Ende Juni folgten wieder zahlreiche Fachleute aus der Gebäudetechnik der Einladung vom Bundesamt für Energie BFE, um sich in Burgdorf auf den neusten Stand der WP-Technologie zu bringen. Der Anlass wurde erstmals hybrid durchgeführt. Die anwesenden Referenten brachten zahllose Informationen und trotz des langen Tages blieb der Kongress bis zum letzten Vortrag spannend. Die forschungsbasierte Verbesserung von Wärmepumpen und energieeffizienten Systemlösungen, sowie die Kommunikation der Ergebnisse ist deshalb wichtiger denn je. Carina Alles, Bereichsleiterin Wärmepumpen und Kältetechnik vom BFE und Stephan Renz, Leiter des BFE-Forschungsprogramms Wärmepumpen und Kälte, moderierten einmal mehr gekonnt die Tagung und sorgten für einen reibungslosen Ablauf des dichten Programms.
Nachfolgend ein Auszug aus verschiedenen Referaten:
Dekarbonisierung der Schweiz
Das Forschungsprojekt DeCarbCH wird vom BFE gefördert mit dem Ziel, die Grundlagen für eine Dekarbonisierung von Heizen und Kühlen in der Schweiz innerhalb drei Jahrzehnten erreichen zu können. Eine gewaltige Herausforderung für Team dahinter. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist es, die Anwendung von erneuerbaren Energien für die Wärme- und Kälteerzeugung im Wohnbereich sowie im Dienstleistungs- und Industriesektor zu befördern, zu beschleunigen und möglichst risikoarm zu gestalten. Das DeCarbCH-Projekt konzentriert sich auf drei Hauptkomponenten: 1. Neue Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, 2. Wärmenetze (für Heizen und Kühlen) und 3. Energiespeicherung. Wärmepumpen spielen eine zentrale Rolle im DeCarbCH-Projekt. Das Forschungsprojekt wird von der Universität Genf, in Zusammenarbeit mit der Ostschweizer Fachhochschule, der Hochschule Luzern und der ETHZ koordiniert.
Hochtemperatur-Wärmepumpen
Frédéric Bless und Cordin Arpagaus vom Institut für Energiesysteme (IES) der Ostschweizer Fachhochschule, befassen sich mit Hochtemperatur-Wärmepumpen für die Industrie.
Die Schweiz spielt eine Vorreiterrolle in der Entwicklung und Vermarktung von Wärmepumpen. Im Kleinlastbereich sind Wärmepumpen eine etablierte Technologie für Raumheizung und Trinkwarmwasser und halten im Bereich Neubau einen Marktanteil von über 90 Prozent. In grösseren Leistungsbereichen, insbesondere in der Industrie, dominieren Öl- und Gaskessel zur Prozesswärmeerzeugung. Daher ist der Ersatz fossiler Heizsysteme durch industrielle Wärmepumpensysteme mit Vorlauftemperaturen über 100 °C ein denkbares Szenario, um die Treibhausgasemissionen der Industrie zu reduzieren. Das Energieeinsparpotenzial aus der Umstellung von fossilen Brennstoffen auf HTHPs im Schweizer Industriesektor für Prozesswärme und Dampf unter 150 °C kann grob auf 2893 GW/a geschätzt werden, was rund 6,7% des gesamten Prozesswärmebedarfs entspricht. Somit wird die Integration industrieller HTHPs sowohl zu Energieeinsparungen als auch zur CO2-Reduzierung beitragen.
Obwohl HTHPs auf dem Markt erhältlich sind, verläuft die Einführungszeit langsam. Generell fehlt es der Industrie an operativer Erfahrung. Es muss auch präsentiert werden, dass die HTHP-Technologie zuverlässig und wirtschaftlich attraktiv ist. Der Fokus liegt auf Prozessen mit einem Energiebedarf über 100 °C auf Prozess- und Versorgungsebene und im Batch- und Dauerbetrieb. Geeignete HTWP-Integrationskonzepte werden entwickelt mit quantifizierten Ergebnissen in Bezug auf Effizienzgewinne, CO2-Emissionsminderungspotenziale und Kosteneffizienz. Parallel wird das Projekt durch die Teilnahme am IEA HPT Annex 58 zu HTHPs begleitet, um die Ergebnisse und das Wissen international austauschen zu können.
Dezentrales Sole/Wasser-WP-System für MFH
Christoph Messmer, Institut Nachhaltigkeit und Energie am Bau, Fachhochschule Nordwestschweiz, stellte Projekt HpCosy vor. In diesem Projekt werden die Grundlagen für ein dezentrales Sole/Wasser-Wärmepumpensystem für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern entwickelt und untersucht. Dieses umfasst die Funktionen Heizen, Kühlen und Warmwasserbereitung. Die Wärme zur Bereitstellung von Warmwasser wird gegenüber der Wärme für das Heizen auf Grund der zunehmend besseren Gebäudedämmungen mehr Gewicht bekommen. Kühlanwendungen werden infolge gesteigerter Komfortansprüche und nicht zuletzt auch durch den Klimawandel, vermehrt realisiert werden. Dabei ist es naheliegend, im Sommer sowohl Kälte wie auch Wärme für die Warmwasserbereitung mit derselben Wärmepumpe zu erzeugen. Dezentrale Wärmepumpenanlagen für Heizung und Warmwasserbereitung in Mehrfamilien-häusern mit Einzelgeräten pro Wohneinheit bieten gegenüber einer zentralen Wärmepumpe entscheidende Vorteile: die Warmwasserzirkulation wird nicht benötigt. Dadurch können Verteilverluste eingespart werden und durch die in Übereinstimmung mit der Norm SIA 385/1 tieferen Anforderungen an die Speichertemperaturen, erhöht sich die Effizienz der Wärmeerzeugung. Die bezogenen elektrischen Leistungen können infolge der Verteilung auf mehrere Einheiten, feiner auf den produzierten PV-Strom eingeregelt werden.
Das Hauptziel ist die Entwicklung von Grundlagen für ein neues Wärmepumpensystem, welches folgende Eigenschaften hat:
- Erhöhte Effizienz (30% weniger elektrischer Energiebedarf) gegenüber heutigen Lösungen bei gleicher Hygienesicherstellung (Legionellenschutz).
- Erhöhung des Komforts durch Anbieten von Free Cooling und/oder WP-Kühlfunktion.
- Erhöhte Flexibilität durch Solekreislauf, welcher wahlweise mit Erdsonden, Anergienetzen (eine technische Variante eines Wärmeversorgungsnetzes, das mit niedrigen Übertragungstemperaturen in der Nähe der Umgebungstemperatur arbeitet und daher sowohl Wärme als auch Kälte bereitstellen kann), Luft-Wärmetauscher oder anderen Wärmequellen gekoppelt werden kann.
- Entwicklung einer sogenannten Schwarm-Steuerung zur geschickten Berücksichtigung der lokalen PV-Stromproduktion.
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Die Endergebnisse werden Ende 2022 veröffentlicht.
CowaCaps erhöhen Speicherkapazität
«Im Pilotprojekt SunStore wird ein neues, auf Phasenwechselmaterialien (PCM) basiertes Wärmespeicherkonzept für Pufferspeicher in Wärmepumpensystemen, unter realen Bedingungen in einem Einfamilienhaus eingebaut und getestet und evaluiert», erklärte Philipp Roos, Cowa Thermal Solutions, den anwesenden Experten. Das PCM wird in Form von blasgeformten Kapseln (CowaCaps) als Schüttgut in den Pufferspeicher gefüllt. Im Projekt sollen insbesondere die Vorteile von PCM-Speichern in Bezug auf das Erreichen eines hohen Eigenverbrauchs von Photovoltaik (PV)-Strom in Kombination mit Wärmepumpen untersucht werden. Damit soll die Wirtschaftlichkeit der PV-Installation verbessert, die Nutzung von Elektroheizstäben verhindert und ebenfalls einen netzdienlichen Betrieb ermöglicht werden. CowaCaps können ohne Änderungen am Wärmepumpensystem, in den Pufferspeicher gefüllt werden, wodurch die Kapazität um bis zu Faktor 4 erhöht werden kann.
In Verbindung mit einer Photovoltaikanlage kann dadurch der Eigenverbrauch von Solarstrom im Winter und in der Übergangszeit erhöht und den Netzbezug verkleinert werden. Gleichzeitig wird durch die latente Energiespeicherung die gemittelte Temperatur vom Pufferspeicher gegenüber sensiblen Speichern gesenkt, was sich vorteileilhaft auf Wärmeverluste und den COP der Wärmepumpe auswirkt. Im Renovationsbau gelten grundsätzlich die gleichen Vorteile von PCM Speichern wie beim Neubau. Allerdings erhöht sich hier der Vorteil durch die PCM Kapseln, da das Temperaturniveau allgemein höher ist.
Das Projekt startete im Herbst 2021 und es konnte bereits eine erste Heizperiode mit konventionellem Wasserpufferspeicher als Referenz aufgezeichnet werden. Im Sommer 2022 wird der Pufferspeicher mit den PCM Kapseln befüllt und für 3 Heizperioden getestet.
Aktives Kühlen von Gebäuden
Florian Ruesch, SPF Institut für Solartechnik, Ostschweizer Fachhochschule, sprach in seinem Referat über Cool2Regen – Aktives Kühlen von Gebäuden mit Wärmepumpen und Erdsonden für hohe Regenerationsgrade. Detaillierte Simulationen zeigen, dass mit dem Klimawandel und durch einen Wechsel von passiven zu aktiven Kühlmassnahmen bei energieeffizienten Bauten viel Wärme aus Gebäuden "gewonnen" und zur Regeneration von EWS (Erdwärmesonden) eingesetzt werden kann. Bei modernen Wohngebäuden müssen in diesen Fällen keine zusätzlichen Regenerations-Technologien realisiert werden, um eine problematische Langzeitauskühlung des Untergrundes in dicht bebauten Quartieren zu verhindern. Im Projekt Cool2Regen (BFE Programm Gebäude und Städte) wurde untersucht, inwiefern der steigende Kühlbedarf in Kombination mit einer aktiven Kühlung zum Erreichen von hohen Regenerationsgraden eingesetzt werden kann. Dabei wurde auch eine Erhöhung des Kühlbedarfs und somit des Regenerationsgrades durch den Verzicht auf passive Wärmeschutzmassnahmen in Betracht gezogen. Zusätzlich wurde untersucht, inwiefern der erhöhte Strombedarf für die aktive Kühlung mit lokaler PV-Produktion gedeckt werden kann.
Aus den durchgeführten Analysen werden folgende Schlussfolgerungen abgeleitet:
- Bei Gebäuden mit Neubaucharakter können durch eine forcierte, aktive Kühlung sehr hohe Regenerationsgrade erreicht werden. Bei Bestandsgebäuden hingegen nicht.
- Passive Massnahmen wie Fensterlüftung, Nachtauskühlung und Verschattung haben einen grossen Einfluss auf das Regenerationspotenzial über aktive Kühlung.
- Ein grossflächiger Umstieg auf EWS-Wärmepumpen in realen, bestehenden Quartieren würde zu einer sehr starken nachbarschaftlichen Auskühlung führen und ist nicht ohne Regenerationsmassnahmen umsetzbar.
- Bei Quartieren, welche durch Bestandsbauten mit wenig Sanierungspotenzial dominiert werden, reicht eine Regeneration durch aktives Kühlen nicht aus, um das Problem der nachbarschaftlichen Auskühlung zu verhindern. Bei weniger dichten, modernen Quartieren könnte eine Regeneration mit aktiver Kühlung die Langzeitauskühlung des Untergrundes stark vermindern.
- Der Strombedarf für eine grossflächig umgesetzte aktive Kühlung könnte zu einem sehr hohen Anteil durch lokal erzeugten PV-Strom gedeckt werden.
Erdwärmesonden-Regeneration in der Praxis
Marc Bätschmann von der Allianz 2SOL, berichtete dem Auditorium über die Erkenntnisse über Erdwärmesonden- Regeneration am Beispiel eines Doppel- Mehrfamilienhauses. Für die präsentierte Studie wurden Monitoring Daten ausgewertet, um belastbare Daten zu Dimensionierung, Verbrauchswerten, Systemeffizienz und Wirtschaftlichkeit ausweisen und Empfehlungen für die Planung künftiger Sanierungsprojekte abgeben zu können.
Das Doppel-Mehrfamilienhaus in einer Zürcher Gemeinde entspricht einem in der Schweiz weit verbreiteten Gebäudetypus. Bei vielen solcher Immobilien steht in den nächsten Jahren eine energetische Sanierung an, denn ein Grossteil der älteren Gebäude wird bislang mit fossilen Energieträgern geheizt. Hier liegt in Hinblick auf die angestrebte Dekarbonisierung des Gebäudeparks grosses Potenzial. Um die Eigentümerschaft zu einem Wechsel auf erneuerbare Energieträger zu motivieren, gilt es aufzuzeigen, dass solche Systeme nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sind.
Die Systemauslegung des Gebäudes umfasst eine zweistufige Wärmepumpe, drei Erdwärmesonden mit je 360 m Tiefe und eine Hybridkollektoranlage mit 160 m² Kollektorfläche. Die thermische Energie, die die Hybridkollektoren liefern, wird mittels Erdwärmesonden zur Regeneration des Erdreichs verwendet. Über Eigenverbrauchsoptimierung des PV-Stroms, die durch eine intelligente Regelung, vergrösserte Speichervolumina und die direkte Schaltung der Wärmepumpe mit einem speziellen Netto-Stromüberschusszähler realisiert wird, verbessern sich Gebäude-Energie-bilanz und die Wirtschaftlichkeit.
Die wichtigsten Erkenntnisse für Marc Bätschmann lauten wie folgt:
- Ältere Gebäude können mittels minimaler Sanierungsmassnahmen in einen nachhaltigen Betrieb gebracht werden. Der Stromverbrauch beim Referenzobjekt wurde mittels energetischer Sanierung und Heizungsersatz um 93% reduziert.
- Die Jahresarbeitszahl gesamter Wärmebereitstellung nach Systemgrenze «SNG+» liegt zwischen 3,3 und 3,7. Die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe ohne Pumpenstrom lag zwischen 3,7 und 4,1.
- Anlagen dieser Grössenordnung müssen, aus ökonomischen Gründen getrieben, nicht vollständig regeneriert werden. Erfahrungswerte liegen bei einem Regenerationsgrad von 50 bis 70 Prozent.
- Monitoring und regelmässige Datenauswertungen sind essenziell, um Effizienzverluste erkennen und rasch beheben zu können.
«Die im Rahmen dieser Studie analysierte Gebäudesanierung zeigt exemplarisch auf, dass es mit derzeit verfügbaren Technologien und zu durchaus vertretbaren Investitionskosten möglich ist, bewohnte Mehrfamilienhäuser umwelt- und sozialverträglich zu sanieren und gleichzeitig attraktive Renditen zu erwirtschaften», beendete Marc Bätschmann seinen Vortrag.