Im Osten von Bern hat die Dachorganisation der weltweiten Postunternehmen, der Weltpostverein, seinen Hauptsitz. In direkter Nachbarschaft entstand in den letzten Jahren die Überbauung ‹Weltpostpark› mit drei Mehrfamilienhäusern (MFH). Sie wurden ab 2020 bezogen. Auf Wunsch der Bauherrschaft erfüllen die 170 Wohnungen den Energieeffizienz-Standard ‹Minergie eco›, und die Überbauung wurde als ‹2000 Watt-Areal› realisiert. Dieses Label vereinigt hohe Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Wohngebäuden und Mobilität seiner Bewohner.
Diesen hohen Nachhaltigkeitsstandard zu erreichen, stellte die Energieplaner vor grosse Herausforderungen. Denn für die Überbauung im Osten der Stadt Bern kamen verschiedene gängige Energiesysteme nicht in Frage: Das Grundwasser reichte für die Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen nicht aus, zugleich verunmöglichten die Grundwasservorkommen die Verlegung von Erdsonden. Die Nutzung der Aussenluft als Energiequelle für Wärmepumpen wiederum hätte zu einem zu hohen Strombedarf geführt, verbunden mit dem Risiko für Einsprachen wegen der zu erwartenden Schallemissionen. Auch eine Holzheizung schied aus, denn sie hätte die Luft stärker belastet als vom Energierichtplan zugelassen. Fernwärme schliesslich steht im Quartier in absehbarer Zukunft nicht zur Verfügung.
Eisspeicher nehmen Wärme auf
Beat Nussbaumer, der das Projekt für das Planungsunternehmen Eicher+Pauli betreute, musste eine andere Lösung finden: «Um den 2000 Watt-Areal-Standard zu erreichen, prüften wir mehrere Systeme, darunter Luft-Wasser-Wärmepumpen im Verbund mit Gas- oder Pelletkessel zur Abdeckung der Bedarfsspitzen.
Lediglich das System mit Wärmepumpen, welche als Wärmequellen Solarkollektoren und das Abwasser nutzen, war zielführend», erinnert sich Nussbaumer. Zur Wärmespeicherung wird ein Eisspeicher eingesetzt. «Die Nutzung von Solarwärme und Abwasser, kombiniert mit einem Eisspeicher, ergibt ein Energiesystem, das die Häuser in einem dicht bebauten städtischen Raum während allen Jahreszeiten zuverlässig mit Heizwärme und Warmwasser versorgt», sagt Nussbaumer. Da die Wärmepumpen mit zertifiziertem Wasserstrom betrieben werden, ist die Wärmeversorgung zu 100% erneuerbar.
Verlässlich und wirtschaftlich
Das Unternehmen Eicher+Pauli hat das Energiesystem nicht nur geplant, sondern in den letzten zwei Jahren in einem vom BFE unterstützten Pilot- und Demonstrationsprojekt einem Monitoring und einer Betriebsoptimierung unterzogen. Diese Analyse hat die Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit des Systems bestätigt. «Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Eisspeicher-Technologie leicht höhere Investitionen gegenüber einer vergleichbaren Erdsonden-Wärmepumpen-Anlage auslöst, jedoch durch die hohe Effizienz nahezu ebenso wirtschaftlich betrieben werden kann», hält der Projektschlussbericht fest. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) liegt bei rund 4,5 und erreicht damit in etwa die Effizienz von Sole-Wasser-Wärmepumpen.
Das Energiesystem der Überbauung Weltpostpark verfügt über keine Redundanzen, denn bei einer Vollvereisung kann dem Speicher keine weitere Energie entzogen werden. Entsprechend sorgfältig müssen solche Systeme ausgelegt werden. Bei der Planung muss insbesondere dem Nutzerverhalten ein besonderes Augenmerk geschenkt werden (‹Performance Gap›). Dadurch kann der Wärmebezug für Heizen und Warmwasser massiv schwanken und mitunter zu einem deutlich höheren Wärmebedarf als projektiert führen. Eine weitere Herausforderung: Bei einer anhaltenden Schneebedeckung der Kollektoren kann der Eisspeicher zeitweilig nicht mit Solarwärme regeneriert werden.
Simulation zeigte drohende Unterversorgung
Um eine Unterdimensionierung des Heizsystems zu vermeiden, führten die Energieplaner eine dynamische Simulation (Polysun) durch. Sie zeigte, dass ein Energiesystem aus Sonnenkollektoren und Eisspeicher den Wärmebedarf der drei Wohngebäude nicht zuverlässig sicherstellen würde. Aus diesem Grund wählten die Planer einen innovativen Ansatz: Sie ergänzten das Energiesystem um eine Abwasser-Wärmerückgewinnung. Sie wollten mit diesem Schritt sicherstellen, dass ein möglicher Performance Gap abgefangen und ein nachhaltiger Betrieb möglich wird. Darüber hinaus wollten sie Erfahrungen mit diesem in der Schweiz bisher kaum bekannten Zusammenspiel von Heizungskomponenten gewinnen. Im Prinzip hätten für die Leistungssteigerung auch das Kollektorfeld und der Eisspeicher vergrössert werden können. Dies wäre aber teurer gewesen als die Nutzung der Abwasserwärme, betont Beat Nussbaumer.
Der Weg über die Simulation war für die Energieplaner deshalb erforderlich, weil der Anbieter des Heizsystems die Systemauslegungen nicht offengelegt hatte. Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren des Schlussberichts eine Verbesserung der Planungshilfen: «Mit der Initiierung und Förderung von produktneutralen Planungs- und Simulationstools soll in der SIA-Projektphase 2 eine raschere Systemauslegung möglich werden. Die Anwendung soll nach Möglichkeit in etablierte Simulationsprogramme integriert werden.»
Wärme aus Abwasser ist unabdingbar
Wie richtig der Entscheid zum Einbezug der Abwasser-Wärme war, sollte sich in Haus B der Überbauung zeigen: Dort kann aus baulichen Gründen nur ein Drittel des Abwassers zur Wärmebereitstellung genutzt werden. Die Folge: Der Wärmebedarf des Hauses konnte in der kalten Jahreszeit nicht vollständig gedeckt werden, so dass temporär eine mobile, mit Öl betriebene Heizzentrale eingesetzt wurde und nachträglich nun eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zugebaut wird.
Um solche Nachbesserungen zu vermeiden, ist wie erwähnt eine transparente und nachvollziehbare Auslegung der Komponenten unerlässlich. Wünschbar wären nach Einschätzung des Projektteams Systemanbieter, die alle Komponenten einschliesslich Systemgarantie, intelligentem Leitsystem und Betriebs-Knowhow zur Verfügung stellen. Die Auslegungsparameter sowie die Dimensionierung sollten nachvollziehbar offengelegt werden. Diese Transparenz sei eine wichtige Voraussetzung, um die Verbreitung von Heizsystemen mit Eisspeicher zu fördern.
Freecooling im Sommer
Ein intelligentes Leitsystem ist auch deshalb nötig, um die Anlage in den Sommermonaten optimal nutzen zu können. In dieser Jahreszeit wird die Anlage nämlich im Freecooling-Modus betrieben, das heisst, die Rohre der Bodenheizung werden mit kaltem Wasser aus dem Eisspeicher durchströmt und führen so die sommerliche Wärme aus den Wohnräumen ab. Damit im Eisspeicher die nötige Kühlenergie zur Verfügung steht, wurde in der zweijährigen Monitoringphase jeweils ab März durch Wärmeentzug gezielt eine Eisreserve aufgebaut. Nach Auswertung des Monitorings kommen die Energieexperten zum Schluss, der Aufbau der Eisreserve sollte einen Monat später – also April statt März – erfolgen, um eine bessere Wärmereserve zu haben.
Das P+D-Projekt rund um die Berner Überbauung Weltpostpark ergab wichtige Hinweise für die Nutzung dieses Energiesystems in dicht bebauten, städtischen Arealen.