Wärmetechnik

Die Solarkollektoren der Überbauung während der Montage. (Bilder: B.Vogel/zVg)

Jedes MFH der Überbauung Weltpostpark bezieht die Wärme für Heizung und Warmwasser von Wärmepumpen, die drei Wärmequellen nutzen: die unverglasten Solarkollektoren auf dem Hausdach, einen Eisspeicher und das in einem Tank gesammelte Abwasser des Hauses. Die Wärme aus dem Abwassertank wird durch einen Wärmetauscher entnommen und gelangt von dort zu den Wärmepumpen.

Die Überbauung im Osten der Stadt Bern mit drei MFH: Die Wärme aus den Solarkollektoren dient der Regeneration der Eisspeicher (blau) oder kann direkt durch die Wärmepumpen genutzt werden. Die Häuser A und C verfügen über je einen zylinderförmigen Eisspeicher (rund eingezeichnet), bei Haus B wurden aus baulichen Gründen zwei kleinere kubische Eisspeicher (rechteckig eingezeichnet) realisiert.

Kostenvergleich verschiedener Energiesysteme: Das Heizsystem auf der Grundlage eines Eisspeichers ist bei Investitionen, Jahreskosten (annualisierte Investitionskosten + Energie- und Unterhaltskosten) und Wärmepreis mit einem Heizsystem mit Erdwärmesonden vergleichbar. Die Investitionen beruhen auf der Ausführung Weltpostpark, die Energiekosten basieren auf Tarifen in der Stadt Bern und die Berechnung der Jahreskosten erfolgte nach SIA.

Jahresarbeitszahl (JAZ) der drei WP: In der 1. Heizperiode (2020/21) war die Effizienz noch durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt. In der 2. untersuchten Heizperiode (21/22) liefen die drei WP dann stabil und durchgängig, dies mit einer mittleren JAZ von 4,5. Etwas tiefer liegt der Wert bei Haus B: Hier steht nur ein Drittel des Abwassers für die Wärmenutzung zur Verfügung. Dadurch wird der Eisspeicher stärker belastet, was zu einer tieferen Quellentemperatur und zu einer deutlich geringeren JAZ führt. Der ungünstige Effekt zeigt sich hauptsächlich in der 2. Hälfte der Heizperiode.

Wärmeflüsse in Haus A der Überbauung Weltpostpark: In den meisten Monaten werden 60 bis 100% der Wärme aus den Solarkollektoren und dem Abwasser im Eisspeicher deponiert, bevor sie später über die Wärmepumpe in Heizwärme und Warmwasser umgesetzt wird.

Erneuerbare Wärme für dicht bebaute Quartiere

Heizwärme und Warmwasser lassen sich heute gut aus den Erneuerbaren erzeugen – etwa mit Wärmepumpen, die Wärme aus dem Erdreich oder der Umgebungsluft nutzen, aber auch mit Fernwärmenetzen oder Holzheizungen. In Städten jedoch sind diese Energiesysteme oft nicht verfügbar, nicht erlaubt, oder die damit verbundenen Emissionen sind unerwünscht. In diesem Fall kann ein Heizsystem helfen, das Wärme aus Sonnenkollektoren und Abwasser nutzt und diese in einem Eisspeicher zwischenlagert. Dieser Ansatz erlaubt eine wirtschaftliche Energieversorgung von Mehrfamilienhäusern auch in dicht bebauten Quartieren, wie ein Projekt aus Bern zeigt.

Im Osten von Bern hat die Dachorganisation der weltweiten Postunternehmen, der Weltpostverein, seinen Hauptsitz. In direkter Nachbarschaft entstand in den letzten Jahren die Überbauung ‹Weltpostpark› mit drei Mehrfamilienhäusern (MFH). Sie wurden ab 2020 bezogen. Auf Wunsch der Bauherrschaft erfüllen die 170 Wohnungen den Energieeffizienz-Standard ‹Minergie eco›, und die Überbauung wurde als ‹2000 Watt-Areal› realisiert. Dieses Label vereinigt hohe Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Wohngebäuden und Mobilität seiner Bewohner.

Diesen hohen Nachhaltigkeitsstandard zu erreichen, stellte die Energieplaner vor grosse Herausforderungen. Denn für die Überbauung im Osten der Stadt Bern kamen verschiedene gängige Energiesysteme nicht in Frage: Das Grundwasser reichte für die Wärmeerzeugung mit Wärmepumpen nicht aus, zugleich verunmöglichten die Grundwasservorkommen die Verlegung von Erdsonden. Die Nutzung der Aussenluft als Energiequelle für Wärmepumpen wiederum hätte zu einem zu hohen Strombedarf geführt, verbunden mit dem Risiko für Einsprachen wegen der zu erwartenden Schallemissionen. Auch eine Holzheizung schied aus, denn sie hätte die Luft stärker belastet als vom Energierichtplan zugelassen. Fernwärme schliesslich steht im Quartier in absehbarer Zukunft nicht zur Verfügung.

Eisspeicher nehmen Wärme auf

Beat Nussbaumer, der das Projekt für das Planungsunternehmen Eicher+Pauli betreute, musste eine andere Lösung finden: «Um den 2000 Watt-Areal-Standard zu erreichen, prüften wir mehrere Systeme, darunter Luft-Wasser-Wärmepumpen im Verbund mit Gas- oder Pelletkessel zur Abdeckung der Bedarfsspitzen.

Lediglich das System mit Wärmepumpen, welche als Wärmequellen Solarkollektoren und das Abwasser nutzen, war zielführend», erinnert sich Nussbaumer. Zur Wärmespeicherung wird ein Eisspeicher eingesetzt. «Die Nutzung von Solarwärme und Abwasser, kombiniert mit einem Eisspeicher, ergibt ein Energiesystem, das die Häuser in einem dicht bebauten städtischen Raum während allen Jahreszeiten zuverlässig mit Heizwärme und Warmwasser versorgt», sagt Nussbaumer. Da die Wärmepumpen mit zertifiziertem Wasserstrom betrieben werden, ist die Wärmeversorgung zu 100% erneuerbar.

Verlässlich und wirtschaftlich

Das Unternehmen Eicher+Pauli hat das Energiesystem nicht nur geplant, sondern in den letzten zwei Jahren in einem vom BFE unterstützten Pilot- und Demonstrationsprojekt einem Monitoring und einer Betriebsoptimierung unterzogen. Diese Analyse hat die Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit des Systems bestätigt. «Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Eisspeicher-Technologie leicht höhere Investitionen gegenüber einer vergleichbaren Erdsonden-Wärmepumpen-Anlage auslöst, jedoch durch die hohe Effizienz nahezu ebenso wirtschaftlich betrieben werden kann», hält der Projektschlussbericht fest. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) liegt bei rund 4,5 und erreicht damit in etwa die Effizienz von Sole-Wasser-Wärmepumpen.

Das Energiesystem der Überbauung Weltpostpark verfügt über keine Redundanzen, denn bei einer Vollvereisung kann dem Speicher keine weitere Energie entzogen werden. Entsprechend sorgfältig müssen solche Systeme ausgelegt werden. Bei der Planung muss insbesondere dem Nutzerverhalten ein besonderes Augenmerk geschenkt werden (‹Performance Gap›). Dadurch kann der Wärmebezug für Heizen und Warmwasser massiv schwanken und mitunter zu einem deutlich höheren Wärmebedarf als projektiert führen. Eine weitere Herausforderung: Bei einer anhaltenden Schneebedeckung der Kollektoren kann der Eisspeicher zeitweilig nicht mit Solarwärme regeneriert werden.

Simulation zeigte drohende Unterversorgung

Um eine Unterdimensionierung des Heizsystems zu vermeiden, führten die Energieplaner eine dynamische Simulation (Polysun) durch. Sie zeigte, dass ein Energiesystem aus Sonnenkollektoren und Eisspeicher den Wärmebedarf der drei Wohngebäude nicht zuverlässig sicherstellen würde. Aus diesem Grund wählten die Planer einen innovativen Ansatz: Sie ergänzten das Energiesystem um eine Abwasser-Wärmerückgewinnung. Sie wollten mit diesem Schritt sicherstellen, dass ein möglicher Performance Gap abgefangen und ein nachhaltiger Betrieb möglich wird. Darüber hinaus wollten sie Erfahrungen mit diesem in der Schweiz bisher kaum bekannten Zusammenspiel von Heizungskomponenten gewinnen. Im Prinzip hätten für die Leistungssteigerung auch das Kollektorfeld und der Eisspeicher vergrössert werden können. Dies wäre aber teurer gewesen als die Nutzung der Abwasserwärme, betont Beat Nussbaumer.

Der Weg über die Simulation war für die Energieplaner deshalb erforderlich, weil der Anbieter des Heizsystems die Systemauslegungen nicht offengelegt hatte. Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren des Schlussberichts eine Verbesserung der Planungshilfen: «Mit der Initiierung und Förderung von produktneutralen Planungs- und Simulationstools soll in der SIA-Projektphase 2 eine raschere Systemauslegung möglich werden. Die Anwendung soll nach Möglichkeit in etablierte Simulationsprogramme integriert werden.»

Wärme aus Abwasser ist unabdingbar

Wie richtig der Entscheid zum Einbezug der Abwasser-Wärme war, sollte sich in Haus B der Überbauung zeigen: Dort kann aus baulichen Gründen nur ein Drittel des Abwassers zur Wärmebereitstellung genutzt werden. Die Folge: Der Wärmebedarf des Hauses konnte in der kalten Jahreszeit nicht vollständig gedeckt werden, so dass temporär eine mobile, mit Öl betriebene Heizzentrale eingesetzt wurde und nachträglich nun eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zugebaut wird.

Um solche Nachbesserungen zu vermeiden, ist wie erwähnt eine transparente und nachvollziehbare Auslegung der Komponenten unerlässlich. Wünschbar wären nach Einschätzung des Projektteams Systemanbieter, die alle Komponenten einschliesslich Systemgarantie, intelligentem Leitsystem und Betriebs-Knowhow zur Verfügung stellen. Die Auslegungsparameter sowie die Dimensionierung sollten nachvollziehbar offengelegt werden. Diese Transparenz sei eine wichtige Voraussetzung, um die Verbreitung von Heizsystemen mit Eisspeicher zu fördern.

Freecooling im Sommer

Ein intelligentes Leitsystem ist auch deshalb nötig, um die Anlage in den Sommermonaten optimal nutzen zu können. In dieser Jahreszeit wird die Anlage nämlich im Freecooling-Modus betrieben, das heisst, die Rohre der Bodenheizung werden mit kaltem Wasser aus dem Eisspeicher durchströmt und führen so die sommerliche Wärme aus den Wohnräumen ab. Damit im Eisspeicher die nötige Kühlenergie zur Verfügung steht, wurde in der zweijährigen Monitoringphase jeweils ab März durch Wärmeentzug gezielt eine Eisreserve aufgebaut. Nach Auswertung des Monitorings kommen die Energieexperten zum Schluss, der Aufbau der Eisreserve sollte einen Monat später – also April statt März – erfolgen, um eine bessere Wärmereserve zu haben.

Das P+D-Projekt rund um die Berner Überbauung Weltpostpark ergab wichtige Hinweise für die Nutzung dieses Energiesystems in dicht bebauten, städtischen Arealen.

www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=40988

www.bfe.admin.ch/ec-waerme