Die Internationale Energieagentur (IEA) fordert in ihrer Roadmap Net Zero by 2050 eine Verzehnfachung des Wärmepumpenabsatzes weltweit. Auch in der anfangs Jahr publizierten Wärmestrategie 2050 des BFE sind Wärmepumpen neben thermischen Netzen die wichtigsten Heizsysteme der Zukunft. Trotz gestiegener Strompreise sowie Verzögerungen in den Lieferketten ist der Wärmepumpenabsatz in Europa im letzten Jahr um 38 % gestiegen und hat sich im Vergleich zu 2019 sogar verdoppelt. Heisst das jetzt: «Es läuft rund, der Job ist erledigt»? Genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn Tausende von Wärmepumpen installiert werden, dann kommt ihrer Effizienz und optimalen Systemintegration eine mehrfach höhere Bedeutung zu.
Durch den spannenden Anlass führten auch diesmal Carina Alles und Stephan Renz mit Kompetenz und Charme. Für Renz war es bereits die 10. Tagung in Burgdorf. Nachfolgend Ausschnitte verschiedener Referate:
Wärmestrategie 2050 des Bundes
Philippe Müller vom BFE startete den Reigen der hochinteressanten Vorträge mit der Wärmestrategie 2050 des Bundes. Die heutigen Rahmenbedingungen genügen nicht, um 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen, weiss Müller. Insbesondere der Verbrauch von fossilen Energieträgern muss rasch reduziert werden: der Endenergieverbrauch für die Prozesswärme muss gesenkt werden; der Ersatz von fossilen durch fossile Heizungen ist zu vermeiden und der Ausbau von erneuerbaren Energien und Fernwärme aus erneuerbaren Quellen oder Abwärme muss forciert werden.
Jedes der verschiedenen Netto-Null Szenarien in den Energieperspektiven 2050+ belegt, dass der Wärmebedarf der Schweiz bis 2050 ohne direkte CO2-Emissionen aus fossilen Energien gedeckt werden kann. Dazu stehen bei der Komfortwärme (Heizen von Gebäuden und Warmwasser) heute schon kosteneffiziente und bewährte Technologien zur Verfügung. Auf dem Zielbild der Wärmestrategie 2050 sind zehn Handlungsfelder dargestellt, die zentral sind bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors. Wärmepumpen mit hohen Jahresarbeitszahlen sind Schlüsselelemente zur effizienten Bereitstellung von Komfortwärme.
Digitale Betriebsanalyse für Wärmepumpen
Zur emissionsfreien Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser ist die Wärmepumpe eine unerlässliche Kerntechnologie. Während die WP-Technologie an sich weit ausgereift ist, ist für deren effizienten Betrieb die korrekte Einstellung von grosser Relevanz. Das Ziel dieses BFE-Projekts ist die Schaffung von Grundlagen für eine digitale Betriebsanalyse (DIBA) von Heizungs-WP bis 25 kW. Dazu wurde untersucht, welche Daten erforderlich sind und welche Berechnungsmethoden für die DIBA geeignet sind, erklärte Raphael Agner, Hochschule Luzern Technik & Architektur, welcher mit seinem Team dieses Projekt betreut.
Fehler an WP-Systemen im Feld:
Diverse Untersuchungen zeigen, dass im Feldbetrieb eine Vielzahl von Fehlern vorliegen kann. Die resultierende Fehlerliste ist mit ca. 130 Fehlern (Kombination von Ursachen und Auswirkung) entsprechend umfangreich. Der Fokus des Projekts liegt auf fehlerhaften Einstellwerten. Diese können bei der Inbetriebnahme sowie durch Anlagebetreiber verursacht, aber auch korrigiert werden. Auf deren Erkennung und Korrektur zielt das Forschungsprojekt im Grundsatz ab, weil Einstellungen objektspezifisch vorgenommen werden. Fehleinstellungen bleibt oft unbemerkt, solange kein Komfortverlust auftritt. Weiter sind Fehleinstellungen einfach korrigierbar, da sie keine physische Anpassung am System wie z. B. den Austausch einer Pumpe bedingen.
Zudem wurden ausgewählte Fehler der Kategorie «Fehlerhafte Auslegung, Planung und Installation» in die Simulationsstudie aufgenommen, um deren Auswirkungen zu quantifizieren. Ziel eines optimal eingestellten WP-Heizsystems ist es, den Komfort im Gebäude mit minimalem Bedarf an elektrischer Energie zu gewährleisten.
Projekt OptiPower für eine optimale Auslegung
In diesem Referat wurden die Resultate der Untersuchung der optimalen Auslegung der Leistung von Heiz- und Kühlsystemen für Wohn- und Verwaltungsgebäude von Igor Bosshard, SPF Institut für Solartechnik OST, präsentiert. Immer häufiger werden die Energieverbrauchsdaten von Gebäuden mit hoher zeitlicher Auflösung erfasst und mit der Planung verglichen. Dank dieser Entwicklung ist es nun möglich, grössere Datenmengen zu Gebäudeverbrauchsdaten zu untersuchen und Zusammenhänge zwischen Planung und Verbrauch zu ermitteln. Die Thematik der Überdimensionierung in der Planung von Heizungsanlagen ist grundsätzlich nicht neu, dennoch ist keine Studie bekannt, welche eine grosse Anzahl an Objekten mit realen Messdaten systematisch dazu untersucht hat. Der Fokus von OptiPower liegt auf Mehrfamilienhäusern und Verwaltungsgebäuden, da diese den grössten Anteil (>70%) am Neubauvolumen in der Schweizer aufweisen.
Die Auswertung der Wohngebäude bestätigt die Vermutung, dass die Heizungsanlagen generell überdimensioniert sind. Der Einfluss dieser Überdimensionierung auf die Wärmepumpen wird zurzeit untersucht und im Schlussbericht des BFE publiziert. Die Auswertung der Verwaltungsgebäude zeigt (siehe Schlussbericht), dass bei diesen der Handlungsbedarf noch viel grösser ist als bei den Wohngebäuden, da die Heiz- und Kälteanlagen um den Faktor 2 bis 4 überdimensioniert sind. Ein wesentlicher Grund dafür sind die bei der Auslegung zu berücksichtigenden so genannten Verbundsysteme (SIA 384/2). Diese berücksichtigen die zusätzliche Leistung gegenüber der normalen Heiz-/Kühllast von Serverräumen, Warmwasserbereitung, Sperrzeiten und Lüftungsanlagen.
Dachintegrierte Luft/Wasser-Wärmepumpe
Der Beitrag von Ulrich Frei, Soltop-Energie AG, Daniel Philippen und Michel Haller vom SPF Institut für Solartechnik, OST – Ostschweizer Fachhochschule, stellte die Erneuerung der Energieversorgung in einem 100-jähringen Gebäude an der Denzlerstrasse 36 in der Stadt Zürich vor. Das Stadtbild vieler Schweizer Städte ist geprägt durch einen alten Gebäudebestand, mehrheitlich entstanden zwischen 1920 und 1960. Die Dekarbonisierung dieser Gebäude erfordert innovative Lösungen, da die meist markanten Fassaden nicht beliebig wärmegedämmt werden können und der nachträgliche Einsatz von Wärmepumpen an vielen Standorten eingeschränkt oder nicht zulässig ist. Erdsonden können aus Platzgründen oder wegen des Grundwasserschutzes oft nicht realisiert werden. Luft/Wasser-Wärmepumpen sind oft aus Lärmschutzgründen keine Option.
Hybrid genutzte PV-Anlage:
Der Einsatz einer Wärmepumpe für die Substitution des bestehenden Gaskessels war von Beginn an gesetzt. Alternativen wie beispielsweise ein Pelletsheizkessel scheitern am Platzangebot und an der Feinstaubthematik im städtischen Raum. Erdsonden als Wärmequelle für die Wärmepumpe sind am Standort der Liegenschaft nicht erlaubt (Grundwasser). Es blieb die Lösung mit einer Luft/Wasser-Wärmepumpe. Das Herzstück der Anlage bilden nun eine vollständig ins Dach integrierte, hybrid genutzte PV-Anlage und zwei drehzahlgeregelte Luftwärmepumpen. Ergänzt wird die Anlage durch eine Batterie und einen Wärmespeicher. Der Wärmespeicher könnte zusätzlich mit PCM-Elementen befüllt werden, um die Wärmekapazität im nutzbaren Bereich von 45 °C - 55 °C deutlich zu erhöhen (Faktor 2-3). Die bestehende Wärmeverteilung mittels Radiatoren wird weiter betrieben. Die Vorlauftemperatur beträgt ca. 46 °C bei -8 °C Umgebungstemperatur.
Sehr geringe Geräuschentwicklung:
Die Besonderheit dieses Anlagenkonzepts ist u.a. die Luftführung der Luft-Wärmepumpen im Dachbereich. Angesogen auf der ganzen Länge oberhalb der Dachrinnen, gelangt die Aussenluft in den Zwischenraum von Unterdach und PV-Modulen, steigt zum Dachgiebel auf und strömt dann in einem für beide Dachhälften getrennten Kanal zum Standort der Wärmepumpen und wird den Verdampfern zugeführt. Die Aufstellung der Wärmepumpen im Dachstock, zusammen mit der speziellen Luftführung, führt zu einer Schallreduktion zu den benachbarten Liegenschaften. Tatsächlich sind die Wärmepumpen ausserhalb des Gebäudes auch bei Volllast nicht wahrnehmbar.
Die zwei drehzahlgesteuerten Luft-Wärmepumpen sind mittels Kaskadenschaltung verbunden. Sowohl die Laufzeiten der einzelnen Wärmepumpen als auch die verbrauchsgerechte Bereitstellung der Wärme für Warmwasser und Heizung werden auf Basis von definierten Kriterien geregelt (z.B. Nutzung PV-Strom, Pufferbewirtschaftung). Beide Wärmepumpen werden parallel für Heizung sowie Warmwasser eingesetzt, bei Aussentemperaturen von -10 °C stehen bis zu 25 kW Heizleistung zur Verfügung. Ein zentrales Ziel des Anlagenkonzept ist es, die Zuluft der Wärmepumpen zu erwärmen, indem sie unter den beiden PV-Dächern durchgeleitet wird. Durch diese angestrebte Temperaturerhöhung der Aussenluft sollen die Wärmepumpen mit höheren COP laufen und im Betrieb entsprechend weniger Strom benötigen. Die Lufterwärmung bereitete auch im Sommer keine Probleme für die Wärmepumpen; es wurden keine zu hohen Lufttemperaturen erreicht, die einen Betrieb der WP verhindert hätten.
Innovationsförderung auch für Gross-Wärmepumpen
Carina Alles, Bundesamt für Energie BFE, präsentierte mit ihrem Referat die Innovationsförderung im Bereich industrieller Wärmepumpen. Prozesswärme wird heute noch zu einem grossen Anteil mit fossilen Energien erzeugt, was rund 8 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz verursacht. Während sich Wärmepumpen in Gebäudebereich fest etabliert haben, stehen der vermehrten Anwendung in der Industrie noch Hindernisse gegenüber. Forscher in der Schweiz arbeiten mit Hochdruck daran, innovative Wärmepumpenkonzepte für anspruchsvolle Industrieanwendungen zu entwickeln.