Herr Ganz, heute ist die Solarthermie das Thema. Was ist Ihre Verbindung zu diesem erneuerbaren Energieträger?
Dazu muss ich etwas ausholen. Ich bin während meiner Mittelschulzeit mit den Publikationen des «Club of Rome» politisiert worden. Ich studierte dann Maschinenbau an der ETH mit dem Anspruch, die Welt zu verbessern. Deshalb habe ich mich auf Energiesysteme vertieft, und im Anschluss an meinem Abschluss an der ETH 1992 habe ich am Paul Scherrer Institut (PSI) im Bereich der Hochtemperatur-Solarchemie meine Dissertation geschrieben. Damals gehörte ich zur ersten Doktorandengeneration in dieser Forschungsgruppe. Es waren im positiven Sinne ganz spezielle Menschen, die etwas Neues gestalten wollten. Heute, rund dreissig Jahre später, werden nun endlich die Technologien breit eingesetzt, die bereits damals reif für die Umsetzung waren.
Warum kam es trotz Reife nicht zum grossen Durchbruch?
Das hat mehrere Gründe, auf die einzugehen hier den Rahmen sprengen würde. In der Tat habe ich viele frustrierte und zum Teil auch desillusionierte Fachleute in der Solarenergieforschung während der Zeit am PSI kennengelernt, die mir, zu meinem Glück, auch den Spiegel vorhielten. Das gab mir wohl den nötigen Schub, einen anderen Weg einzuschlagen, um meine Ideen zu verwirklichen. Ich landete dann bei Amstein und Walthert, und baute da die Produkteentwicklung für die Bauzulieferindustrie auf. Daraus entstand ein Spin-off.
Was haben Sie damals konkret entwickelt?
Alles mögliche, quer durch alle Energiesysteme. Doch nicht nur. So beschäftigten wir uns beispielsweise mit einem neuartigen Brenner für Gasturbinen, arbeiteten an speziellen Kühllösungen für Bürobauten, konzipierten ein neuartiges Klimadeckensystem bis zur Marktreife oder entwickelten ein Konzept für den perfekten Milchschaum für Kaffeemaschinen. Meinen Anteil am Unternehmen, das es heute noch gibt, habe ich 2013 verkauft, um mich wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Auch seither beschäftige ich mich immer wieder mit der Frage, wie nachhaltige Systeme die Ressourcen unserer Welt schonen.
Und bei Soltop, bei der Sie seit Anfang September 2019 als Geschäftsführer amten, schliesst sich der Kreis. Wie fühlt es sich für Sie im neuen Unternehmen an?
Sehr gut. Ich bin von einem fantastischen Team gut aufgenommen worden. Was es hier besonders einfach macht, ist, dass wir die Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit teilen. Trotzdem müssen wir uns den Herausforderungen stellen, wenn wir weiterhin und umfassend im erneuerbaren Energiebereich tätig sein wollen. Soltop entwickelt, produziert und verkauft erneuerbare Energiesysteme zum Heizen, Kühlen und für die Mobilität, mit denen ich mich seit meiner Studienzeit auseinandergesetzt habe und die wir für die Energiewende benötigen. Insofern schliesst sich der Kreis, da ich zu meinen Wurzeln zurückfinde.
Was ist Ihre persönliche Erfahrung mit Solarthermie?
Sehr gut. Um die Jahrtausendwende habe ich ein Haus gebaut, selbstverständlich mit einer Solarthermie-Anlage auf dem Dach für das Warmwasser. Mittlerweile bin ich auch im Besitz eines Ferienhäuschens in den Bergen. Dieses ist mit einer Solarthermie- und Photovoltaik-Anlage ausgestattet, die mir und meiner Familie Strom und das nötige Warmwasser liefert, und das ohne Komfortverlust. Die Kollektoren auf dem Dach bereiten mir sehr grosse Freude und leisten einen kleinen Beitrag zum Abbau von fossilen Energieträgern.
Eigentlich ist die Solarthermie eine prädestinierte Technologie in der Wärmegewinnung?
So pauschal würde ich dies nicht unterschreiben. Das ist immer objektspezifisch zu beantworten. Grundsätzlich ist Solarthermie für Warmwasser sicher eine interessante Option, wo ich mit Öl, Gas oder Holz heize. Dann dort, wo ich viel Wärme brauche im Sommer: zum Hochhalten von Nahwärmverbünden, in Hotels, Spitälern oder auf Sportanlagen. Zudem in nebelfreien, hochgelegenen Gebieten mit langen Heizperioden zur Heizungsunterstützung. In anderen Fällen macht eine PV-Anlage mehr Sinn: Strom kann ich universeller einsetzen. Ich muss die Sonnenenergie nutzen können dann, wenn sie anfällt.
Wie sehen momentan die Voraussetzungen aus, damit Sie die Solarthermie voranbringen können?
Meiner Meinung nach sind heute für erneuerbare Energie gesellschaftlich die besten Voraussetzungen gegeben. Eine einmalige Chance, die ich mitgestalten will.
Wie packen Sie es an?
Wir sind heute in unserem Produkteportfolio sehr gut aufgestellt. Zudem ermöglichen alle unsere Systeme die Integration von Solarstrom, Solarwärme und weiteren Komponenten. Doch nicht nur. Die Soltop-Systeme lassen sich mit sämtlichen Wärmeerzeugern wie Wärmepumpen, Gas, Holz oder Pellets kombinieren. Sämtliche Anlageteile sind weitgehend vormontiert und werden durch ein Komplettschema definiert, sodass dies dem Installateur eine schnelle Montage und weniger Fehler auf der Baustelle erlaubt. Ich bin davon überzeugt, dass wir das nötige Know-how und die Erfahrung mitbringen, um auf dem Bereich der erneuerbaren Energien noch zielorientierter voranzukommen.
Wie will sich Soltop mit der Solarthermie im Markt positionieren?
Unter anderem im Sanierungsmarkt, wo es darum geht, die Dekarbonisierung bei Einfamilienhäusern und kleinen Mehrfamilienhäusern voranzubringen. Wir wollen den Eigentümern Hand bieten, die Energieversorgung ihres Hauses und ihrer Mobilität von fossilen auf erneuerbare Energien umzustellen. Wir beraten den Eigentümer, erarbeiten ein individuelles Energiekonzept, stellen die Fördergesuche, machen die Offerte, begleiten die Umsetzung und bieten über die Lebensdauer der Anlage Wartung und Unterhalt. In dieser Koordination liegt einerseits die Herausforderung und andererseits ein grosses Potenzial, damit erneuerbare Energiesysteme eine breitere Akzeptanz erhalten.
Was für Erfahrungen machten Sie in Uster, wo Soltop vor Kurzem in einem Mehrfamilienhaus eine Solarthermie-Anlage installierte?
Nur gute. Die Genossenschaft wollte ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk ersetzen. Die Solarthermie-Anlage ging im Frühling 2018 in Betrieb und liefert heute rund 60 Prozent des Warmwasserbedarfes für rund 70 Wohnungen und 300 Personen. Die Anlage läuft ohne Probleme. In erster Linie wollte die Genossenschaft weg von fossil betriebenen Energieträgern. Grundsätzlich ist Solarthermie vor allem dort spannend, wo man heute mit Gas, Öl oder Holz feuert. Vor allem im Sommerhalbjahr, denn dann ruhen die fossil betriebenen Anlagen.
Helfen solche Referenzobjekte, um den ganz grossen Erfolg mit der Solarthermie anzupeilen?
Den peilen wir gar nicht an. Der Boom der Solarthermie hielt etwa sechs Jahre und endete im Jahre 2011. Die Verkaufszahlen erzielten jedes Jahr neue Rekorde. Während dieser Jahre verdoppelte sich der Umsatz auch bei der Soltop jährlich.
Dann kam der Preiszerfall der Photovoltaik. Plötzlich war grüner Strom günstiger zu haben, was den Schwung von der Solarthermie zur Photovoltaik verschob?
Genau. Das hat zu einer Verdrängung geführt. Plötzlich wollten alle nur noch Photovoltaik. Doch ich bin überzeugt, mit der Solarthermie auch in Zukunft ein attraktives Nischendasein anbieten zu können. Als Ergänzung zu bestehenden Systemen wie der Photovoltaik oder im Einsatz von Wärmepumpen zum Beispiel. Eine Solarthermie-Anlage ist immer eine Option, insofern wird sie auch in Zukunft ihre Berechtigung haben.
Doch nur am Preiszerfall kann es nicht gelegen haben?
Die Stromproduktion ist einfach attraktiver. Mit der überschüssigen Wärme kann man kein elektrisches Fahrzeug betreiben, im Gegensatz zu überschüssigem Strom, den man in ein Netzwerk einspeisen oder damit sein E-Fahrzeug in der Garage laden kann. Der Strom ist in diesem Sinne universeller. Dazu kommt, dass im Sommer der Kühlbedarf steigt, und das lässt sich mit selber produziertem Strom bestens und ohne schlechtes Gewissen machen.
Und wie sieht es mit der Rentabilität aus bei der Solarthermie?
Die Kosten hängen davon ab, für welche Variante der Solarthermie man sich entscheidet. So liegen die Investitionskosten für eine Solarthermie-Anlage zur Warmwasseraufbereitung deutlich unter denen einer Anlage zur zusätzlichen Heizungs-Unterstützung. Es stellt sich die Frage, was ich abgrenze oder zusätzlich benötige für die Integration einer Solaranlage. Bei einer Gasheizung brauche ich neben dem sowieso vorhandenen Boiler Kollektoren, eine Pumpengruppe mit Steuerung plus einen Wärmetauscher. Je nach Grösse und Bedürfnissen beispielsweise eines vierköpfigen Haushalts generiere ich Mehrkosten in der Anschaffung von 4000 bis 5000 Franken. Eine sehr überschaubare Geschichte, zumal eine solche Anlage problemlos 25 Jahre im Einsatz ist. Meine eigene im Haus läuft jetzt schon 19 Jahre. Da ist das investierte Geld schon längstens amortisiert.
An den Anschaffungskosten kann es also nicht liegen. Wie siehts mit dem Unterhalt aus?
Ist die Anlage richtig konzipiert, ist der Unterhalt sehr bescheiden. In dieser Diskussion für oder gegen eine Solaranlage spricht man grundsätzlich viel zu viel über Rentabilität und über Kosten. Die entscheidende Frage für mich ist, ob ich einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten will oder nicht, und nicht die Frage, ob ich mit der Umstellung auf erneuerbare Energien ein paar Franken spare, zumal weder die Anschaffungs- noch die Unterhaltskosten so hoch sind, dass sie nicht finanzierbar wären. Bei der Anschaffung eines Privatfahrzeugs steht auch nicht die Frage der Rentabilität im Vordergrund. Es geht darum, dass, wie beim Auto, eine Technologie Freude bereiten soll. Der emotionale Wert ist zentral. Dieser Aspekt sollte bei der Anschaffung einer Solaranlage im Vordergrund stehen. Ich persönlich dusche gerne länger als vernünftig und sehr warm – auch im Sommer. Dies ist ein Luxus, den ich mir dank der Solaranlage auch «moralisch» leisten kein. Verzicht wäre die Alternative. In Zukunft wird Energieverbrauch ein Luxusgut – und Luxus darf auch was kosten.
Der ökologische Fussabdruck sollte demnach die Entscheidungsgrundlage sein?
Genau. Umso mehr, weil wir auch gegenüber der Generation nach uns eine gesellschaftliche und moralische Verpflichtung haben. Dazu kommt, dass es um die Finanzen eines Eigenheimbesitzers nicht so schlecht bestellt ist, dass er sich die marginale Zu- satzinvestition nicht leisten könnte. Im Verhältnis zu den momentanen hohen Immobilienpreisen machen diese ein paar wenige Prozent aus. Für mich rechnet es sich allemal, in eine Solaranlage zu investieren.
Könnten die MuKen2014, die ja noch nicht in allen Kantonen umgesetzt worden sind, ein Treiber für die Solarthermie sein?
Durchaus. Doch ich bin überzeugt, dass wir sowohl Immobilieneigentümer wie auch Planer auf das Thema erneuerbare Energien und auf die Chancen der Solarthermie hinweisen müssen. Hier sehen wir unsere Mission, und momentan deutet alles darauf hin, auch aufgrund der letzten Parlamentswahlen im Oktober, dass das Thema nun eine breitere Öffentlichkeit erfasst hat. Bei mir ist das seit 30 Jahren klar, doch nun ist es auch in der Gesellschaft angekommen, dass es sinnlos ist, schonungs- und verantwortungslos fossile Ressourcen zu verbrennen, die unserem Klima schaden. Die Diskussion habe ich immer zynisch gefunden, ob wir nun in zwei, drei oder vier Generationen die fossilen Ressourcen diese Planeten verheizen.
Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die Solarthermie von Soltop in zehn Jahren?
Sie füllt immer noch eine attraktive Nische aus. Zudem wollen wir unsere Service- und Unterhaltsleistungen für alle ausbauen, die heute schon eine Solarthermie-Anlage betreiben, um die bestehenden am Laufen zu halten oder auch verwaiste Anlagen wieder funktionstüchtig zu machen. Auch das ist ein Aspekt der Nachhaltigkeit.