Radialverdichter einer Wärmepumpe

Radialverdichter unterschiedlicher Grösse (15,2, 70 bzw. 220 Millimeter) vor einer typischen Diagrammkarte. (Foto: Alain Herzog, EPFL)

Wärmepumpen: Effizienzsprung bahnt sich an

Wärmepumpen sind leistungsstarke und umweltfreundliche Heizaggregatsysteme. Nun kündigt sich ein neuer Entwicklungssprung an. Der Ersatz herkömmlicher Verdichter durch ölfreie Turbokompressoren verspricht eine um 20 Prozent höhere Leistungszahl und eine Stromersparnis von bis zu einem Viertel.

Für den Wärmepumpenprozess sind vier Komponenten erforderlich: der Verdampfer, der Verdichter, der Kondensator und die Drossel. Die Übertragung der thermischen Energie von der Wärmequelle mit niedriger Temperatur zur Wärmesenke mit höherer Temperatur erfolgt in einem geschlossenen thermodynamischen Kreislauf mittels eines Trägermediums, das zunächst verdampft, anschliessend verdichtet und schliesslich kondensiert wird.

Die Nutzwärme wird durch den Phasenübergang des Mediums freigesetzt und während der Abkühlung und Kondensation über Wärmetauscher an das Trägermedium des Heizkreises abgegeben. Gewonnen wird sie durch den vorgelagerten Prozess der Verdichtung. Denn durch die Druckkomprimierung erhitzt sich das Kältemittel. Damit fällt dem Verdichter eine Schlüsselrolle zu.

Weshalb ist der Verdichter so wichtig für die Effizienz?

Wie entscheidend der Verdichter ist, zeigt die Entwicklung der Wärmepumpen in der Vergangenheit. So fanden Effizienzsprünge meist dann statt, wenn es zu bedeutenden technischen Neuerungen in der Verdichtertechnik kam. Die letzte grössere Performancesteigerung ereignete sich in den Neunzigerjahren – also ausgerechnet in jener Dekade, in der sich die Kompressionswärmepumpe durchzusetzen begann.

Politische Lenkungsentscheide sowie staatliche Fördermittel und Forschungsprogramme trugen anschliessend das Ihrige bei, um der Wärmepumpe zum Durchbruch zu verhelfen – mit dem Resultat, dass heute 50 bis 60 Prozent der Neubauten mit diesen Systemen ausgerüstet werden.

«Die Steigerung Anfang der Neunziger gelang deshalb, weil man von einer relativ alten zu einer neuen Verdichtertechnik überging, zum sogenannten Scrollverdichter», erläutert Jürg Alexander Schiffmann von der ETH Lausanne die jüngere Geschichte der Wärmepumpentechnik.

Um eine neuerliche Leistungssteigerung zu erzielen, untersuchte der Maschinenbauprofessor deshalb gemeinsam mit seinen Doktoranden die Energieverluste bestehender Systeme. «Wir analysierten, wo die Verluste in den Wärmepumpen entstehen, und stellten fest, dass 50 Prozent der Wärmeverluste im Verdichter entstehen. Also ist der Verdichter jenes Element in der Wärmepumpe mit der grössten Hebelwirkung zur Erhöhung der Performance», sagt der Leiter des Labors für Angewandte Mechanische Konstruktion (LAMD) im Innovationszentrum Microcity der Neuenburger EPFL-Dependance.

Was unterscheidet den Turboverdichtver von herkömmlichen Verdichtern?

In klassischen Verdrängermaschinen, wie sie in nahezu allen Bauarten herkömmlicher Wärmepumpen verwendet werden, verdichten Scrollkompressoren das Kältemittel, um den Wärmepumpenkreislauf anzutreiben. Diese Systeme benötigen Öl als Schmier- und Dichtmittel. Das Öl gelangt jedoch auch in den Kreislauf, wo es an den Oberflächen der Wärmetauscher haften bleibt und die Effizienz der Wärmeübertragung schmälert.

Da Jürg Schiffmann seit 2005 an der Auslegung und Konstruktion von schnell rotierenden Turbomaschinen forscht, brachte er an diesem Punkt den Turboverdichter ins Spiel, wie er namentlich in der Kraftfahrzeugbranche und der Luftfahrt eingesetzt wird. Im Gegensatz zu klassischen Verdrängerverdichtern stellen Turbomaschinen die für die Energieübertragung erforderliche Druckdifferenz des Trägermediums nicht durch Hubkolben, sondern mittels kontinuierlich rotierender Turbinenschaufeln her.

Wie funktioniert der Turboverichter?

«Mit der Beschaufelung wird dem Gas kinetische Energie übertragen, womit sich dessen Geschwindigkeit erhöht. In einer zweiten Stufe wird das Gas abgebremst, wodurch es an Druck gewinnt», erläutert Schiffmann die Funktionsweise.

In miniaturisierter Ausführung mit Durchmessern von unter 20 Millimetern laufen Turboverdichter mit weit über 200 000 Umdrehungen pro Minute auf sogenannten Gaslagern. Durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit der Kompressorwelle entsteht zwischen den rotierenden Elementen und den Halterungen ein «Luftkissen», auf dem die Welle schwebt.

Dadurch existiert kein mechanischer Kontakt, womit die Reibung minimiert wird, kein Öl als Schmiermittel nötig ist und eine hohe Lebensdauer erzielt wird. «Weil die Temperaturen in einer Wärmepumpe schwanken, hat sie keinen eigentlichen Auslegungspunkt. Das heisst, der Verdichter muss in einem sehr grossen Spektrum von Druckverhältnissen gute Wirkungsgrade erzielen. Eine Turbomaschine kann das besser als eine Verdrängermaschine», erklärt Schiffmann die Vorteile.

Der Wirkungsgrad erhöht sich

Dadurch, dass die Maschine ohne Schmieröl laufe, erhöhe sich auch der Wirkungsgrad des Wärmetauschers. Dies sei zwar nur ein sekundärer, aber ein sehr wichtiger Effekt, betont der Wissenschaftler.

Dazu komme, dass man ohne Öl komplexere thermodynamische Kreisläufe einsetzen könne, die den Wirkungsgrad der Wärmepumpe sehr stark erhöhten. Der höhere Wirkungsgrad der Turboverdichter in Verbindung mit der Ölfreiheit ermöglicht letztendlich, die Leistungszahl der Wärmepumpe um 20 bis maximal 30 Prozent zu erhöhen. Mit anderen Worten, bei gleicher Heizleistung verbraucht sie weniger Elektrizität – insgesamt bis zu einem Viertel weniger.

Was sind die Herausforderungen bei der Integration in Wärmepumpen?

Die Integration dieser Mikroturbokompressoren in Wärmepumpen ist allerdings nicht einfach, was vor allem auf die geringe Grösse und die hohe Rotationsgeschwindigkeit zurückzuführen ist.

Schiffmann entwickelte mit seinem Team ein Werkzeug, das die Implementierung dieser Systeme in künftigen Wärmepumpen erleichtert. Mithilfe eines maschinellen Lernansatzes, der als symbolische Regression bezeichnet wird, berechneten die Forscher extrem einfache Gleichungen, um sehr schnell die Abmessungen eines Mikroturboverdichters für eine bestimmte Wärmepumpe zu bestimmen.

«Für die Entwicklung des Verdichters nahmen wir Performancedaten eines Verdichters, die für bestimmte Geometrien erreicht wurden», schildert Schiffmann die Vorgehensweise. «Sobald hohe Datenmengen entstehen, gibt es eine Datenwolke. Die symbolische Regression ist ein Verfahren, um aus dieser Wolke gewisse Zusammenhänge erkennen zu können. Und zwar dergestalt, dass eine Formel entwickelt werden kann, die sehr einfach anwendbar und gleichzeitig so genau ist wie ein komplexes Modell.»

Diagrammkarten können ersetzt werden

Der Ansatz vereinfacht die erste Designstufe der Turboverdichter erheblich, in der die ideale Maschinenkonstruktion grob definiert wird. Dieser Schritt ist von entscheidender Bedeutung, da eine genaue erste Auslegung die Konstruktionszeit beträchtlich reduziert. Bis dato verwendete man dafür Diagrammkarten. Diese sind jedoch wegen der geringeren Grösse der Turbokompressoren zu ungenau.

Die Doktoranden Violette Mounier und Cyril Picard fanden einen Weg, um sie zu ersetzen. Anhand von Algorithmen des maschinellen Lernens und einer Datenwolke mit 500 000 Auswertungen ermittelten sie Gleichungen, die den Diagrammansatz reproduzieren, jedoch mit Vorteilen: Ihr System ist nicht nur an kleine Turboverdichter angepasst, sondern ebenso detailliert wie komplexere Simulationen und dabei 1500-mal schneller.

Die Methode ermöglicht es ausserdem, Schritte im klassischen Entwurfsprozess zu überspringen. Für ihre Forschungen wurden Schiffmann und seine Mitautoren mit dem «Best Paper Award» an der letztjährigen Jahreskonferenz Turbo Expo des US-amerikanischen Berufsverbands der Maschinenbauingenieure ASME in Phoenix ausgezeichnet.

Wie sieht das Interesse der Wärmepumpenhersteller aus?

Die Technologie der ölfreien Mikroturbokompressoren auf Gaslagern ist inzwischen ausgereift. «Mehrere Unternehmen haben bereits Interesse an der Kommerzialisierung gezeigt», versichert Schiffmann. «Die Wärmepumpenhersteller – insbesondere in der Schweiz – entwickeln selber keine Komponenten, sondern kaufen sie ein, fügen sie zusammen und bauen sie so, dass sie die beste Performance erreichen. Das heisst, wir müssen nicht mit den Wärmepumpenproduzenten, sondern vielmehr mit den Herstellern von Verdichtern zusammenarbeiten.»

Mit welchen Industriepartnern Gespräche laufen, muss vorerst vertraulich bleiben. Es bleibt aber ein schwieriges Unterfangen. Denn Verdichter für Wärmepumpen werden jährlich in Millionenstückzahlen gefertigt. Nur mit Massenfertigung wird man preislich konkurrenzfähig. Trotzdem sucht Jürg Schiffmann proaktiv den Kontakt zu den Marktteilnehmern: «Mir ist es wichtig, dass die Forschung, die wir betreiben, nicht nur in Papers publiziert wird, sondern auch auf den Markt gelangt und ihr Potenzial entfaltet.»

Erschienen in: Haustech 3-2020