nur auf Dienstleistungsgebäude zu, sondern vermehrt auch auf Wohngebäude. Damit gewinnt die Klimakälte im «Instrumentenkoffer» der Gebäudetechnik an Gewicht. Gleichzeitig verschmelzen die Kälte- und Wärmeerzeugung – also Kälteanlagen und Wärmepumpen – zu einer einzigen Kälte-Wärme-Maschine. Sie kühlt im Sommer die Räume und sorgt auch im Winter für die Wärme. Im Sommer kann die Maschine mit dem Überschussstrom der Photovoltaikanlage betrieben werden, der bei den meisten PV-Anlagen zeitgleich mit dem grösste Kühlbedarf anfällt. Damit steigt auch die Akzeptanz für das sanfte Klimatisieren im Sommer.
Trend 2: Natürliche Kältemittel verdrängen die synthetischen Stoffe
Die Auflagen an synthetische Kältemittel werden weiter steigen. Der GWP (Global Warming Potential, d.h. das Treibhauspotenzial) ist zunehmend das Schlüsselkriterium eines Kältemittels. Am Markt setzen sich die natürlichen sowie Low-GWP-Kältemittel durch. Im Vordergrund stehen die natürlichen Kältemittel
- R290 (Propan) oder
- R1270 (Propen) sowie
- R717 (NH3 Ammoniak) und
- R774 (CO2 Kohlendioxid).
Allerdings sind die natürlichen Kältemittel bezüglich Arbeits- und Anlagesicherheit anspruchsvoll. Sie sind toxisch (Ammoniak), entflammbar (Propan, Propen) oder arbeiten mit sehr hohen Betriebsdrücken (CO2), was entsprechendes Wissen bei der Handhabung und Installation verlangt.
Trend 3: Der Detailhandel passt sich neuen Essgewohnheiten an
Wir nehmen uns immer weniger Zeit fürs Kochen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Einzelhaushalte, und die Nahrungsaufnahme muss rasch und unkompliziert erfolgen. Die Antwort des Detailhandels sind gekühlte Convenience-Produkte. Daher braucht es mehr Kühlmöbel, und die Kühlfläche nimmt zu. Dies erfordert modulare, anpassbare Kühlsysteme.
Dabei setzen sich CO2-Systeme in der Retail-Kälte immer mehr durch. Dies dank des tiefen Treibhauspotenzials, der hohen Effizienz über das gesamte Jahr, der einfachen Abwärmenutzung sowie der stetig sinkenden Investitions- und Betriebskosten. Als Folge davon müssen sich die Kältefachleute vermehrt mit Kältesystemen mit hohen Systemdrücken (120 bar) auseinandersetzen. Sie brauchen neue Fertigkeiten – löten von K60 Kupfersystemen – oder müssen diese Arbeiten an spezialisierte Schweissunternehmen vergeben.
Trend 4: Kompakte und standardisierte Lösungen im Vormarsch
Günstig in der Anschaffung und sofort einsetzbar: Kompakt-Kälteanlagen (z.B. Roof-Top-Anlagen) und steckerfertige Geräte, bei denen bereits alles dabei ist, erobern mehr Markanteile. Solche Anlagen sind in der Regel billiger, aber bei einer Gesamtbetrachtung leider nicht unbedingt energieeffizienter. Was hingegen besonders für die standardisierten Lösungen spricht, ist der Fachkräftemangel. So wird in der Zukunft voraussichtlich schlicht das Fachpersonal fehlen, welches individuelle, energieeffizientere Lösungen plant und baut.
Trend 5: Digitalisierung und Elektronik halten Einzug
Die sogenannten Smart Grids werden es erlauben, bei Stromangebotsspitzen die Kältemaschine automatisch ein- und bei Strommangel entsprechend auszuschalten. Gleichzeitig werden die Kälteanlagen durchgehend mit den anderen gebäudetechnischen Anlagen und Systemen vernetzt. Grundsätzlich steigt der Anteil von Software, Mess- und Automatisierungstechnik an den Kältemaschinen. Die Kältefachleute müssen sich künftig intensiv mit intelligenten Mess-, Steuer- und Regelsystemen (MSR) und der digitalen Einbindung befassen.
Trend 6: Regulierungsdichte steigt
Ob ChemRRV (Umwelt), SN EN 378 (Sicherheit), SIA 381/1 (Energie), Suva (Arbeitssicherheit) oder Druckgeräteverordnung (Sicherheit) – die Regulierungsdichte ist bereits heute hoch und wird künftig noch weiter zunehmen. Die bestehenden Normen werden in immer kürzeren Abständen überarbeitet. Das lebenslange Lernen wird auch für die Kältefachleuten zur Pflicht. Sie müssen mit einer hohen Regulierungsdichte umgehen können, die den konzeptionellen Handlungsspielraum bei der Planung und beim Bau von Kälteanlagen einengt. Ein Grossteil der Fachleute wird sich daher auf einige wenige Standardlösungen konzentrieren. Nur noch wenige, spezialisierte Anbieter werden künftig spezielle Kundenlösungen anbieten können.
Die Hebel für Energie und Umwelt
Neben den Markt- und Kompetenztrends hat sich die Analyse der Weiterbildung zum Chefmonteur bzw. zur Chefmonteurin Kälte auch damit befasst, welche Faktoren Einfluss auf den Energieverbrauch respektive auf die Umwelt im Allgemeinen haben. Dabei wurden vielfältige Hebel resp. Faktoren identifiziert, die massgebend sind. Dazu gehören sowohl technische Faktoren (z.B. (Ab-)Wärmenutzung) wie auch Verhaltensmassnahmen (sparsamer Umgang mit Materialien) oder Massnahmen wie Wartung und Standortwahl. Die wichtigsten Einflussfaktoren wurden in einem Schema gruppiert (vgl. Doppel-Grafik), welches das Fundament der neuen Energie- und Umweltkompetenzen sowie der entsprechenden Leistungskriterien des Chefmonteurs und der Chefmonteurin bilden.
Insgesamt formulierte die Studie 33 neue, konkrete Leistungskriterien für die Weiterbildung der Chefmonteurinnen und Chefmonteure. Die Empfehlungen betreffen den gesamten Arbeitsprozess, von der richtigen Einbindung der Wärmenutzung über Kältemittel und Kälteöle bis hin zur Inbetriebnahme und Optimierung der Kälteanlage. Anhand dieser Kriterien erarbeiten die Experten des SVK nun die Inhalte der Prüfungsordnung, der dazugehörigen Wegleitung. So viel sei bereits jetzt verraten: Technische Aspekte insbesondere auch MSR-Kompetenzen sollen bei der Ausbildung ein noch höheres Gewicht erhalten. Hingegen sollen die betriebswirtschaftlichen Ausbildungsinhalte eher reduziert werden. Die Ausbildung wird auch in Zukunft zu einem eidg. Fachausweis führen, möglicherweise wird jedoch die Berufsbezeichnung angepasst. Im Rahmen der Branchenvernehmlassung, werden sich die Kältefachleute zu den geplanten Änderungen äussern können.
Der «neue» Lehrgang zur Chefmonteurin und zum Chefmonteur Kälte startet 2024. Zwei Jahre später werden die Absolventinnen und Absolventen ihr neues Wissen in der Praxis anwenden können. Dann wird man sehen, ob die Anforderungen des Markts richtig vorausgesagt wurden.
Weiterbildung Chefmonteur Kälte
Die zweijährige, berufsbegleitende Ausbildung zum Chefmonteur Kälte wird alle zwei Jahre durchgeführt. Der Bildungsgang ist in der Branche etabliert, die Absolventinnen und Absolventen sind sehr gesucht. Derzeit wird der Lehrgang überarbeitet und auf für die aktuellen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes geschärft. Der «neue» Lehrgang startet 2024. Anmeldung und mehr Infos unter
svk.ch
Bezug der Studie «Chefmonteur/in Kälte: Basisanalyse der energie- und umweltrelevanten Aspekte», EnergieSchweiz, 2022:
svk.ch > Höhere Berufsbildung > Chefmonteur/in Kälte (PDF direkt: Schlussbericht Basisanalyse)