Wärmepumpen entziehen der Umgebung bekanntlich Wärme, bringen diese unter Einsatz von Strom auf ein höheres Temperaturniveau und stellen so Heizwärme und Warmwasser bereit. Um diesen Wärmetransfer zu leisten, braucht jede Wärmepumpe ein Kältemittel mit den passenden physikalischen Eigenschaften. Der Begriff ‹Kältemittel› rührt daher, dass diese Stoffe ursprünglich in Kältemaschinen zum Einsatz kamen. Dort läuft der gleiche Prozess wie in Wärmepumpen ab, allerdings dient er dort der Kälteproduktion.
Trend zu natürlichen Kältemitteln
Seit der Erfindung der Wärmepumpe im 19. Jahrhundert kamen verschiedenste Kältemittel zum Einsatz. Bis in die 1990er-Jahre waren chlorierte Kohlenwasserstoffe (FCKW) gängig, wurden dann aber wegen ihres schädigenden Einflusses auf die Ozonschicht aus dem Verkehr gezogen. An ihre Stelle traten synthetische Kältemittel basierend auf Fluorkohlenwasserstoffen (FKW), beispielsweise R-410A und R-407C für kleine Wärmepumpen von Einfamilienhäusern oder R-134a für grössere Anlagen. Seit dem Aufkommen der Klimadebatte werden die synthetischen Kältemittel kritisch gesehen, da sie im Fall einer Leckage den Treibhaus-Effekt verstärken oder Gewässer mit Trifluoracetat (TFE) belasten. Aus diesem Grund greift man heute vermehrt auf natürliche Kältemittel wie Ammoniak, Propan und CO2 zurück. Diese haben einen geringen Effekt auf den Klimawandel. Zum Vergleich: Um das Klima in gleichem Mass zu schädigen wie 1 kg R134a, müssten 1430 Kilogramm CO2 entweichen.
«Das Kältemittel CO2 ist sicher und erlaubt einen energieeffizienten Betrieb der Wärmepumpe mit wenig Wartungsaufwand, daher stösst es bei nachhaltig orientierten Kunden auf steigendes Interesse», sagt Marcel Bärtsch, Leiter Technik beim Ingenieurbüro Frigo-Consulting AG, Dietikon ZH. CO2 ist besonders dann geeignet, wenn das Kältemittel von der Rücklauf- zur Vorlauftemperatur eine grosse Temperaturspreizung überwinden muss, wie es in der Regel bei Gebäuden mit hohem Warmwasseranteil oder Bestandesbauten der Fall ist. In kleinen Wärmepumpen wird CO2 bisher nicht als Kältemittel eingesetzt, weil die technischen Komponenten nicht zur Verfügung stehen. Hier kommt vorzugsweise Propan als natürliche Alternative zum Zug.
«Umweltverträglichste Lösung»
Eines der ersten grossen Projekte mit dem Kältemittel CO2 in einer reversiblen Wärmepumpe für die Beheizung und Klimatisierung eines Grossgebäudes wurde 2019 in Sursee realisiert. Dort betreibt die Genossenschaft Migros Luzern das Einkaufszentrum Surseepark. In zwei Gebäuden (Surseepark I, Surseepark II) mit insgesamt rund 33 000 m² Verkaufsfläche sind ein MMM-Supermarkt, Migros Fachmärkte und weitere Food- und Non-Food-Geschäfte untergebracht. Im Jahr 2018 hat die Migros ein neues Heiz- und Kühlsystem für das Einkaufszentrum evaluiert, um die bestehenden Ölheizungen und Klimakälteanlagen zu ersetzen. «Wir entschieden uns für Wärmepumpen mit dem natürlichen Kältemittel CO2», sagt Markus Rütti, Leiter Gebäudetechnik bei der Genossenschaft Migros Luzern. «Aus den zwölf geprüften Konzepten nahmen wir zugunsten dieses Pilotprojekts deutlich höhere Investitionskosten in Kauf, um die umweltverträglichste Lösung zu realisieren. Durch die tiefen Lebenszykluskosten über die nächsten 15 Jahre kann ein Teil der Mehrinvestitionen wieder kompensiert werden.»
Der Entscheid fiel im Einklang mit der Klima- und Energiestrategie der Migros. Diese fordert im Bereich Heizung-Lüftung-Klima (HLK) einen Ausstieg aus synthetischen Kältemitteln – ein Vorgehen, das die Migros bei der Produktkühlung (Kühl- und Tiefkühlgeräte) schon seit Jahren praktiziert (im Surseepark mit dem natürlichen Kältemittel CO2). Die zwei Luft/Wasser-Wärmepumpen im Surseepark I und II arbeiten reversibel, sie stellen also sowohl Heizwärme und Warmwasser (insgesamt 2 x 550 kW Heizleistung) als auch Klimakälte (2 x 630 kW Klimaleistung) bereit. Beide Wärmepumpen sind mit sogenannten Ejektorventilen ausgerüstet. Diese ermöglichen einen besonders energieeffizienten Betrieb.
Anspruchsvolle Pionieranlage
Nach der Inbetriebnahme wurde die Pionieranlage in Sursee erst einreguliert und dann von Herbst 2020 bis Herbst 2021 einer detaillierten Messkampagne unterzogen, die vom Pilot- und Demonstrationsprogramm des BFE finanziell unterstützt wurde. «Die Betriebsoptimierung war relativ aufwendig, weil die HLK-Systeme in beiden Gebäuden in unterschiedlichem Mass erneuert wurden und weil die Versorgung der zwei Gebäude lange Leitungen und eine komplexe Steuerung erfordert. Unterdessen läuft die Anlage störungsfrei, und mit einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,33 (Heizbetrieb) und 5,32 (Klimabetrieb) erzielen wir energetisch ein gutes Ergebnis», sagt der Migros-Projektverantwortliche und ergänzt: «Mit dem Projekt konnten wir wertvolle Erfahrungen punkto Steuerungs- und Regelstrategie, Teillastverhalten der Wärmepumpen sowie dem Zusammenspiel von Ejektoren und Drosselventil sammeln.»
Diese Erfahrungen helfen dem Gebäudetechnik-Experten nun bei der Umsetzung weiterer Projekte. So wurde im Herbst 2020 im Einkaufscenter Migros Herti in Zug ebenfalls eine reversible CO2-Wärmepumpe eingebaut, die dank der bisherigen Erfahrungen aus der Anlage im Surseepark kompakter und günstiger realisiert werden konnte. Durch geringfügige Anpassungen in der Systemauslegung und im Betrieb konnte die JAZ im Heizbetrieb um 8% gesteigert werden. Bei dem für 2023 geplanten Ersatz der Gasheizung im Einkaufszentrum Zugerland in Steinhausen will die Migros ebenfalls auf reversible CO2-Wärmepumpen zurückgreifen; die Anlage dürfte aus den Erfahrungen und Optimierungen der beiden realisierten Anlagen nochmals an Kosteneffizienz gewinnen. Damit zeichnet sich ab, was die Autoren des Schlussberichts zum Wärmepumpen-Projekt in Sursee bereits vorausgesagt hatten: «Wir sind der Überzeugung, dass reversible Luft/Wasser-CO2-Wärmepumpen in Zukunft eine relevante Rolle bei der Beheizung und Klimatisierung von modernisierten Grossgebäuden oder Neubauten spielen werden.»